Ich liebe dich

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Aaron hatte zum Glück nicht viel Zeit an diesem Wochenende. Es stand wieder ein Auftritt mir den Jungs an. Das hieß, dass wir uns nicht sahen, nicht telefonierten und nur wenig miteinander schrieben. Das war auch gar nicht schlimm. Ich hätte nämlich gar nicht gewusst, wie ich mit ihm umgehen sollte. Er würde merken, dass etwas nicht stimmte und eine Erklärung verlangen. Irgendwann musste ich es sagen, aber noch nicht jetzt. Erst nach dem Arztbesuch. Mit Jack müsste ich auch noch reden.
Das wurde mir alles zu viel. Ich hatte so viele Gedanken, die in meinem Kopf umher schwirrten und konnte dennoch keinen einzigen klaren Gedanken daraus fassen. Meine Gefühle konnte ich im Moment auch nicht richtig zuordnen, da ich einfach so vieles fühlte.

Den ganzen Sonntag saß ich da und machte gar nichts, außer nachdenken und Musik hören. Die Musik war einfach das einzige, bei dem ich abschalten konnte. Ich wusste noch was mein Lieblingslied war, als ich hierher kam.

Invisible.

Es fühlte sich einfach so an, als wäre das Lied über mich geschrieben worden. Aber jetzt war ich gar nicht mehr so wie noch vor ein paar Monaten. Ich war nun nicht mehr die Außenseiterin, die niemand mochte. Schüchtern war ich auch nicht mehr wirklich und ich wollte auch nicht mehr hier weg. Wenn ich an die Zeit zurück dachte, wo ich mich einfach nur umbringen wollte, weg von dieser beschissenen Welt, dann kam mir die Idee jetzt ziemlich blöd vor. Es gab immer etwas, wofür es sich zu leben lohnte, das hatte ich hier gelernt.

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The next morning

Ich stand auf und machte mich direkt für die Schule fertig. Wie immer. Mit einem Schlabberpulli ging ich in die Küche und machte mir Lunch für die Schule. Schlabberlook war eigentlich überhaupt nicht mein Ding, aber heute war mir einfach danach.
Die blöde Schule, ich wollte da heute einfach nicht hin. Zum Glück fingen nächste Woche schon die Weihnachtsferien an. Da ich noch so viel Zeit hatte, bevor ich zur Schule musste, ging ich heute eine relativ große Runde mit Mila.

"Hey Schatz." Aaron zog mich an der Taille zu sich ran. "Hey", lächelte ich ihn an. Es war ein gezwungenes Lächeln. "Wie war dein Wochenende so?", fragte er, bevor er mich küsste. "War echt toll, ich war zu Hause und...hab mich ausgeruht." Ich war heilfroh, dass der Unterricht in diesem Moment begann, denn ich konnte Aaron nicht in die Augen sehen. Mein Gewissen machte mich fertig.

Der Tag verging schnell, worüber ich auch sehr froh war. Aaron wollte sich mit mir treffen, aber ich meinte, ich hätte Madison schon versprochen mit ihr ins Schwimmbad zu gehen. Ich fühlte mich schlecht dabei ihn anzulügen, aber es ging nicht anders.

Schon am Mittwoch hatte ich den Termin beim Frauenarzt. Ich war so nervös. Vielleicht war ich ja doch nicht schwanger. Immerhin konnte so ein Test ja schon mal falsch liegen. Der Erste war ja auch falsch,...oder der Zweite. Liz meldete mich an und ich musste irgendwelche Zettel ausfüllen, da ich ja zum ersten mal dort war. Wir warteten einige Zeit und als ich die schwangeren Frauen neben mir oder mir gegenüber sitzen saß, wurde mir ganz mulmig. Sie schauten mich alle ein bisschen komisch an. Ich schätzte, weil ich noch so jung war. Die Praxis war aufgeteilt in zwei Wartezimmer. Das eine war für die, die eine normale Untersuchung oder so hatten und das andere war nur für Schwangere. Somit konnten sich die anderen Damen wohl denken, was ich dort wollte. Ich fühlte mich total beobachtet. Die ganzen stechenden Blicke der Frauen im Wartezimmer setzten mich unter Druck.
Irgendwann wurde ich dann endlich aufgerufen. Ich hatte Liz gebeten, mit mir zu kommen. Ich wollte das einfach nicht alleine machen und der Arzt würde ja eh nur Ultraschall oder so machen. 

Dann lag ich da und spürte das kalte Gel auf meinem Bauch und wie der Arzt mir mit diesem Ultraschallding über den Bauch fuhr. Ich versuchte nicht auf den Monitor zu schauen, ich wollte es nicht sehen. Ich hatte einfach Angst vor der Wahrheit. 

"Herzlichen Glückwunsch Miss Evans, hier ist schon deutlich zu erkennen, dass sie ein Kind bekommen. Sie sind am Ende des vierten Monats und somit in der 16. Schwangerschaftswoche." 

Jetzt stand es also endgültig fest. Ich war schwanger. Der Arzt erklärte mir noch, was alles auf mich zukommen würde und dass ich keinen Alkohol zu mir nehmen durfte und dass ich Stress und das alles vermeiden sollte. Ja toll, aber wenn du ein Kind von dem besten Freund deines Freundes bekamst und das auch noch mit 17, dann war Stress schlecht zu vermeiden. Allein der Gedanke stresste mich schon. 

In vier Wochen sollte ich nochmal kommen, dann könnte ich das Geschlecht erfahren.
"Ahhh ich werde Oma, wie schön." Liz freute sich so sehr, dass sie mich damit zum Schmunzeln brachte. "Wehe du kommst uns nicht besuchen, wenn das Kind da ist und du wieder in Sydney wohnst.", fuhr sie heiter fort. "Eigentlich will ich gar nicht zurück nach Sydney. Da gibt es nur schlechte Erinnerungen, mein Vater sitzt immer noch im Gefängnis und meine Mutter wird mich rausschmeißen, wenn sie das mit dem Kind erfährt. Freunde habe ich dort auch keine. Mein Bruder ist das einzige, was mich noch dort hält." "Na dann ziehst du einfach hierher. Da hat das Kind auch seine Familie bei sich. Du bist doch hergekommen, weil du dein Leben neu anfangen wolltest und das ist jetzt dein Leben. Wenn du zurückgehst, dann wirst du nur wieder in die alte Scheiße rein gezogen. Außerdem würde ich dich soo sehr vermissen, du bist doch schon wie meine Tochter." Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, aber ich war ja noch nicht volljährig.

Ich musste es jetzt Aaron und Jack sagen, aber ich wusste einfach nicht wie. Ich hatte mir gesagt, wenn ich beim Frauenarzt war und es sicher wusste, würde ich es erzählen. Aber ich hatte noch zu viel Angst. Das konnte ich Aaron doch nicht antun. Es lief gerade alles so gut zwischen uns. Dann fasste ich den klarsten Entschluss, den ich hätte fassen können. Ich konnte das nicht weiter vor mir her schieben. Also rief ich Aaron an und fragte, ob ich noch vorbeikommen könnte, es war immerhin schon zehn Uhr. Ich fasste meinen Mut nochmal zusammen und machte mich auf den Weg zu ihm. "Ach du bist es. Komm' doch rein." Aarons Mutter hatte mir die Tür geöffnet. "Aaron ist in seinem Zimmer." Ich lief also die Treppen hoch zu seinem Zimmer. Da waren sie wieder, diese Aufregung, das pochende Herz und die zitternden Hände. Langsam öffnete ich die Tür. Aaron kam schon auf mich zu und gab mir einen Kuss zur Begrüßung, aber ich stand nur da und bewegte mich nicht einen Millimeter. "Ist was oder warum wolltest du noch kommen?" "Ich...ich..bin hergekommen, weil ich dir sagen wollte, dass ich....", brach ich mitten im Satz ab, weil der Klos in meinem Hals viel zu groß war. "Weil du was? Willst du Schluss machen?" Aarons Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. "Nein, nein, will ich nicht." "Was ist es dann? Rede doch mit mir." Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen. Ich lief zum Fenster, sodass ich mit dem Rücken zu ihm stand und schaute auf die leere Straße. "Aaron ich bin schwanger." Ich drehte mich wieder um und schaute ihn an. Sein Gesichtsausdruck war leer. Kurz umhüllte eine furchtbare, erdrückende Stille den Raum. "Okay, ich...kannst du jetzt bitte gehen.", stammelte er leise vor sich hin, ohne mich auch nur einmal anzusehen. Ich wollte erst noch etwas sagen, ging dann aber einfach. An der Tür blieb ich nochmal stehen. "Ich liebe dich."

DaydreamerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt