23.Kapitel. der letzte Tag

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Als Isabella aufstand, um das Geschirr abzuräumen, bat Grim William nochmal vor seiner Abreise mit ihm zu reden und als Selina sich mit Raphael und Fiona auf das Sofa lümmelte, machte er sich auf die Suche nach der Katze.
Er suchte überall und ging schließlich in den Stall und hoffte ihn dort zu finden.
Grim stand in Schattentänzers Box und striegelte den Hengst. William trat an die Tür und beobachtete sie eine Weile, bis Grim schließlich bemerkte, dass er nicht mehr allein war.
"Also, du wolltest nochmal mit mir reden?", harkte Will nach, als Grim keine Anstalten machte zu reden.
"Ja.", sagte er nach einer Weile und betrachtete Schattentänzers Fell nachdenklich.
"Auf unserem Herweg hatte Selina etwas bemerkt. Wir waren nicht mehr weit von den Toren dieser Stadt entfernt als sie das Pferd zum Stehen brachte und den Hang hinauf starrte, dann ist sie im vollen Galopp losgeprescht und wir hatten Mühe sie wieder einzuholen. Aber bevor ich mein Pferd zum Galopp antrieb, warf ich noch einen Blick nach oben. Dort hockte eine zusammengekauerte Gestalt und beobachtete Selina, die schon weiter vorne war. Der Wind trug seinen Geruch zu mir und er kam mir irgendwie bekannt vor. Neulich als ich einen meiner Streifzüge hier in der Nähe machte, konnte ich diesen Geruch wieder wittern. Es macht mir Sorgen, Will. Dieser Typ ist hier irgendwo in der Nähe und streift um das Haus herum, beobachtet uns und wartet ab. Ich streife schon in den Nächten umher ohne, dass es jemand in diesem Haus merkt, aber ich kann nicht überall zugleich sein, um deine Gefährtin und deine Tochter zu schützen."
Will nickte und überlegte.
"Im Schloss sind derzeit einige unserer alten Gefährten untergebracht. Ich könnte sie hier her schicken, wenn ich wieder zurück bin. Ich wette, sie würden sich beeilen, wenn ich sie darum bitte."
Grim sah ihn forschend an, dann fiel bei ihm der Groschen und seine Augen leuchteten vor Begeisterung auf.
"Du meinst ...?"
"Ja genau die und da Sondras Armee nun in Larwenia angekommen ist, können wir einige Soldaten entbehren.", sagte er und ging aus dem Stall hinaus. Draußen beschloss er Selina heute noch die Wahrheit zu sagen und ihr zu beichten, dass er nun König war. Sie war scheinbar die Einzige die noch nicht davon wusste, während das Volk sich die Mäuler zerriss.

Sie saß mit Fiona im Arm auf dem einem weichen Fell vor dem wärmenden Ofen, während Raphael seine Großcousine neugierig begutachtete. Als er eintrat sah sie auf und bat Raphael zu Grim in den Stall zu gehen und zu sehen, ob dieser Hilfe bräuchte. Als er draußen war, setzte er sich neben sie und nahm ihr seine Tochter ab. Die Kleine blinzelte ihn müde an. Er lächelte und drückte sie sanft an sich.
Selina beobachtete die beiden lächelnd und breitete sich auf dem Fell aus.
Den Kopf legte sie auf seinem Schoß und schloss die Augen. Eine Weile verging und sie sprachen kein Wort. Fiona war mittlerweile in seinen Armen eingeschlafen und Selina döste vor sich hin.
"Selina.", sprach er sie leise an.
"Hmm?"
"Ich muss dir noch etwas erzählen, bevor ich wieder aufbreche."
"Was denn?", murmelte sie und drehte sich auf die Seite. Er ließ die Arme sinken und strich mit einer Hand durch ihre Haare.
"Wolltest du mir endlich sagen, dass du dich zum König krönen lassen hast?", fragte sie und öffnete nun ihre Augen, deren Farbe ihn immer wieder verblüffte.
Erstaunt sah er sie an.
"Auch wenn Grim dachte, dass ich es nicht mitbekomme, hatte ich alles gehört, nur in dem Moment keine Möglichkeit hatte, es zu verarbeiten. Ich weiß, dass du König bist."
Noch immer verblüfft legte er Fiona vorsichtig auf dem weichen Fell ab und umfasste Selinas Gesicht, die sich nun wieder auf den Rücken gedreht hatte und ihn direkt ansah. Sanft fuhr er mit den Daumen an ihren Wangen auf und ab.
"Es wurde Zeit, Will. Es wurde wirklich Zeit. Du hast zu lange gewartet, wenn du mich fragst. Das Volk braucht jemanden, der sie in diesem Kampf anführt und endlich Frieden hier rein bringt."
Will nickte und sah seine kleine Tochter an.
"Ich habe einen Brief für sie geschrieben, falls doch alles schief gehen sollte. Darin steht, dass sie meine rechtmäßige Erbin ist. Das könnte wichtig werden, wenn sie alt genug ist. Ich hoffe zwar nicht, dass ihr ihn brauchen werdet aber man weiß ja nie. Übrigens werde ich noch ein paar Leute schicken, um euch zu beschützen.", sagte er und starrte ins Feuer. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie Selina nickte und Fiona betrachtete.
"Wen wirst du schicken?", fragte sie leise.
"Ich werde einige unserer alten Gefährten schicken. Sie sind am fähigsten, dich und unsere Tochter zu beschützen. Ich weiß nicht, wer dich da verfolgt aber ein Risiko will ich jetzt erst Recht nicht eingehen. Ich weiß, dass du in der Lage bist, sie zu verteidigen aber ich glaube ein paar wachsame Augen mehr, könnten nicht schaden."
Selina setzte sich auf und kuschelte sich enger an ihn.
"Ich habe sie nicht mehr."
Verwirrt sah er sie an.
"Was hast du nicht mehr?", fragte er und beobachtete ihre Gesichtszüge, die plötzlich sehr ernst wurden.
"Ich habe keine Träume mehr. Die ganze Zeit über, die ich hier war, kam noch nicht ein einziger Traum. Das macht mich wahnsinnig. Ich weiß nicht, ob es Avina gut geht oder ob Nathaniel noch am Leben ist."
In ihrer Stimme klang Sorge mit.
"Wann hattest du deinen letzten Traum?", fragte er nach.
"Der, den ich im Schloss hatte, war der Letzte und über den weißt du ja Bescheid."
William hoffte, dass es seiner Schwester und Nathaniel gut ging. Es war nicht schön, nicht zu wissen, wie es ihnen ging oder ob sie überhaupt noch lebten. Selina schwieg und zog sich ihr Kleid über den Kopf, um sich zu verwandeln. Als vor ihm die schneeweiße Wölfin saß, musste er schließlich fragen.
"Was hast du vor?"
"Ich will noch ein wenig draußen herumlaufen. Passt du in der Zeit auf sie auf?", fragte sie und legte den Kopf schief. Als er zustimmte, lief sie wie von einer Schlange gebissen aus dem Zimmer, zur Haustür raus und hinaus in den Schnee.
Er stand auf, nahm Fiona auf den Arm und ging zum Fenster. Draußen rannte Selina durch den Schnee, warf sich seitlich in einen Schneehaufen. Sie stand gerade wieder auf und schüttelte sich, um die Nässe loszuwerden als Grim in seiner Tigergestalt hinzu kam und mit ihr Fangen spielte. William musste lachen. Die beiden waren auf spielerische Art wie Hund und Katz. Sie tollten durch den Schnee und schnappten manchmal nach dem Anderen. In seinen Armen regte sich Fiona und fing an zu quengeln. Hilflos sah er auf seine Tochter hinab und wusste nicht so recht, was er nun mit ihr anstellen sollte. Selina trat in den Raum. Pitschnass und tropfend stand sie vor ihrer Tochter und tippte sie mit der Schnauze im Gesicht an. Augeblicklich verstummte Fiona und lunste zu ihrer Mutter hinauf. Kurz danach verwandelte sie sich in ein Wolfsjunges und versuchte zu Selina zu gelangen. Will setzte sie vorsichtig auf dem Boden ab und beobachtete die beiden. Selina setzte sich hin, beugte sich nieder und leckte Fiona ab, die auf sie zu gekrochen war und leise fiepte.
Plötzlich packte Selina sie im Genick und hob sie vorsichtig hoch, dann trat sie an den wärmenden Kamin und legte sich auf das Fell mit dem Rücken zum Feuer. Fiona legte sie nahe an ihren Bauch.
Die Wölfin krabbelte näher und begann zu trinken.

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt