Kapitel 5

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Castiel kam eine lange Zeit nicht mehr zurück und ich betete auch nicht zu ihm. Was auch in den Büchern gestanden hatte oder in der Bibel, Engel waren keine gütigen Wesen. Sie waren grausam. Zumindest war es jener im Trenchcoat.
Seit Langem hatte ich wieder das Gefühl, schwach zu sein. Ich konnte nicht fliehen, ich konnte nicht nach Hilfe rufen - ich war allein. Allein und schwach. Ich schlief nicht und nur durch eine Lücke im Dach konnte ich erkennen, ob es Tag oder Nacht war. Alte Lampen spendeten mir ein wenig Licht, doch war es nur ein leichtes, blasses Gelb, so dass sie auch hätten ausgeschaltet sein könnten. Ich hatte kein Essen, der Engel brachte mir keines. Wahrscheinlich war das als Strafe dafür, dass ich ihn geschlagen hatte.
»Ich bin kein Halbengel«, flüsterte ich, die Arme um meine angewinkelten Beine geschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt.
Ich saß in einer Ecke der Halle, die kalte poröse Wand drückte gegen meinen Rücken.
»Ich bin kein Halbengel.«
Immer und immer wieder sagte ich diesen Satz, als würde mir das irgendwann eine Zustimmung bringen. Doch die Wahrheit war, dass, je öfter ich diesen Satz sagte, er mehr an Gewicht abnahm. All die Zeit hatte der gelbäugige Dämon gemeint, dass ich eine Aufgabe hatte, und auch andere Dämonen hatten meistens dasselbe gesagt.
Wenn ich nun wirklich ein Halbengel mit dämonischem Blut war ... Ich schüttelte den Kopf, als könnte dies meine Gedanken vertreiben.
Ich vernahm Flügelschlag und sah auf. Als ich den Engel erkannte, erhob ich mich abrupt, doch ich presste mich weiterhin gegen die Wand - ich hatte Angst vor ihm.
Mir fiel die Begleitung Castiels auf; es war ein dunkelhäutiger Mann, der einen schwarzen Anzug trug. Sein Blick war ernst, wohingegen ich in Castiels Gesicht keine Emotionen erkennen konnte, und unsicher sah ich die beiden an.
»Hallo, Catherine«, begrüßte Castiel mich.
»Das ist sie?«, fragte der Mann neben ihm verwundert.
»Ja.«
»Sie sieht nicht aus wie ein Wesen, was Engel vernichten könnte.«
»Wer ist das?«, fragte ich vorsichtig. »Was wollt ihr?«
»Das ist Uriel. Er ist ein Freund«, erklärte Castiel.
»Wessen Freund? Deiner?«, stichelte ich. »Soll mich das jetzt beruhigen?«
»Sie hat tatsächlich ein großes Mundwerk.«
»Was wollt ihr?«, wiederholte ich knurrend.
»Castiel hat dir bereits erklärt, dass du nicht länger unter den Erdaffen verweilen darfst?«, fragte Uriel und trat einige Schritte auf mich zu. Ich antwortete nicht und er begann auf- und abzuschreiten. »Doch er hat dir den Grund verschwiegen.«
»Er meinte, ich wäre eine Gefahr für die Menschheit«, sagte ich. »Wenn ich mich nicht für den Himmel entscheide, dürfte ich nicht hier bleiben, denn sonst würde ich mich für die Hölle entscheiden - früher oder später würde ich es tun.«
»Die Wahrheit ist«, begann Uriel, »dass Luzifer versucht, zurückzukommen. Eine Apokalypse steht uns bevor, und wir versuchen alles in unserer Macht stehende zu tun, um es zu verhindern.«
»Da ich zufälligerweise nicht Luzifer bin, ergibt mein Aufenthalt keinen Sinn«, meinte ich.
»Sollten wir scheitern und Luzifer kehrt zurück, wärst du einer seiner mächtigsten Soldaten«, sagte Castiel
»Ich werde nicht die Hölle wählen!«, rief ich. »Ich hasse die dämonische Seite, ich hasse meine dämonische Seite. Warum versteht ihr das nicht?«
»Solange du dich nicht unter Kontrolle hast, wirst du hier bleiben«, erklärte Uriel.
»Nein«, entgegnete ich bestimmt.
»Du hast keine Wahl, Cat.« Castiel sah mich ernst an. »Du wirst hier bleiben und lernen, deine Fähigkeiten zu verstehen und anzuwenden - dafür werde ich persönlich sorgen.«
»Einen Scheiß wirst du, Castiel!«, zischte ich. »Das letzte Mal hättest du mich beinahe getötet. Außerdem warst du derjenige, der mich zum Überkochen gebracht hat. Deinetwegen habe ich die Kontrolle verloren.«
»Wenn deine dämonische Seite bereits bei einigen belanglosen Worten zum Vorschein gekommen war, was glaubst du, passiert, wenn du angegriffen wirst?«, fragte Uriel mit einem süffisanten Lächeln. »Auch Sam Winchester muss das durchmachen, glaube mir, doch ist er nicht weitaus so gefährlich wie du.«
Ich wurde blass. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«, verlangte ich zu wissen.
»Wir haben nichts mit ihm gemacht, noch nichts. Sein Bruder gibt auf ihn Acht, doch falls er versagen sollte, schreiten wir ein - und von Sam Winchester wird nichts weiter als ein Name übrig bleiben, das verspreche ich dir.«
»Scheiß auf deine Versprechen!«, spie ich aus. »Scheiß auf euer Wort! Scheiß auf den Himmel oder die Hölle! Ich werde nichts tun und wenn ich in dieser Halle sterbe - dann bin ich euch wenigstens los.«
»Wo, glaubst du, verbleiben die Seelen der Verstorbenen, wenn sie rein sind und das Recht dazu haben?«, fragte Uriel mit einem wissenden Lächeln.
»Ich werde wohl kaum nach dem Tod in den Himmel kommen. Dafür hab' ich zu viel Schreckliches getan.«
»Glaube mir, Kind, deine Seele wird nirgendwo hinwandern«, sagte Uriel. »Gott wird alles daran setzen, dich zurückzuholen, ebenso wie Dean Winchester. Stirb, so oft du willst, doch es gibt keinen Weg aus dieser Halle, bis du weißt, wem du zu Treue verpflichtet bist.«

Castiel kam zurück - und dieses Mal allein. Uriel war mir noch unsympathischer als dieser Engel. Er stellte eine braune Fast-Food-Tüte auf den Tisch und sah mich auffordernd an.
»Das esse ich nicht«, sagte ich sofort.
»Cat, hör mir zu, du bist zur Zeit noch ein Mensch. Es wird dir nichts bringen, wenn du nichts isst oder nicht schläfst. Uriel hat recht. Gott wird dich immer wieder zurückbringen.«
Ich funkelte ihn nur wütend an, erwiderte jedoch nichts. Castiel seufzte und trat auf mich zu, doch ich hob abrupt die Hand.
»Komm mir nicht zu nahe!«
Beschwichtigend hielt er die Hände vor seinen Körper. »Ich will dir nur helfen.«
»Du willst mir helfen?« Ich lachte. »So, wie du mich entführt hast? Wie du mich beinahe getötet hast?«
»Ich tat es nur, -«
»- weil es die Anweisung Gottes war?«
»Ich verweigere nicht meinen Gehorsam«, erwiderte der Engel.
»Uh, Castiel, der ach-so-treue Handlanger Gottes«, sagte ich spöttisch.
»Denke über deinen Ton nach«, ermahnte er mich.
»Oh, verzeih. Lass mich raten: Weil du ein Engel bist und deswegen über mir stehst, darf ich nicht meine Meinung in deine verdammte arrogante Fresse sagen?«, schrie ich. »Dean, Sam und Bobby werden nach mir suchen und sie werden mich finden. Ich werde mich nicht auf die Seite der Hölle stellen, ich stelle mich nur gegen euch. Denn ihr seid das wahre Böse hier. Vor euch sollte man sich in Acht nehmen. Ihr seid grauenvoll und gefühllos! Ich dachte, Engel seien die Beschützer der Menschen -«
»Wir sind Soldaten«, erwiderte Castiel.
Ich lachte bei diesem Satz in mich hinein, verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf.
»Cat, wenn du nicht akzeptierst, was du wirklich bist, und dich mir verweigerst, werden andere Engel kommen. Sie werden dich leiden lassen, bis du gebrochen bist.«
Ich sah den Mann an. Er schien mich anzuflehen, mich ihnen endlich zu unterwerfen. Ich schluckte schwer.
»Was ist mit Sam, Dean und Bobby? Suchen sie nach mir?«
»Sie denken, du bist auf einem Jagdausflug. Sie wissen nichts von alldem und sie werden auch nicht nach dir suchen.«
Meine Miene wurde ernst. »Hast du das ihnen gesagt?«
Er schwieg.
»Hast du sie angelogen, damit sie sich keine Sorgen um machen? Damit sie mich nicht suchen und ich hier gefangen bin?«, schrie ich.
»Ja«, gestand Castiel.
Fassungslos schnappte ich nach Luft. «Ich ... ich ... Ich werde mich euch niemals anschließen!«
»Dann lässt du mir keine andere Wahl, Cat«, sagte der Engel.
Binnen weniger Lidschläge stand er vor mir und unsanft drückte er mich gegen die Wand. Seine Finger schlossen sich um meinen Hals und ich schnappte verzweifelt nach Luft.
»Wach' auf, Cat!«, sagte er. Seine blauen Augen bohrten sich förmlich durch meine Haut. »Versteck dein Inneres nicht. Akzeptier' es!«
»C-Castiel«, krächzte ich. «Bitte!«
Ich versuchte ihn, von mir zu stoßen, doch er war weiterhin zu stark. Ich spürte, wie das Blut in meinen Kopf schoss, und mit zitternden Fingern ergriff ich den Engel am Kragen.
Plötzlich kamen die Erinnerungen an den Tod meiner Adoptiveltern zurück, die Erinnerungen daran, wie eine blonde Frau mich vor dem Dämon gerettet hatte. Ich erinnerte mich an das Blut, welches sie mir gegeben hatte und an die Kraft, welches es mir gab. Nach all den Tagen, die ich nach dem Tod meiner Paten in ihrem Haus verbracht hatte, ohne Essen, ohne Schlaf, war das wie eine Erlösung für mich gewesen.
Und nun spürte ich es wieder - diese Kraft. Meine Augen wurden schwarz und mit einem Schrei stieß ich den Engel von mir, so dass er durch den Raum geschleudert wurde. Er landete auf dem Tisch, welcher ächzend zusammenbrach, und ich hastete auf ihn zu, umklammerte, bevor er sich erheben konnte, seinen Hals und wollte zudrücken, als mich plötzlich starke Arme nach hinten rissen. Ich stolperte zurück, fiel jedoch nicht, da man mich grob festhielt.
»Ich bringe dich um!«, schrie ich und versuchte mich zu wehren, doch es gelang mir nicht. »Ich bringe dich um, Castiel! Deinetwegen bin ich dieses Monster. Deinetwegen!«
Der Engel rappelte sich auf. Neben ihm tauchte ein Mann auf. Er hatte kaum Haare auf dem Kopf, hatte ein rundes Gesicht und er trug einen Anzug. Er klatschte in die Hand und lächelte mir finster zu.
»Herzlichen Glückwunsch, Castiel. Dieses Biest ist wirklich sehr gerissen - und das war nur ihre dämonische Seite«, sagte er. »Dank dir hatte ich eine Kostprobe, mein Lieber. Vielen Dank. Lasst sie los.«
Die, die mich festgehalten hatten, ließen mich tatsächlich los, und ich merkte, wie meine Augen wieder braun wurden.
»Mein Name ist Zachariah und ich denke, heute ist dein Glückstag, denn anstelle von Castiel werde ich mich nun deiner bemächtigen.«

1588 Wörter

Wer von euch mag Zachariah?

Wer von euch mag Zachariah?

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