Kapitel 5-Überraschung

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„Oh mein Gott! Du siehst toll aus!"

„Nein, du siehst toll aus! Wie geht's dir? Ich kann es nicht glauben, dich zu sehen!" Meine Schwester und ich sprangen wie zwei verrückte Hühner im Kreis, erdrückten uns dabei fast und schrien vor Freude den gesamten Umkreis zusammen. So führten wir uns jedes Mal auf, wenn wir uns nach so langer Zeit wiedersahen und das war fast bei jedem Wiedersehen der Fall.

„Seid ihr wieder vierzehn geworden oder was ist hier los?", kam meine Mutter aus dem Haus lachend auf uns zu. Wir rannten zu ihr und schlossen sie in unsere feste Umarmung mit ein. Manchmal benahmen wir uns wirklich wie kleine Kinder.

„Kinder, beruhigt euch, ich bekomme ja keine Luft mehr.", beschwerte sich unsere Mutter. Ich glaubte, sie vermisste die Zeiten am meisten, als wir noch alle unter einem Dach lebten. Ich liebte meine Familie, es hätte nie etwas Wichtigeres für mich geben können. Meine Mutter war eine schöne schlanke Frau, das Alter sah man ihr kaum an. Sie schien immer von innen heraus zu strahlen, in ihrer Nähe war man automatisch glücklich. Sie war von ihrer Art her ein wenig wie Rosie. Wenn man Sophie neben ihr stehen sah, hätten sie auch Schwestern sein können, auch wenn Sophie doch sichtlich jünger aussah als Mutter. Sophie war unserer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, eine perfekte, jüngere Kopie und auch von den Eigenschaften her waren sie sich ziemlich ähnlich. Sie waren die zwei lebensfrohesten Menschen, die ich kannte und wirkten ununterbrochen glücklich. Ich dagegen kam eher nach meinem Vater. Was das Aussehen betraf und meine manchmal etwas mürrische Art gegenüber Fremden, sowie dieser ständige Drang, immer selbstständig zu sein, der sich bei mir erst in den letzten Jahren entwickelte. Mein Vater mochte vielen unzugänglich und abweisend vorkommen, wenn man ihn aber richtig kannte war er ein sehr liebevoller Mann, der nichts über seine Frau stellte, die er aufrichtig liebte, obwohl er das eher selten zum Ausdruck brachte und seine beiden Töchter als seine Engel bezeichnete.

„Maria, wo hast du denn schon wieder...sind das etwa meine Mädchen?" Unser Vater kam aus dem Garten hinter ihrem Haus hervor (Es ist immer noch komisch, es ihr Haus und nicht unser Haus zu nennen, wo wir doch fast neunzehn Jahre dort gelebt hatten.), auf seinem Gesicht breitete sich bei unserem Anblick ein breites Lächeln aus. Wir veranstalteten wieder unser Knuddelritual, allerdings war es diesmal nicht so angenehm, denn er stank fürchterlich nach Schweiß. Ein wenig angewidert entfernten wir uns von ihm.

„Ja, ich verstehe schon. Ich sollte schnell duschen gehen, bevor wir losfahren. Sowas kommt davon, wenn man richtig arbeitet. Das kennen doch die meisten jungen Leute heutzutage gar nicht mehr." Er ließ sich ständig darüber aus, wie wenige Männer heutzutage körperliche Arbeit verrichteten und dafür in der Unterwäscheabteilung bei New Yorker Frauenschlüpfer sortierten.

„Ist gut Papa. Wir wissen doch, dass du ein starker Mann bist.", unterbrach ich ihn, bevor er wieder mit seiner Rede anfangen kann, dass es früher noch richtige Männer gab, die für körperliche Betätigung nicht jeden Tag ins Fitnessstudio rennen mussten.

„Ach, es freut mich so, euch zu sehen!" Vater wollte uns schon wieder in den Arm nehmen, doch wir wichen schnell zurück, woraufhin er beschwichtigend die Hände hoch hielt und endlich ins Haus ging. Lachend wendeten wir uns wieder Mutter zu.

„Ihr solltet auch reingehen und euch umziehen, wir wollten doch essen gehen, oder Sophie?", sprach Mum an.

„Ja, natürlich. Ich bin schon so aufgeregt." Man sah ihr die Freude und Aufregung wirklich an. Ich hatte es ja schon am Telefon mitbekommen, wie fröhlich sie das machte, doch ihr Gesichtsausdruck unterstrich das noch viel mehr.

„Erfahren wir dann heute auch die große Neuigkeit?" Es musste etwas wirklich Tolles für sie sein und meine Neugier war kaum auszuhalten.

„Na klar, aber ein bisschen müsst ihr schon noch abwarten. Also, wir sehen uns dann gleich. Und Mutti, pass bitte auf, was Papa anzieht. Du kennst ja seinen nicht vorhandenen Sinn für Kleidung." Es wäre nichts Verwunderliches gewesen, wenn unser Vater in einem verdreckten Holzfällerhemd und einer löchrigen Hose, die ihm viel zu groß war und dadurch unter seinem Hintern hing, mitgekommen wäre. Fast schon hüpfend ging sie davon und ich folgte ihr ins Haus.

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