20. Kapitel. Selina

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In den folgenden Tagen war Selina immer wieder in den Wald gegangen. Wann immer sie verschwand, wurden alle nervös, weil es passieren konnte, dass sie nicht wiederkam. Immer mehr Zeit verbrachte sie in ihrer Wolfsgestalt, weil es so für sie erträglicher war. Auch im Haus waren mittlerweile überall Pfotenspuren zu sehen. Grim und Isabella hatten mittlerweile einen Plan geschmiedet, wie sie die werdende Mutter hierbehalten konnten, ohne dass diese gefährlich werden konnte. Einen Plan, der hoffentlich aufgehen würde.

Selina schlich leise und vorsichtig durch das Haus.
Es war mitten in der Nacht und im Haus war vor einer Weile Stille eingekehrt. Leise tapste sie die Treppe hinauf und oben angekommen sah sie sich um. Seit über zwei Wochen waren sie nun hier und ihre Zeit wurde knapp. Grim und Isabella hielten sich immer mehr von ihr fern und Raphael musste sie auf Abstand halten, da der Junge immer wieder versuchte auf ihren Rücken zu steigen. Ihr Tierinstinkt wurde immer stärker. Sie überkam der Drang einfach fortzugehen, sich einen Bau zu graben und sich dort zurückzuziehen, bis die Kleine auf der Welt und alt genug war, um den Bau verlassen zu können.
Sie stieß mit ihrem Kopf die Tür auf und ging in ihr Zimmer. Geschickt schloss sie die Tür mit der Schnauze und ging auf ihr Bett zu, blieb allerdings stehen als sie in die Ecke links neben dem Bett sah. Dort war eine Art große Hundehütte aufgebaut.
An die Wände waren zwei riesige Holzplatten geschraubt und über dem entstandenen Viereck war eine weitere ziemlich dicke Holzplatte festgemacht. In einer der zwei tragenden Platten war ein riesiges Loch gesägt, sodass sie problemlos hindurchsteigen konnte.
Vorsichtig tapste sie näher und betrachtete den Ersatzbau. Er roch ein wenig nach Grim also hatte dieser ihn scheinbar aufgebaut. Die Neugier siegte und ließ sie in die Höhle hineinschauen. Der Innenraum war groß und mit vielen weichen Decken ausgepolstert. Zögerlich setzte sie eine Pfote nach der anderen in den Bau. Innerlich dankte sie dem Tiger für seine wunderbare Arbeit. Es war perfekt. Hier konnte locker noch ein Wolf ihres Kalibers hineinpassen. Sie entspannte sich und legte sich vorsichtig auf die Decken. Der Bauch war immer größer und schwerer geworden, daher musste sie sich vorsichtig verhalten. Nachdem sie den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt hatte, schloss sie die Augen und entspannte sich. In den letzten Tagen hatte sie beobachten können, dass sich ihr Kleines nur dann verwandelte, wenn sie selbst die Gestalt wechselte. Es schien ein Instinkt zu sein, um die Geburt reibungslos zu überstehen. Da sie die letzte Zeit häufig in Wolfsgestalt verbrachte, tat es ihr die Kleine gleich. Wirklich froh darüber, dämmerte sie langsam weg.

Plötzlich schrak sie zusammen. War da nicht etwas? Misstrauisch sah sie aus dem Loch ihres Baus. Irgendwo in ihrem Zimmer klopfte etwas. Von der Tür kam es nicht also blickte Selina zum Fenster. Dort auf dem Fensterbrett saß ein schmaler Schatten, der sich rasch bewegte. Wieder klopfte es und nun war sie sich sicher, dass dieser Schatten das nervtötende Klopfen verursachte. Knurrend stand sie auf und ging zu dem großen Fenster. Beim genauen Betrachten erkannte sie einen Raben, doch nicht irgendeinen Raben. Es war Ihr Rabe. Aufgeregt öffnete sie das Fenster mit der Schnauze und gewährte ihm Einlass. Flott flatterte er in das Innere des Raumes und verwandelte sich in ihren Gefährten, während sie das Fenster schloss.

Williams große Wolfsgestalt stand nun vor ihr und sah sie aus den blaugrünen Augen an.
Überglücklich ihn zu sehen, sprang sie ihm entgegen und vergrub ihr Wolfsgesicht in seinem dichtem schwarzen Pelz.
'Ich bin froh dich hier anzutreffen. Habe ich dich etwa geweckt, meine Liebste?', sagte er in Gedankenunterhaltung.
'Ich war noch mehr oder weniger wach. Was ist los? Wieso bist du hier? Was ist passiert?', fragte sie und sah besorgt zu ihm auf. Liebevoll erwiederte er ihren Blick und antwortete:
'Ich habe zwei Tage für dich. Lukes Armee hält nun die Grenzen und er selbst hatte mir zwei Tage für uns gegeben. Ich bleibe jetzt ein wenig bei dir und Luke hält die Stellung. Scheinbar will er nicht, dass ich urplötzlich verschwinde.', sagte er.
'Luke hält die Stellung?', erwiederte sie erschrocken.
'Kyle vertritt mich also musst du dir keine Sorgen um das Königreich machen. Du kannst dich unbesorgt um dich kümmern, meine Liebe.'
Sanft leckte er ihre Wange und betrachtete das Zimmer genauer. Sein Blick blieb an ihrem neuen Bau hängen. Fragend war der Ausdruck in seinen Augen bis Selina ihm eine Antwort gab.
'Grim hat sie für mich gebaut. Darin kann ich mich beruhigen.', sagte sie und stieg hinein. Als er bemerkte, dass auch noch Platz für ihn war, kam er nach.
'Wieso gehen wir nicht ins Bett?'
'Weil es für mich mittlerweile unerträglich ist, in Menschengestalt umherzuwandeln und springen ist kritisch.'
'Also musst du jetzt in der ersten Zeit eine Wölfin bleiben?'
Selina schüttelte den Kopf.
'Nein. Ich denke nicht, dass es so lange dauern wird.', erklärte sie kuschelte sich an ihn und schloss die Augen.

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt