22.Kapitel. Traum und Realität

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Nathaniel ging nach dem Frühstück hinunter auf den Schlosshof. Darian folgte ihm auf Schritt und Tritt, denn er hatte versprochen mit ihm auszureiten. Er sattelte die Pferde und half ihm beim Aufsteigen, eh er sich selbst in den Sattel eines schwarzen Pferdes sinken lies. Er ritt los und war noch ganz in Gedanken. Er konnte kaum fassen, dass das alles wahr war. Doch das war wirklich Xadrien. Auf den ersten Blick fiel ihm die Veränderung gar nicht auf. Dann merkte er aber, wie friedlich es war. Kaum Wachen waren unterwegs. Handelsschiffe von Larwenia im Hafen und Leute die ihm nicht nur böse Blicke zuwarfen, sondern freundlich grüßten. Er dachte jahrelang ein König müsste gefürchtet werden, nicht geliebt. Oder nein, nur eine Nacht? Das war einfach verrückt. Aber darüber wollte er nicht nachdenken. Es gefiel ihm und als sie aus der Stadt ritten, kam ihm die Welt einfach leuchtender vor. Das Gras grüner sozusagen. Auch wenn er selbst nicht wusste, woher er diese Redensart aufgeschnapt hatte. Es kam ihm einfach so vor. Darian ritt etwas voraus und winkte ihm immer wieder lachend zu, eh sie gemeinsam in den Wald galoppierten. Über Wurzeln und Zweige hinweg bis zu einem kleinen See. Nathaniel stieg ab und kniete sich über das Wasser. Er brauchte einen Schluck zum Trinken. Anschließend spritzte er sich etwas frisches Wasser ins Gesicht. Als er die Augen wieder öffnete schrak er zurück.  Für eine Sekunde hätte er schwören können, dass die glatte Oberfläche des ruhigen Waldsees ihm ein Bild von Castiel gezeigt hatte. Aber nicht so wie er jetzt war, sondern klatschnass und vor allem in Ketten. Es war nur ein Moment gewesen und doch hatte Nathaniel mit einen Blick erkannt, wie schlecht er aussah. Ein Knoten bildete sich in seinen Magen und er wich zurück, streichelte über den Hals des Pferdes und sah zu Darian. Der Junge wartete ungeduldig also tat Nathaniel dieses Erlebnis mit einen Kopfschütteln ab und stieg wieder auf das Pferd. Er trieb es zum Galopp an, als wolle er möglichst schnell Platz zwischen sich und diesen See schaffen. Nachdem sie ein ganzes Stück hinter sich gebracht hatten wurde Nathaniel langsam ruhiger und ließ sein Pferd gemächlich über eine Lichtung traben. Da ereilte ihn der nächste Schreck. Ein großer schwarzer Fuchs mit roten Augen saß am Rand der Lichtung und fixierte ihn mit seinem Blick. Das konnte nur ein dummer Zufall sein. Sie waren nie auf diesen Schiff, also konnte Naifu nicht hier sein. Fluchtartig jagte er sein Pferd von der Wiese Richtung Schloss. Er musste raus aus diesem Wald und erst als er zwischen den Bäumen hindurch gebrochen war, hörte er Darians Stimme.
"Papa! Nicht so schnell!"
Er zog an den Zügeln und brachte sein Pferd augenblicklich zum Stehen. Was macht er hier nur? Kopfschüttelnd wartete er bis sein Sohn ihn eingeholt hatte, dann ritt er langsam mit ihm zum Schloss zurück. Es war ohnehin nicht mehr weit entfernt und im Hof ließ er sein Pferd einfach stehen, sollte sich einer der Diener darum kümmern. Er half Darian beim Absteigen und ging mit ihm ins Schloss, wo sie schon von Avina erwartet wurden. Der Kleine musste zum Unterricht und Nathaniel brachte Avina unauffällig dazu, zum Arbeitszimmer voraus zu gehen. Er hatte glatt vergessen, wo es war. Als er allerdings im Sessel hinter den Schreibtisch saß, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter. Schon wieder spiegelte sich Sorge in ihren Augen, doch er schickte sie weg. Er brauchte Zeit für sich und versuchte sich an sein wahres Leben zu erinnern.  Er bekam nur Bruchstücke zu fassen. Einzelne Bilder von Avina oder von ihm selbst, doch alles darum herum schien irgendwie verschwommen.  Wie konnte es sein, dass ein Traum ihm so real vorkam und er sich nicht an sein eigenes Leben erinnerte. Am besten war es wohl, nicht darüber nachzudenken. Gerade nahm er sich eine  Stapel Papiere die er bearbeiten musste, da ertönte eine Stimme. "Nathaniel!"
Hektisch sah er sich um.
"Nathaniel!!"
Verflucht hier war nichts! Wurde er verrückt?  Auf jeden Fall wurde ihm schwindlig und er bekam mit jeden mal mehr Kopfschmerzen. Er lehnte sich in dem Sessel zurück.
"NATHANIEL!!", erklang die Stimme ein weiteres Mal, doch diesmal fuhr sie fort.
"Aufwachen ... Du musst aufwachen!"
Es klang so undeutlich und weit entfernt und doch half es ihm nicht sich die Ohren zuzuhalten. Die Stimme blieb und bei jedem "Wach auf!", durchfuhr ihn ein Schauer. Wieso sollte er aufwachen?  War das ein Traum? Nein das durfte keiner sein. Er war so schön. Er wollte nicht aufwachen, er wollte hier bleiben. "NATHANIEL!! WACH AUF! Du stirbst!", drängte die Stimme ihn weiter und die Welt um ihn herum verblasste.

Er öffnete die Augen und fand grüne Augen vor seinen eigenen. Diese Meergrünen Augen fesselten ihn, doch er zwang sich, das Gesicht zu den Augen anzusehen. Dieses war nicht weniger schön. Es erinnerte ihn an eine klare Sternennacht im Spätsommer. Umschmeichelt von roten Locken und eine Stimme, die er zwar nicht verstand aber wunderschön klang. Er wollte die Augen wieder schließen, doch jemand brüllte:
"Lass dich nicht täuschen!"
Als Nathaniel sich bewegte, um die  Herkunft der Stimme auszumachen, bemerkte er die Ketten in denen er hing. Das hieß dieses Mädchen hatte nichts Gutes im Sinn und er trat sie entschlossen von sich. Ihr schönes Gesicht wurde plötzlich leichenblass und wirkte als ob man blanke Haut über einen Schädel gezogen hatte.  Die grünen Augen wurden rund um die Iris pechschwarz bis nur das grün übrig war und zu leuchten schien, während der Mund gespickt von kleinen spitzen Zähnen war. Die zarten Lippen verzogen sich zu einem fauchenden Zähnefletschen. Nur eine Sekunde fauchte es ihn an und wurde dann wieder zur wunderschönen Frau. Scheiße! Was war das für ein Ding!?
"Das musst du doch nicht wissen.", meinte es und kam wieder auf ihn zu "Horche einfach meiner Stimme und schlaf.", fügte sie sanft hinzu und streckte die Hand nach seinem Gesicht aus, wie um eine verirrte Haarsträhne wieder an Ort und Stelle zu bringen.
So verrückt es war, der Gedanke erschien Nathaniel wahnsinnig verlockend  doch die andere stimme schrie:
"Tu es nicht! Sie ist eine Sirene!" Endlich machte er im Schatten ihren Ursprung aus.
"Castiel!?" So wie er ihn im See gesehen hatte. Völlig ausgelaugt, doch wie durch ein Wunder am Leben. Die Sirene lachte.
"Du bist ein wirklich sturer alter Mann. Aber du wirst dich nicht ewig dagegen wehren können. Auch du hast Sehnsüchte, die du so gerne leben willst. Du wirst dich ihnen ergeben und dann können wir dich umbringen und dir das Fleisch von den Knochen nagen."
Nathaniel hatte genug gehört. Er wollte einen Zauber wirken und fluchte. Nicht schon wieder diese Ketten! Nein. Moment. Sie waren anders. Er hatte deutlich die Magie in sich gespürt, konnte sie nur nicht von sich schleudern. Er brauchte nicht lange nachzudenken und richtete einen Zauber gegen sich selbst. Für die Sirene sah es einen Moment lang so aus, als wäre er verschwunden, eh sie die Maus am Boden entdeckte, die sich auf der Stelle wieder zurück in Nathaniel verwandelte. Ihm war so schwindlig und übel. Sein Körper war nicht für diese Form der Magie ausgelegt, wie die der Gestaltwandler. Sie hatte ihm durch die schnelle Veränderung jegliche Sinne vernebelt und ihm war speiübel. Gerade noch schaffte er es mit einen Zauber Castiels Ketten zu sprengen, eh er zu Boden ging.

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt