Buch 2
Seit vier Monaten ist Dean tot und Catherine hat es akzeptiert. Sie ist nach seinem Tod zu Bobby gezogen, hat viele Dinge von ihm gelernt und hat ein Leben als Jägerin begonnen. Ihre dämonische Seite kam nicht mehr zum Vorschein, alles schien...
Der vertraute Geruch, die dunklen Gardinen, die abgeblätterte Tapete - es war, wie ich es in Erinnerung hatte. Die drei Personen, die im Wohnzimmer standen, wandten sich um und als sie mich erkannten, stiegen ihnen Tränen in die Augen. Auch ich spürte sie in meinen Augen, ich spürte Castiels Finger, die mein Handgelenk umklammerten, ich spürte wie mein Herz sich verkrampfte. Dean rannte auf mich zu und ich riss mich von dem Engel los und trat auf ihn zu. Bevor ich ein Wort sagen konnte, hatte er mich fest an sich gedrückt. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und legte mein Kinn auf seine Schulter.
Du wirst ihnen nichts erzählen, hörte ich Castiels Stimme in meinem Kopf.
Ich antwortete nicht. Ich hatte nicht einmal die Kraft für eine patzige Antwort.
»Danke«, flüsterte Dean. »Danke, dass du sie zurückgebracht hast.«
»Dean, sie ist nicht nur deine Freundin«, sagte Sam schmunzelnd.
Dean löste sich von mir und räusperte sich verlegen. »Tut mir leid.«
»Kein Problem«, sagte ich leise, dann wurde ich auch schon von Sam und dann von Bobby in die Arme genommen.
Als ich mich von dem Mann löste, sah ich die drei an. Ein Kloß machte sich in meinem Hals breit und ich atmete einmal tief, in der Hoffnung, die kommenden Tränen damit zu unterdrücken.
»Ich geh' kurz an die frische Luft«, sagte ich leise. »Die ganze Gefangenschaft …«
»Ist in Ordnung«, meinte Dean nickend. »Renn nur nicht weg, und pass auf dich auf.«
»Natürlich.« Ich zwang mir ein Lächeln ins Gesicht und verließ das Haus.
Meine Lippen begannen zu beben und meine Hände zu zittern. Ich lief auf und ab. Ich war unentschlossen, verzweifelt. Ich konnte meine Freunde nicht anlügen, auch wenn es sie schützen würde. Die Engel würden sich nicht von mir losreißen, nur weil ich nicht mehr in der Halle war. Sie würden nach mir suchen, sie würden mich finden und sie würden alle töten, die ich liebte.
Ich verschwand zwischen den Autos. Wut hatte sich in mir aufgestaut. Wut, Angst, Verzweiflung - zu viele Gefühle auf einmal, die meinen Körper zu zersprengen drohten und ich loswerden musste. Eine Metallstange lehnte gegen einem der verrosteten Autos. Sie kam wie gerufen. Ich ergriff sie, wog sie in der Hand und begann mit einem lauten, wütenden Schrei auf einen der alten Wagen einzuschlagen. Der Stahl quietschte und dröhnte, die Glasscherben splitterten.
Mein Gesicht war nass von den ganzen Tränen, mein Herz pochte so wild dass ich das Gefühl hatte, es würde meinen Brustkorb zersprengen. Meine Arme waren schwer, mit jedem Schlag wurde es schwieriger, anstrengender. Ein weiteres Mal hob ich die Metallstange, doch bevor ich sie wieder auf den verbeulten Stahl niederschmettern konnte, wurde sie festgehalten und mir aus der Hand gerissen.
»Cat, beruhige dich«, sagte Castiel.
Ich wandte mich von ihm ab und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
»Cat ...« Der Engel legte mir seine Hand auf die Schulter, doch ich riss mich von ihm los.
»Nein!«, rief ich. »Nein, Castiel. Ich kann das nicht.« Ich wandte mich ihm zu. »Ich kann meine Freunde nicht anlügen!«
»Du hast es versprochen«, meinte Castiel.
»Ja.« Ich nickte. »Ja, ich hab's versprochen. Ich hab's versprochen und ich hab's ernst gemeint. Ich habe alles ernst gemeint, Cas, alles, was ich gesagt habe. Woher weiß ich, dass du mich nicht wieder hintergehst?«
»Ich habe es versprochen.«
»Ja, das hast du. Ich hab' auch Vieles versprochen. Aber Versprechen werden gebrochen. Früher oder später werden sie immer gebrochen. Ich werde es Dean sagen, und Sam und Bobby. Ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann. Denn irgendwann bricht man immer ein. Irgendwann wird jedes Versprechen gebrochen, denn man hat nicht mehr die Kraft. Es zerfrisst einen, Castiel. Solch ein Geheimnis wird mich zerfressen. Du kannst mich nicht beschützen. Und ob ich das Geheimnis verrate oder nicht, es schützt auch nicht meine Freunde. Du verstehst das nicht, Cas.«
»Doch das tu ich«, erwiderte der Engel. »Aber du darfst es ihnen nicht erzählen.«
Mein Blick verfinsterte sich. »Du kannst es mir nicht verbieten. Du kannst mir gar nichts verbieten.«
»Ich kann deine Gedanken manipulieren, Cat.«
Ich presste die Lippen aufeinander. All die Wut kam wieder in mir auf, all die Verzweiflung und Angst. »Du willst meine Gedanken manipulieren? Du denkst, das beschützt mich? Jetzt, nach alldem, was passiert ist, tust du auf einmal so, als wäre es eine Pflicht, mich zu beschützen. Du kannst mich nicht beschützen. Zachariah ist hinter mir her, wenn die Dämonen davon erfahren, ebenso, und Gott .. . Gott. Wo war Gott, als all das passiert ist? Wo war er, als seine Waffe in Schwierigkeiten war? Hat er dabei zugesehen? Vielleicht ist er genauso kaltblütig wie ihr anderen Engel.«
»Sprich nicht so von ihm!«, zischte Castiel.
»Ach, nein? Ich darf so nicht von Gott sprechen. Wo ist Gott? Wo ist Gott?«, schrie ich. »Ich habe es satt, Castiel. Ich habe mein Leben satt. Wärst du nie aufgetaucht, dann wäre all das nicht passiert.«
»Wäre ich nie aufgetaucht, dann würde Dean nicht leben«, erwiderte Castiel.
»Dann hätte es ein anderer Engel getan«, meinte ich.
»Und ein anderer Engel hätte dich gefangen genommen.«
»Aber es war kein anderer Engel!«, schrie ich und trat einen Schritt auf Castiel zu. »Es warst du, und dafür hasse ich dich. Ja, ich hasse dich. Ich hasse dich dafür, dass du mich von meinen Freunden getrennt hast, dafür, dass du mir gesagt, wer ich wirklich bin, was ich wirklich bin. Du magst nicht das Schwert geschwungen haben, aber du bist der Grund dafür, warum es mich getroffen hat. Deinetwegen muss ich meine Freunde anlügen! Deinetwegen! Weißt du, wie weh das tut? Weißt du es, Castiel? Sicher nicht. Engel haben keine Gefühle - das war einer deiner ersten richtigen Sätze, die du zu mir gesagt hast. Ihr seid gefühllose, egoistische Arschkriecher. Ihr kriecht in den Arsch eures Lords, in jemanden, den ihr noch nie gesehen habt! Ich hasse dich, Castiel. Oh, ja. Und ich wünschte, du wärst fort. Verschwinde, Cas. Ich will dich nie wieder sehen. Nie wieder. Verschwinde einfach.«
Castiel sah mich an. Er wollte etwas sagen, doch kamen keine Worte heraus, und beim nächsten Lidschlag war er verschwunden. Ich blinzelte einige Male. Wieder stiegen Tränen in meine Augen und fassungslos öffnete ich den Mund. Was passierte hier? Was war nur los?
Ich sank auf die Knie. Meine Schultern bebten und ich schrie meinen Schmerz heraus. Mein Kopf war gen Himmel gerichtet. Es dämmerte bereits. Der Übergang vom hellen zum dunklen Blau war unübersehbar. Keine anderen Farben waren zu sehen - selbst das hatte mich verlassen; ein wunderschöner, farbenfroher Sonnenuntergang.
»Ich bin hier! Na, los, hol mich. Hol mich, Gott! Töte mich, folter mich - tu, was du willst. Mein Leben ist zerstört. Was bringt mir da ein Tag mehr zu leben ...«
Ich sackte zusammen und weinte. Ich wollte es nicht. Ich wollte nicht mehr die Tränen spüren, aber ich konnte es nicht unterdrücken. Viele sagten, es wäre befreiend, zu weinen, doch das war es nicht. Es machte es nur noch schlimmer.
»Cat!«, hörte ich Dean rufen.
Kurz darauf spürte ich seine Arme um meinem Körper.
»Cat, was ist passiert?«
»Es war so schlimm, Dean«, schluchzte ich. »Es tat so weh.«
»Schht. Ich bin bei dir. Ich werde immer bei dir sein.« Er zog mich an sich und ich legte meinen Kopf gegen seine Brust. «Ich lass' nicht zu, dass dir jemals wieder etwas zustößt.«
Tief in der Nacht lief ich in die Küche zum Kühlschrank. Sam schlief in meinem Zimmer. Ich hatte ihn dazu zwingen müssen, denn er war der Meinung gewesen, ich bräuchte es. Doch da ich eh nicht schlafen könnte, nach allem was passiert war, hatte er sich dazu breitschlagen lassen. Dean und Bobby waren irgendwo im Haus. Was auch immer sie taten, ich wusste es nicht.
Der Mond spendete das einzige Licht hier. Es fiel durch das Fenster, direkt in mein Gesicht - es war wunderschön. Ich öffnete den Kühlschrank und ergriff die Flasche. Als ich mich umdrehte, wäre sie mir beinahe heruntergefallen, doch ich konnte sie noch fest umklammern und hinter meinem Rücken verstecken.
»Hey, Dean«, sagte ich lang gedehnt und lächelte unschuldig.
»Was ist das?«, fragte der Winchester.
»Nichts.«
»Du bist schlecht im Lügen. Deine Stimme wird immer höher.«
Ich lachte verschmitzt und da beugte der Mann sich nach vorn, ergriff mein rechtes Handgelenk und zog es mit der Flasche nach vorn. Sofort riss er sie mir aus der Hand und hob sie vor meine Nase.
»Wieso?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Manchmal hilft Alkohol, die Sorgen zu ertränken.«
»Manchmal hilft es auch, mit seinen Freunden darüber zu sprechen«, meinte Dean leise.
Ich schluckte schwer. »Ja, vielleicht …«
»Na, dann.«
»Ich kann nicht, Dean. Ich ... ich kann nicht. Ich ... es war so …«
»Ich verstehe dich, Cat. Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst.«
Ich nickte.
»Du hast übrigens etwas vergessen.« Dean stellte die Flasche ab und griff in seine Hosentasche. Er zog eine Kette heraus und als das Mondlicht auf den Anhänger fiel, leuchtete er blau auf. »Du hättest sie umlegen sollen, dann wäre dir vielleicht nichts passiert.«
Ich lächelte leicht. »Tut mir leid. Nach deinem Tod hab' ich es nicht ertragen …«
Dean öffnete die Kette und legte sie mir um. Ich war zu sehr davon erfasst, als dass ich hätte weitersprechen können. Ich sah ihm in die grünen Augen, die im Mondlicht schimmerten. Langsam kam er meinem Gesicht näher, bis ich seine Lippen auf meinen spürte. Es war ein leichter Kuss und irgendwo in meinem Bauch rührte sich etwas.
Er löste sich von mir und ich sah ihn verwirrt an. Doch bevor ich etwas sagen konnte, küsste er mich wieder. Seine Hände lagen auf meiner Hüfte und zogen mich näher an sich.
Meine Gedanken und Erinnerungen setzten aus, meine Umwelt war nur noch ein Schatten - so wie Castiel, der alles sah, und ich nicht mal annähernd eine Ahnung hatte, dass er überhaupt nicht von meiner Seite gewichen war.
1643 Wörter
Boojaah ^^ Sorry I'm not sorry
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