Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand mich nicht mehr. Ich verstieß gegen so viele moralische Prinzipien, von denen ich immer gedacht hatte, sie wären so unglaublich wichtig für mich. Nein, stattdessen hatte ich in der einen Sekunde Spaß mit dem Verlobten meiner Schwester im Badezimmer meines festen Freundes. Ich konnte mir tröstend zuflüstern, dass das menschliches Verhalten sei, niemand war perfekt, wir alle machten mehr oder weniger große Fehler. Nur ich musste in ein besonders großes Fettnäpfchen treten. Vorhin hatte ich all das ausschalten können, ließ mich nur von meinen Gefühlen zu John leiten, kaum war er weg, stürzte wieder alles auf mich ein. Ich hasste dieses Gefühlschaos, das ich einfach nicht in den Griff bekam. Konnte man es überhaupt beeinflussen, dass die Gefühle für eine bestimmte Person verschwanden oder basierte sowas auf bloßer Einbildung und Unterdrückung? Oh, ich hätte ein Buch schreiben sollen oder gleich ein Drehbuch. Manche Frau sah darin doch tatsächlich etwas Romantisches, verbotene Lieben waren ja immer so schön spannend und heiß. Dabei war es so verdammt anstrengend und nervenraubend. Niemand hätte mit mir tauschen wollen. Was hätte man denn von so einer kranken Beziehung? Übelkeit, Kopfschmerzen und Heißhunger. Ich wusste nicht, woran es lag, ob ich mir mit meinen Gedanken so viel Stress machte, dass ich andauernd Hunger hatte auf Süßes und es gleichzeitig am liebsten hätte ausgekotzt.
„Alles in Ordnung, Süße?", fragte Derek besorgt, als er mit zwei Tassen Kaffee zum Sofa kam. Ein Glück hatte er uns nicht erwischt. John war sogar schon gegangen, als Derek aufgestanden ist. Wenigstens das lief reibungslos ab. Ich lag auf seinem Sofa und rieb mir mit der Hand den Magen. Vielleicht lag diese Übelkeit auch an dem Alkohol vom vorangegangenen Abend. Ich hoffte es, ich hatte nicht viel Lust, im Sommer krank in meiner Wohnung vor mich hin zu vegetieren.
„Ja, mir ist nur etwas komisch, mach dir keine Sorgen.", beruhigte ich ihn. Ich nahm dankbar den Kaffee entgegen, das allseits wirkende Zaubermittel, zumindest was mich betraf.
„Hast du John heute noch gesehen oder war er schon weg, als du aufgestanden bist?"
„Nein, ich habe ihn nicht mehr mitbekommen." Ich musste mich zusammenreißen, doch das Lügen viel mir nicht mehr so schwer, wie es das mal ursprünglich tat. „Ich wusste gar nicht, dass du so ein Langschläfer bist.", wechselte ich lieber schnell das Thema.
„Normalerweise bin ich das auch gar nicht, aber ich bin erst sehr spät eingeschlafen."
„Oh Gott, habe ich geschnarcht?", wollte ich peinlich berührt wissen. Das wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sich deshalb jemand bei mir beschwerte.
„Und geredet und getreten. Sagen wir es so, du hattest einen sehr aktiven Schlaf.", schmunzelte er.
„Das tut mir leid.", entschuldigte ich mich, obwohl er es mir anscheinend nicht übel nahm.
„Ist nicht schlimm, ich halte sowas aus. Ich bin nur neugierig, was du so Aufregendes geträumt hast. Dein Gebrabbel konnte ich leider nicht verstehen.", machte er sich über mich lustig.
„Achtung! Ich kann auch im wachem Zustand treten." Da verging ihm das Lachen.
„Ja, das durfte ich letzte Nacht ebenfalls erleben. Ich habe mir eine ziemlich gewalttätige Freundin angeschafft." So viel zu seiner Ernsthaftigkeit. Lachend küssten wir uns, nicht lange, ohne einen explodierenden Haufen Schmetterlinge, aber trotzdem schön und vertraulich. Es war schwer zu beschreiben, ich hatte nicht diesen Gefühlsausbruch wie bei John, aber etwas war da zwischen mir und Derek, dass sich so anfühlte, als könnten wir eine glückliche Zukunft haben. Ich mochte ihn, sehr sogar, das machte die ganze Sache nur noch schwerer. Ich wollte ihn keinesfalls verletzen, kannte allerdings keinen möglichen Weg, den ich nicht schon versucht hatte, wie sich dies verhindern ließ.
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Hooked Up
RomanceSam ist dabei, die Hoffnung auf ihren Traummann aufzugeben, bis sie John trifft. Er scheint perfekt zu sein. Hals über Kopf verliebt sie sich in ihn. Als sie sich das nächste Mal unerwartet sehen, wird John ihr als Verlobter von Sophie vorgestellt...