Schwedische Möbelhäuser

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Haben uns den VW Bus von Kais Vater ausgeliehen.
Irgendwie haben wir es auch geschafft, die Rückbank auszubauen.
Bin mir zu 90% sicher, dass wir die nie wieder rein kriegen.
Außerdem bin ich schon seit 7 auf den Beinen. Der Tag kann ja nur toll werden.

Aber warum der ganze Stress?

Wir brauchen Möbel.

Genau genommen eine Schlafcouch, ein Nachtkästchen, einen Küchentisch und einen Teppich für den Flur.

Ganz nach dem Prinzip "Selbst ist der Mann", haben wir die komplette Wohnung ausgemessen. Man muss ja vorbereitet sein.

Gerade steigen wir mit einer Tüte Chips, 2 Flaschen Cola, 3 CDs und einer Nackenrolle bewaffnet in den VW.

Roadtrip!!


30 Minuten später:

Wir sind da.

Suche nach einem Mülleimer für unsere leeren Chips und die Colaflaschen. Kai sucht nach einem Einkaufswagen.

Verliere ihn irgendwann aus den Augen.

Spiele mit dem Gedanken, ihn im Kinderland abzuliefern.

Treffe Kai in der großen Eingangshalle wieder.

"Pinkelpause?", fragt er.

"Pinkelpause.", nicke ich.

Nachdem der Handtrockner auf dem Klo mir fast die Haut von den Händen gerissen hätte, stürzen wir uns in das Meer aus frisch verliebten Pärchen und Kleinfamilien.

Nach einer 10 minütigen Rolltreppenfahrt brauche ich erst einmal einen Kaffee.

Sitzen nun schon seit 30 Minuten auf rosa Sitzkissen und schlürfen Karamellkaffee.

Ein kleines Mädchen in einem rosa Tutu und Feenflügeln läuft seit 5 Minuten schreiend und in besorgniserregender Geschwindigkeit im Kreis.
Kurz bevor Kai Prinzessin Lillyfee erwürgen kann, zerre ich ihn aus dem Café.

Am Eingang zum "Wohnparadies" hängen riesige, gelbe Plastiksäcke mit blauen Tragegriffen. Wenn ich wollte, könnte ich mich zusammengerollt in einen von ihnen hineinlegen.

Widerstehe der Versuchung.

Kai: "Wofür brauchst du so ne Tüte?"

"Ach, nur für den Fall, dass mir unterwegs was ins Auge fällt.", erkläre ich, und stopfe eine weitere pastellfarbene Kuscheldecke hinein.

Kai runzelt die Stirn und lässt mich mit meinen Kuscheldecken alleine.

Wenn wir die gelbe und die grüne über die Lehne unserer zukünftigen Schlafcouch hängen....
Oh Gott, wir brauchen ja auch Sofakissen und Bettbezüge! Und eine Nachttischlampe für unser zukünftiges Nachtkästchen. Und Teppichstopper. Vielleicht ein paar Teelichter? Oh wow, die Lampe da drüben ist ja der Hammer!


....wo ist Kai?

Finde ihn bei den Schlafsofas.

Habe die Befürchtung, das Küchenmesserset könnte in dem gelben Plastiksack meine Kuscheldecken zerschneiden.
Hole mir einen dritten gelben Plastiksack.

Auf die Frage hin, ob er mir nicht etwas abnehmen könnte, verdreht Kai nur die Augen und meint: "Genau deswegen nehme ich dich nie hier her mit."

Während ich ihm versuche zu erklären, wie sinnvoll ein Plastikgerät ist, das in einer Tour das Gehäuse entfernt UND den Apfel schneidet,
notiert er sich die Artikelnummer unserer neuen Schlafcouch.

-  2 Stunden später -

In der Büroabteilung gibt es Stau.
Verkehrsunfall.
Tragische Sache.
Ein Kind wurde von einem Leiterwagen angefahren.
Der verantwortliche Fahrer blockiert nun mit seinem umgestürzten Fahrzeug den Weg.
Die anderen Verkehrsteilnehmer werden unruhig.

"Schieb das Scheißteil doch einfach zur Seite!", meldet sich eine Männerstimme von hinten.

"Reden sie nicht so mit meinem Sohn! Sie sehen doch, dass er verletzt ist!", kreischt die Mutter, die gerade Erste Hilfe leistet.

Nachdem die heulenden Kinder und das verunglückte Fahrzeug aus dem Weg geräumt wurden, löst sich der Stau langsam auf.

Finde ein Kleinkind in einer meiner Tüten.
Wie ist das denn da rein gekommen?

Wie lange ist das da schon drin???

Naja, auf jeden Fall hat es meine schwedischen Kekse gegessen und meine Sofakissenbezüge zerknittert.
Setze es bei den Stehlampen aus.
Soll sich doch bitte jemand anderes darum kümmern.

Kai und ich erreichen das Matratzenparadies ohne weitere Zwischenfälle.

Ich liebe Probeliegen.
Nutze die Gelegenheit und mache ein kleines Nickerchen.

3 Stunden später holt mich Kai wieder ab.

Er hat in der Zwischenzeit unsere restlichen Besorgungen erledigt.
Hat irgedetwas von: "War sicherer für unsere Haushaltskasse.", gemurmelt.

Ich bin sauer.

"Als ob ich völlig unkontrolliert unnützes Zeug einkaufen würde!", keife ich, während ich meine fünf Plastiktaschen zusammenraffe.

Erneut runzelt Kai nur die Stirn und bahnt sich seinen Weg durch die jammernden Kinder und schreienden Eltern.

Schon von Weitem kann ich das Essen riechen.
Ich bekomme eine Kinderportion Nudeln und Kai ein paar bedenklich graue Fleischbällchen.

...war Elch lecker.

Nach der Kantine geht es die Treppe ins Erdgeschoss hinunter.

Kai stülpt mir einen Duschvorleger über den Kopf und buxiert mich unter Protest an den Duftkerzen vorbei durch die Kleingruschabteilung.

Bei den Schreibtischlampen gelingt mir die Flucht, doch mit meinen 6 gelben Plastiksäcken komme ich nicht weit.
Er holt mich in der Gartenhalle ein und entreißt mir eine riesige, blaue Plastikblume. Dabei stolpert er über ein Kleinkind, reißt ein Faltzelt zu Boden und landet im Seerosenteich.

Krame aus einer meiner 7 Taschen die Handtücher. Wusste doch, dass die eine sinnvolle Anschaffung sein würden.

Ich glaube ich habe Kai gebrochen. Er hat mir vorhin sogar eine neue gelbe Tasche besorgt. Die Bilderrahmen hätten sonst keinen Platz gehabt.

Dann erreichen wir die Lagerhalle.

Unser Schlafsofa besteht aus 5 einzelnen Kisten, der Küchentisch aus 2 und das Nachtkästchen nur aus einer.

An der Kasse erfahren wir, dass wir die Matratze unserer Schlafcouch an der Warenausgabe separat abholen müssen.

Dort angekommen ziehen wir eine Nummer.

498.

Auf dem Bildschirm blinkt die Zahl 250.

Kai bricht in Tränen aus.

Ich fische einen Taschentuchspender aus einer meiner Tüten.

Wusste doch, dass ich sowas mal brauchen könnte!

Zimmer FreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt