Kapitel 20-Schwerfälligkeit

2.1K 64 5
                                    

Eng umschlungen pressten wir uns in die Ecke einer Abstellkammer. Unsere Familien befanden sich nur wenige Meter weiter im Wohnzimmer, darunter auch Sophie, doch wir konnten nicht anders. Wir küssten uns leidenschaftlich, allerdings wäre es wohl zu viel gewesen, an diesem Tag an diesem Ort noch weiter zu gehen. Ich sah kaum etwas, so stieß ich gegen einen harten Gegenstand, der gleich darauf klirrend zu Boden fiel. Wir mussten gar nicht lange warten, da wurde die Tür aufgerissen und uns sahen die entsetzten Gesichter von Sophie, Derek und unseren Eltern entgegen.

„Wie konntet ihr nur?", brachte Sophie zwischen ihren Schluchzern hervor.

Es war kein Wunder, dass ich aus meinem Schlaf hochschreckte, als hätte ich von einem Blutbad geträumt, schließlich stellte dieser Traum mein derzeitig schlimmstes Horrorszenario dar. Ich hatte die starke Befürchtung, dass dieser Moment irgendwann eintreten konnte. Kein Geheimnis konnte auf ewig gewahrt werden, davon war ich überzeugt, aber solange es mir möglich war, versuchte ich es zu vermeiden. Wir konnten das schaffen, irgendwie.

„Alles in Ordnung?", fragte Derek neben mir verschlafen. Ich fuhr zusammen, da ich gar nicht bemerkt hatte, dass noch jemand neben mir im Bett liegt. Moment, warum lag er überhaupt neben mir im Bett?

„Alles ist gut, mach dir keine Sorgen. Ich habe nur schlecht geträumt.", versicherte ich ihm. Es war schön, wenn man nicht lügen, sondern nur die halbe Wahrheit sagen musste.

„Dann ist ja gut. Es ist noch sehr früh, du solltest weiterschlafen.", meinte er fürsorglich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich muss jetzt gehen." Er stand auf, war zu meiner Überraschung vollständig angezogen und wie ich feststellen musste, trug ich meine Schlafsachen.

„Wir haben gestern Abend also nicht...", sprach ich diese brennende Frage nicht mal vollständig aus.

„Nein, du warst im Bad und bist dann gleich eingeschlafen, nachdem ich dich hergebracht habe. Ich bin auch plötzlich neben dir eingeschlafen, obwohl ich gehen wollte. Keine Angst, ich schlafe mit keiner Frau, die kaum etwas mitbekommt.", stellte er klar. Eine Woge der Erleichterung überkam mich, denn ich wollte keine Frau sein, die nach ihrem Suff einfach mit jemandem schlief und nichts mehr merkte. Als Derek gegangen war schaute ich schnell auf meinen Wecker und musste feststellen, dass es erst 5:55 Uhr war. Wer wachte um solch eine Zeit schon auf? Leider konnte ich auch nach zwei Stunden nicht wieder einschlafen. So war es bei mir, einmal wach, war es verschwendete Zeit überhaupt zu versuchen wieder zu schlafen, egal wie müde ich war und das war ich sehr. Ich machte mir eine ganze Kanne Kaffee, trank zwei Tassen hintereinander und es half nur wenig später schon. Kaffee war schon immer das perfekte Mittel bei mir. Die Frage war nur, was ich mit so viel Freizeit überhaupt anstellen sollte, geschweige denn konnte. Erstmal schaltete ich den Fernseher ein und suchte mich durch die verschiedenen Programme, wobei ich feststellte, dass wirklich nur noch Mist lief. Dann hielt mich ein Film fest. Diesen hatte ich vor ein paar Wochen schon mal gesehen. Es ging um zwei Schwestern, eine wollte heiraten, die andere verliebte sich in den Bräutigam. Diesmal kam er mir nicht so dumm vor, bis auf das Ende, das fand ich immer noch unrealistisch. Es wäre schon gewesen, doch wie hätte das noch zu solch einem Happy End in meinem Leben kommen können? Ich dachte an Derek, den ich ebenso hinterging wie Sophie. Er war mir keinesfalls egal, es war nur so, dass ich nicht wusste, was genau das mit ihm war, wie viel genau ich für ihn empfand. Vor allem sorgte John dabei für viel Unsicherheit. So eine starke Anziehung spürte ich bei Derek nicht, auch wenn eine vorhanden war. Wie hätte ich davon abgesehen überhaupt für zwei Männer gleich viel empfinden können? Allerdings bekam das John scheinbar auch hin. Plötzlich überkam mich wieder eine Sehnsucht nach dem Verbotenen und dennoch Verführerischem, nur weil mir sein Name erneut im Kopf herum kreiste. Sollte ich ihn anrufen? War er eigentlich noch in der Stadt? Ich beschloss kurzerhand ihm eine knappe SMS zu schicken und versuchte, sie nicht klingen zu lassen, als hätte ich es bitter nötig gehabt. Wenige Minuten später blinkte mein Handy und zeigte mir eine neue Nachricht an. Er hatte es anscheinend verstanden. Kurz darauf stand John auch schon vor meiner Tür. Ich zweifelte einen Moment an meiner Entscheidung, doch so viele Zweifel, wie ich zu dieser Zeit hatte, ignorierte ich diese wie so manch andere.

Hooked UpWo Geschichten leben. Entdecke jetzt