Kapitel 18

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Mit quälenden Kopfschmerzen wache ich am Morgen auf. Mein ganzer Körper fühlt sich wie ein Steinbrocken an, der einen Berg hinunterrollt.

Kurz gähne ich auf, ehe ich meine Augen öffne. Noch völlig verschlafen reibe ich meine Augen um klar sehen zu können. Als ich an die Decke blicke, sehe ich nicht wie jeden Morgen, seit ich hier auf der Insel bin, die große Lampe mit einer roten Verzierung. Heute ist sie grün.

Verwirrt drehe ich mich auf die linke Seite und werde von Sonnenstrahlen geblendet. Auf meinem Nachtisch steht auch nicht mein Wecker. Dort befindet sich nun mein Rock und Oberteil.

Neben mir bewegt sich etwas, was mich kurz zusammenzucken lässt. Mein Blick wandert sofort zu dem Geschehnis und entsetzt muss ich feststellen, dass Nathan derjenige ist, der neben mir im Bett liegt. Völlig entgeistert sehe ich mir das Zimmer genauer an und stelle fest, dass es das Zimmer von Nathan und Robert ist.

Nathan scheint tief und fest zu schlafen.

Und als ich dann wieder meine Klamotten sehe, springe ich sofort aus dem Bett. Nur in Unterwäsche bekleidet betrachte ich Nathan, den man mit freiem Oberkörper sehen kann.

Oh Gott!

Ich habe doch nicht etwa...

Mit Nathan...

Schnell greife ich nach meinen Klamotten und sehe dann, dass mein Oberteil zerrissen ist.

Mir wird immer komischer. Ich kann nicht glauben, dass ich und Nathan miteinander geschlafen haben. Ich weiß gar nichts mehr von letzter Nacht! Das letzte, an das ich mich erinnern kann, ist unser Kuss. Und dass ich dann weggerannt bin. Von der Tanzfläche.

Aber warum bin ich von der Tanzfläche weggerannt als er mich geküsst hat? Oder war er überhaupt noch auf der Tanzfläche? Ich glaube schon.

Ohne lange zu denken, ziehe ich mir mein zerrissenes Oberteil drüber und schlüpfe in meinen Rock. Jetzt wo ich mich bewege, spüre ich schmerzen an meinen Beinen.

Tränen laufen mir die Wange runter und schon renne ich aus dem Zimmer raus und suche das Hotelzimmer von mir und Mary.

Ich kann nicht fassen, dass ich mit Nathan geschlafen haben sollte. Ich wollte doch immer ein schönes erstes Mal haben! Ich kann nicht glauben, dass er meinen Zustand ausgenutzt hat, nur um mit mir zu schlafen!

Vor meiner Zimmertür angelangt, klopfe ich daran und hoffe, Mary macht mir auf.

Da Robert nicht in seinem Zimmer war, gehe ich davon aus, dass er hier bei Mary übernachtet hat.

Nathan hat wirklich an alles gedacht!

Eine verwirrte Mary macht die Türe auf und steht mit einer Decke umschlungen, vor mir.

„Was machst du denn schon so früh hier?", begrüßt sie mich. Doch als sie meine Tränen sieht und wahrnimmt sagt sie: „Hey Süße, was ist denn passiert? Komm erst mal rein." Mary nimmt meine Hand und zieht mich in das Zimmer. Gleich danach schließt sie mich in ihre Arme.

In Situationen wie diesen, bin ich überglücklich so eine Freundin wie Mary zu haben. Sie sieht, dass ich traurig bin, tröstet mich und löchert mich nicht zuerst mit tausend Fragen, nur weil sie alles wissen möchte.

„Alles wird gut, Harper." Mary fährt meinen Rücken beruhigend auf und ab.

Robert scheint von meinen Tränengeräuschen aufgeweckt worden sein, denn er richtet sich auf und schaut mich und Mary verschlafen an.

„Was ist hier denn passiert?", fragt er und kriecht aus dem Bett, um zu uns zu kommen.

Fast will ich meinen Kopf auf den Boden sinken, da Robert nur in Boxershorts bekleidet ist. Aber momentan bin ich zu verletzt, um noch an solche Dinge zu denken.

„Willst du dich setzten?", bietet mir Mary an.

Ich nicke, wische mir Tränen aus den Augen und setzte mich dann auf das Bett.

„Soll ich gehen, Mary?"

Ich mag Robert jetzt schon. Ich finde es gut, dass er uns alleine lassen möchte.

„Das wäre nett, Schatz." Mary lächelt ihn liebevoll an und winkt ihm als Abschied.

Als er die Türe hinter sich schließt, fange ich laut zu weinen an. Ich kann meine Tränen nicht mehr stoppen, sie laufen wie ein Wasserfall aus meinen Augen.

„Harper, erzähl was passiert ist?" Mary hebt mein Gesicht an und wischt mit einem Taschentuch meine Tränen weg.

Ich versuche mich zu beruhigen und es scheint zu funktionieren, denn meine Tränen werden weniger.

„Ich...ich kann es selbst nicht so genau sagen, was passiert ist. Mary, ich glaube..., dass Nathan mit mir...geschlafen hat. Das er meinen besoffenen Zustand ausgenutzt hat, nur um mit mir zu schlafen. Ich fühle mich so dreckig." Und wieder bricht ein Wasserfall aus mir.

„Oh Gott. Bist du dir sicher, dass ihr miteinander geschlafen habt? Ich meine, du glaubst es doch nur, oder?" Mary drückt fest meine Hand.

„Ich bin mir sicher, dass wir miteinander geschlafen haben!"

Ich rutsche weiter nach hinten und rolle mich wie ein Käfer zusammen.

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„Hier, bitte.", sagt Mary und reicht mir einen Tee. Dankend nehme ich ihn und trinke einen Schluck.

„So, und jetzt erzählst du mir alles. Von der Party an bis heute Morgen, okay?", fragt Mary und setzt sich mir gegenüber.

Mittlerweile ist es schon Mittag vorbei und ich habe mich erst jetzt beruhigt.

„Als du und Robert tanzen wart, hat mich Nathan ebenfalls gefragt, ob wir tanzen wollen. Ich habe natürlich ja gesagt. Als wir dann tanzten, küsste er mich auf einmal. Dieser Moment war echt unbeschreiblich, Mary. Ich habe gedacht, ich lebe in einer andern Welt, die nur aus mir und Nathan besteht. Doch ich hatte schon ein bisschen Alkohol in mir, dass ich dann, glaube ich, nach dem Kuss von der Tanzfläche gerannt bin. Zumindest habe ich es so in Erinnerung. Und ab da an, weiß ich nichts mehr. Alles weg. Doch als ich dann heute Morgen aufwachte, war ich nur in Unterwäsche und meine Beine haben geschmerzt als ich aufgestanden bin. Das sind doch eindeutige Kennzeichen. Außerdem ist mein Oberteil zerrissen, Mary. Ich glaube nicht, dass ich freiwillig mit ihm geschlafen habe. Ich würde das doch nie wollen. Ich wollte doch immer ein schönes erstes Mal haben."

„Du denkst, dass Nathan dich vergewaltigt hat?" Mary schaut mich geschockt an.

„So kann man das nicht sagen. Ich habe bestimmt in meinem alkoholischen Zustand mitgemacht, aber er hat es einfach ausgenutzt. Er hat ausgenutzt, dass ich in diesem Moment verletzlich und hilflos war."

„Meinst du wirklich?", fragt Mary und schaut noch immer entgeistert.

„Ja. Und weißt du auch warum?"

Mary schüttelt den Kopf.

„Er hat mir über sich erzählt, wie er früher war. Nathan hat gesagt, dass er schon mit vielen Frauen geschlafen hat. Damals wollte jede mit ihm ins Bett. Und als dann alle wussten, dass er blind ist, wollten sie ihn nicht mal mehr mit der Greifzange anfassen. Sie haben sich alle einzeln von ihm abgewandt. Und ganz ehrlich, Mary. Er ist ein Junge. Er würde alles dafür geben, wieder mit Mädchen schlafen zu können. Das ist doch der männliche Trieb, nennt man das nicht so? Und ich bin darauf rein gefallen! Ich hasse ihn!", rufe ich den letzten Satz laut.

„Das klingt irgendwie alles passend. Ich hätte ihm das wirklich nicht zugetraut. Aber du kannst nicht sagen, dass du ihn hasst, Harper. Schließlich ist er doch der Junge, der sich in dein Herz geschlichen hat."

„Und er ist auch der Junge, der mir mein Herz gebrochen hat.", sage ich.

Es stimmt!

Nathan war der Junge, der sich in mein Herz geschlichen hat und der Gleiche, der es gebrochen hat.

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So... Nathan scheint doch nicht der brave Junge zu sein. 😕

Love Is Stronger (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt