Kapitel 10:

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Ein Piepen weckte mich und müde drückte ich auf den alten Wecker. Er hatte mich all die Jahre begleitet und war noch einigermaßen gut zu gebrauchen. Ich lachte innerlich leise. Er war sogar stabiler als ich.

Ich rollte mich zur Seite und erschrak, als ich einen eingerollten Mason auf dem Boden sah.

Lächelnd schüttelte ich meinen Kopf und ging zum Kleiderschrank, um mir meine Klamotten nach draußen zu nehmen, sodass ich ihn nicht wecken musste.

Gerade als ich an der Tür ankam, knallte mein kleiner Zeh gegen die Bettkante. Ich fluchte leise und humpelte nahezu in Richtung Tür.

,,Kennst du etwa das Sprichwort nicht, was besagt, dass der kleine Zeh die Fähigkeit hat, Gegenstände im Dunkeln zu finden?", sagte eine raue, verschlafene Stimme. Ich schmollte leicht über meinen Misserfolg.

,,Ich weiß gar nicht, wovon du redest", sagte ich, bereute es aber gleichzeitig. Da meine Stimme eine Oktave höher umschaltete und ich damit sofort auflog. Oh man.

,,Wohin geht's?"

Hatte er meinen Wecker etwa nicht gehört? Wurde er wirklich nur durch mich wach und das, ohne Beeinflussung des Weckers? Ich sollte mal, das mit dem 'leise sein', üben.

,,Wohin denn wohl?! Die Arbeit ruft! Nur, weil du frei hast, heißt das nicht, dass ich auch frei habe!", hielt ich ihm, wie immer, eine Predigt und rollte unnötigerweise auch meine Augen.

Wie von der Tarantel gestochen, sprang er auf, wankte einwenig und musterte mich ungläubig. Zumindest konnte ich das nur anhand des schwachen Lichtes erkennen, was durch die undichten Rollladen durch drang.

,,Zur Arbeit?!"

,,Ja?"

Ich schaue ihn amüsiert an. Ist ja nicht so, dass ich noch nie arbeiten war. 

,,Du solltest dich ausruhen, Rose."

Erneut machte sich ein bedrückendes Gefühl in mir breit und ich wäre am liebsten aus dem Raum gerannt, doch dies wäre extremst kindisch und zweitens auch sinnlose Energieverschwendung.

,,Nein, Mase. Mir geht's gut!"

,,Willst du jetzt wirklich so tun, als wäre das gestern Geschichte?"

Ich sah Ungläubigkeit in seinen Augen. Verstehen konnte ich ihn, schließlich waren es für ihn Monate her, als ich das letzte mal einen Anfall bekommen hatte. Er kannte die Wahrheit nicht.

,,Mason ..."

,,Du rennst weg. Du rennst vor deinen Ängsten weg, obwohl du dich ihnen stellen solltest. Du wolltest neu anfangen, Rose."

Er hatte recht. So unfassbar recht.

,,Rede mit mir oder mit jemand anderen, denn so kannst du ihnen am besten entgegentreten."

,,Ich versuch's ja..", flüsterte ich.

,, Ich weiß, dass du dort warst...Beim Haus.", sagte er leise. Was? Woher? Woher wusste er das? Tränen wollten erneut meine Sicht benebeln, doch ich drängte sie, so gut es ging, weg.

,,Mason", sagte ich und hob den Kopf. Er sah mich mit einem verletzten Ausdruck an. Sollte ich ihm von meinen Gedanken und Albträumen erzählen? Sollte ich bei ihm bleiben? Es fühlte sich falsch an, jetzt einfach zu gehen.

,,I-ich..."

Er schaute mich hoffnungsvoll an. So, dass ich ihm nicht widerstehen konnte.

,,..muss gehen."

Zumindest eigentlich. Doch im Flüchten, war ich schon immer ein Profi gewesen.

•••
Mich plagte, die ganze Zeit, das schlechte Gewissen, dennoch kehrte ich nicht um und steuerte stattdessen auf die Firma zu. Der Name schaute von oben auf uns hinab und verdeutlichte uns somit, wieviel Macht diese Buchstaben besaßen.

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