Elternbesuch

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Kai hat heute seine Eltern eingeladen. Find ich ne gute Idee, wirklich, Familie pflegen und so...

Es gibt nur drei Probleme:

- Kai kann nicht kochen.

- Kai putzt nicht.

...

- Kai will zum Abendessen McDonalds holen.

Als er mir Letzteres unterbreitet hat, hab ich beschlossen, dass es für alle Beteiligten am Besten wäre, wenn ich das Ruder übernehme.
Nicht, dass ich kochen könnte... aber wenigstens bin ich dazu bereit, es zu versuchen.

Was macht ein 22-jähriger, unerfahrener Küchenkrieger also?

Er holt sich Hilfe.

Meine Mutter kocht nichts unter Schäfegrad Drachenatem, also fällt sie weg.

Wer wäre da noch..?

💡

Auf Chefkoch.de gibts 1000 richtig tolle Rezepte.
Hab Schwierigkeitsgrad "leicht" eingegeben.
Der 1. Vorschlag waren Spätzle.

Was denkt Ihr, ...sind Spätzle einfach?

Vor Kurzem hätte ich noch naiv und unwissend behauptet:
"Ja. Sind ja fast wie Nudeln."

Hahahahahahaaaaaajaaaagenau.

Nein.

Alles fing damit an, dass ich einen der Quirlstäbe von unserem 10 Jahre alten Quirler durch die Küche geschossen habe.
War nicht richtig festgesteckt.
Das Ding könnte man als Mordwaffe verwenden.
Kein Witz.
Hat unsere Wandfarbe abgeschlagen.

Dabei muss ich erwähnen, dass Kai die ganze Zeit schon am Küchentisch sitzt und schlaue Kommentare von sich gibt.
Hat aber nach der Luftattacke ziemlich schnell das Weite gesucht.
Wenigstens ist mir Urmel treu geblieben.
Naja, sie wartet wahrscheinlich nur darauf, dass ich irgendetwas essbares fallen lasse.
Sie ist wie ein Staubsauger.
Oder ein Swiffer-Mopp.
Entweder bleibt sämtlicher Mist in ihrem Fell hängen, oder sie saugt es - oh guck mal, eine tote Fliege! - direkt vom Boden auf.

Konzentration, Joon, Spätzle.
Wer hat sich überhaupt den Namen ausgedacht?
Je öfter man das Wort ausspricht, desto ekelhafter hört es sich an.

S-p-ätz-le ....bruuh...

Wieso rede ich überhaupt über Spätzle...

Oh.

Da war ja was.

OKAY, KONZENTRIER DICH! Kochen!
Du sollst KoCheN!

Die Frau, die auf die irrwitzige Idee gekommen ist, Spätzle als "leicht" zu kategorisieren, heißt übrigens Gerda.

Gerda will, dass ich alle trockenen Zutaten in eine Schüssel werfe.
Das mit dem Werfen klappt ganz gut, ein bischen Mehl geht trotzdem daneben.
Dann kommen die Eier.
Die werfe ich vorsichtshalber nicht. Das hat mir mein gesunder Menschenverstand geflüstert.

Gerdas vorgegebene Arbeitszeit ist auch einigermaßen fragwürdig.
Vielleicht geht ihre Uhr zu langsam. Von wegen, den Teig herzustellen dauert nur 10 Minuten...
Schon seit einer halbe Stunde rühre ich hier wild durch die Gegend.
Vielleicht sollte ich mich auch die Schüssel beschränken.
Das spart Zeit.

Nach einer halben Stunde stehe ich vor einer gelblichen, zähen Pampe.

Tadaa!

Der nächste Arbeitsschritt lautet lediglich:
"Verarbeiten sie den Teig nun zu Spätzle (Vorsicht, es kann batzig werden! :))."

Schön.
Dann forme ich mal Spätzle. Schon während den ersten 2 Minuten wird mir klar, dass ich hier etwas grundlegend falsch verstanden habe. Kleine Mengen an Teig zwischen Zeigefinger und Daumen zu rollen ist offensichtlich keine sehr effektive Methode.

Schaue mir vorsichtshalber ein YouTube Video an.
Helga wirkt um einiges kompetenter als Gerda.

Mit ihrer rosa Schürze.
Außerdem erwähnt sie komische Sachen in ihrem Video.

...Spätzlesiebe, zum Beispiel.

Noch nie gehört.

Gerda hätte mal bitte sagen sollen, dass man ein verdammtes Spätzlesieb braucht.

Wo soll ich jetzt so eins herbekommen?

Nachbarn.

Wozu hat man Nachbarn.

Insbesondere die Hundefrau unter uns. Mit den 4 Chihuahuas.
Die sieht aus, als würde sie ein Spätzlesieb besitzen.

Also Treppe runter, geklingelt, Chihuahua-Attacke abgewehrt und Spätzlesieb ausgeliehen.

So weit, so gut.

Die Gute gibt mir noch den Tipp, dass der Teig nicht zu dick und nicht zu dünn sein darf.

Gut, jetzt, weiß ich genau, welche Konsistenz ich brauche.

Nicht zu dick und nicht zu dünn.

Is doch klar.

Meine hausmännischen Instinkte sagen mir, dass mein Teig zu dick ist. Von Klumpen hat Gerda nämlich nichts geschrieben.

Also mehr Milch.

Hinter mir fällt etwas auf den Boden.

Hört sich nach Eier an.

*FLATSCH*

Ich drehe mich in Zeitlupe um.
Urmel badet in einer Pfütze aus rohem Ei.

Reflexartig versuche ich sie mit meinem Kochlöffel davon abzuhalten, sich selbst in Staub, Toastkrümeln und Ei zu panieren.

Besprenkle dabei die Küche mit Spätzleteig.

Kai fragt, ob ich einen Regenschirm brauche.

Ich bin ganz ruhig.

10 Minuten später habe ich es endlich geschafft, einen Topf mit Wasser zum Kochen zu bringen.

Stülpe das Spätzlesieb darüber.

Der Teig soll jetzt durch die Löcher ins heiße Wasser tropfen.

Ich kippe eine kleine Menge an Teig in das Sieb.

*flatsch*

Der Teig tropft nicht, er... *flatscht*, saust einfach durch die Löcher ins Wasser.
Im Wasser angekommen wird er sofort zu einem riesigen Teigklumpen.

Fieberhaft suche ich im Rezept nach Antworten.
Alles was Gerda noch zu sagen hat, ist: "Viel Spaß, Mädels, und einen guten Appetit! :)"

Wie hilfreich.

Auch der 2. und 3. Versuch endet in einen unförmigen Teigklumpen.

Vielleicht kann man sie ja rund schnitzen und dann als Knödel an Kais Eltern verfüttern?

Erschöpft lehne ich mich gegen die Küchenzeile undAAAAAAAAARGHHHHHHHH!!!!

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1/2 Stunde später...

Sitze beim Arzt im Wartezimmer.
Meine Hand steckt in einer Rewetüte, die bis oben hin mit Kühlakkus und Eiswürfel gefüllt ist. Kai sitzt neben mir und versucht mich für "Abenteuer mit Freddie dem Igel" zu begeistern.

Habe Verbrennungen dritten Grades an der Hand.

Ich hasse Kochen.

Ich hasse Herdplatten.

Und ich hasse Leute, die sich auf Herdplatten abstützen.

Außerdem hasse ich es, mit links zu tippen.
Fühle mich wie ein Schimpanse, dem man zum ersten Mal in seinem Leben ein Handy in die Hand gedrückt hat.

Kais Eltern kommen in einer Stunde.

Sie bringen McDonalds mit.

Alles Liebe

Euer Joon

Zimmer FreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt