21.Kapitel Fiona

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William wachte mitten in der Nacht auf und wunderte sich. Weshalb war er wach geworden? Normalerweise wachte er nie vor Sonnenaufgang auf.  Müde sah er sich um und entdeckte seine schneeweiße Gefährtin, die ein Stück von ihm entfernt lag und schnell atmete. Manchmal keuchte sie auch auf. Er nahm an, dass sie schlecht träumte und wechselte in seine menschliche Gestalt. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Bauch. Er war ganz hart. Er tastete ein wenig darauf herum, bis Selina plötzlich und für Will völlig unerwartet, nach oben schrak und ohne jede Vorwarnung zubiss. Will jaulte überrascht auf.
"Selina, hör auf! Ich bin es, Will.", sagte er und versuchte ruhig zu klingen, was ihm, wegen der Schmerzen in seinem linken Arm, nicht wirklich gelingen wollte. Doch egal was er auch sagte, sie ließ nicht los, sondern biss manchmal nur noch stärker zu.
"Selina verdammt, lass mich los. Ich bin doch dein Gefährte. Willst du mich etwa umbringen?"
Schon bei dem Wort 'Gefährte' hatte sie ruckartig die Zähne aus seinem Fleisch gezogen, was ihn abermals dazu brachte, aufzujaulen. Plötzlich polterte es im Haus und Grim stürzte herein, dicht gefolgt von Isabella.
Verstört blickten sie zu ihrem selbstgebauten Bau und kamen langsam näher. Selina knurrte bedrohlich und zwang die beiden damit, stehen zu bleiben.
"Kommt nicht näher! Ich glaube, dass es soweit ist.", sagte er und verwandelte sich zurück in einen Wolf nachdem er seine Wunde verbunden hatte.
Isabella keuchte auf und stürzte aus dem Raum.
Grim rief ihr hinterher.
"Isabella, ich glaube nicht, dass du irgendetwas anderes holen musst, als ein einziges Tuch. Sie ist in Wolfsgestalt. Ich glaube also nicht, dass sie noch mehr brauchen."
Dann wandte er sich an Will.
"Okay, du musst versuchen, sie zu beruhigen oder sie zumindest davon abhalten, dich nochmal zu beißen. Weibchen in der Situation sind absolut tödlich, wenn man nicht sagt, wer man ist. In diesen Momenten setzen der Geruchssinn und die Vernunft zum Teil aus und der Überlebenswille ergreift von ihr Besitz. Sie sieht in allem eine Bedrohung, weshalb sie um sich beisst. Aber sie verteidigt nicht nur sich, sondern auch den Welpen. Also sei vorsichtig, denn es kann in den nächsten Stunden nur noch schlimmer werden, da dann die Schmerzen schlimmer werden. Lass dich nicht am Hals treffen, sonst müssen wir uns noch einen neuen König suchen."
Will wollte nachfragen, woher Grim das mit der Krönung wusste, doch dieser fiel ihm ins Wort.
"Selbst hier kommen die wichtigsten Nachichten an. Im Gegensatz zu Selina bin ich in den letzten Tagen unten in der Stadt gewesen, statt im Wald und in den Bergen."
Will sah vorsichtig zu seiner Gefährtin, die ihn allerdings nicht beachtete und schwer atmete.
"Sie ist jetzt zu sehr mit sich selbst beschäftigt, deshalb bekommt sie nicht wirklich mit, worüber wir reden. Du wirst es ihr später noch sagen können. Sollte ich dir noch einen Verband holen? Es blutet durch.", sagte er und deutete auf seinen Arm.
Will schüttelte den Kopf und wandte sich Selina zu. Es tat ihm weh, sie so leiden zu sehen vor allem, weil er wusste, dass er dieses Leid verursacht hatte. Vorsichtig legte er sich neben sie und leckte ihr den Kopf.
"Will ... es tut ... so weh.", wimmerte sie in seinen Gedanken und krampfte sich zusammen.
"Ich weiß, aber du wirst es schaffen durchzuhalten."
Sie fletschte schmerzerfüllt die Zähne. Isabella kam herein und legte die Tücher an der Stelle nieder, an der Selina sie angeknurrt hatte, dann verschwand sie wieder und Will konnte hören, wie sie die Treppe hinunterging und sich dort mit Grim unterhielt. Was sie sagten konnte er allerdings nicht verstehen und es war ihm eigentlich auch egal. Er stand auf und holte die Tücher. Eines legte er unter ihr Hinterteil soweit es ging und legte sich anschließend neben sie und leckte ihr den Kopf.

Stunden verstrichen und immermal kamen Isabella oder Grim herein, um nach ihnen zu sehen. Will stieg manchmal aus dem Bau um sich die Beine zu vertreten, da es doch schon ein wenig schmerzte, so lange zu liegen. Er sah aus dem großen Fenster Richtung Osten. Draußen dämmerte es und das Licht ließ den Schnee glitzern. Dann stieg die Sonne blutrot in den Himmel und schien in das Zimmer. Er hörte Selina laut aufkeuchen und lief rasch zu ihr. Sie war verschwitzt und ihr ganzer Körper war angespannt. Das Atmen fiel ihr sichtlich schwerer als noch vor wenigen Minuten als er aufgestanden war, um sich die Beine zu vertreten. Nach einer Weile lag sie ganz still.
William wollte gerade in Panik geraten, weil sie einfach da lag und nur atmete.
"Selina, ist alles in Ordnung?", fragte er zögerlich.
"Es ist vorbei. Die Schmerzen. Sie  flauen ab.", flüsterte sie. Er atmete erleichtert auf als sie sich bemühte, aufzustehen. Als sie dann stand drehte sie sich zu dem nassem, etwas blutigem Knäuel um, das hinter ihr auf dem Tuch und vielen Decken darunter lag. Es fiepte und tastete sich blind vorwärts, um nach Wärme zu suchen. Will betrachtete diesen kleinen weißen Wolfswelpen mit dem schwarzen rechten Ohr und wie sich dessen Mutter zu ihm hin legte und begann es abzulecken. Er stand ein Stück entfernt und beobachtete die Szene gespannt.
"Komm ruhig näher. Sie beisst noch nicht.", hauchte seine Gefährtin und betrachtete das Kleine erschöpft aber glücklich. Vorsichtig trat er näher und setzte sich neben Selina, während er noch der Kleinen beim Umherkriechen zuschaute. Erst nach einer Weile wagte er es, sich hinzulegen. Dieser kleine Plüschball bewegte sich unsicher vorwärts und in seine Richtung. Unsicher sah er zu Sel, die allerdings nur nickte und ihre Tochter weiter beobachtete. Diese kam nun bei ihm an und schnüffelte an seinem Vorderlauf, dann ließ sie sich zu Boden plumpsen und kuschelte sich an sein Bein. Selina legte den Kopf auf ihre Vorderbeine und schloss die Augen, die letzten Stunden hatten ihr alle Kraft geraubt und ihr Körper forderte nun seinen Tribut. Auch er war erschöpft, wachte aber über seine kleine Tochter bis auch seine Augenlider zufielen.

Gegen Mittag öffnete Selina die Augen und sah sich um. Ihre Tochter lag eng an ihren Vater gekuschelt und Will schlief seelig. Scheinbar hatte er sich, seitdem er eingeschlafen war, nicht bewegt. Sie hatte einen fürchterlichen Hunger und dieser trieb sie von ihrer Kleinen weg. Sie stieg leise aus dem Bau, verwandelte sich und zog sich ein lockeres Kleid an, bevor sie hinunter in die Küche ging, um dort etwas Essbares zu suchen. Ihr Körper fühlte sich schwach an, als sie die Treppe hinunterging. Selina erschrak sich ein bisschen, als sie Isabella vor sich stehen sah, da sie erwartet hatte, dass niemand in der Küche war. Die korpulente Frau stand vor dem Ofen und schien irgendeine Art Braten zu machen.
"Vor dem stehe ich schon seit gestern Abend. Ich wusste, dass du Hunger haben wirst, wenn du herunter kommst, deshalb hatte ich mich sofort daran gesetzt. Grim hat es gejagt und es bei mir abgeliefert, dann ist er rauf in sein Zimmer und seitdem dort geblieben.", sagte sie und betrachtete den Braten abschätzend.
"Ist Will noch oben?", fragte sie noch.
Selina brummte kurz zustimmend und trank mehrere Gläser Wasser, um ihren Durst zu stillen, dabei beobachtete sie Isabella abschätzend. Sie wirkte nervös und ungeduldig. Bevor Selina allerdings fragen konnte, weshalb, stürmte Raphael herein und umarmte sie stürmisch. Er drückte gegen ihren Bauch, was ihr ein gequältes Stöhnen entlockte. Ihr Unterleib tat fürchterlich weh, nach den Anstrengungen von letzter Nacht.
"Wann darf ich meine neue Cousine sehen?", fragte er, ließ sie los und sprang dabei auf und ab. Selina lächelte zu ihm hinab.
"Warte noch bis zum Nachmittag. William und sie schlafen noch." Er zog einen Flunsch, da er sie jetzt noch nicht sehen durfte und setzte sich.
"Du weisst, dass Will heute Abend wieder gehen muss, oder?", fragte Isabella und sah ihr ins Gesicht. Selina nickte und versuchte sich den Schmerz in ihrem Herzen nicht anmerken zu lassen. Will musste seine Pflichten wieder aufnehmen und musste dafür zurück zum Schloss.
"Habt ihr schon einen Namen für sie?", harkte sie nach.
"Ich überlasse Will die Namensgabe.", sagte sie und deckte den Tisch.
Nach einer Weile polterte jemand die Treppe hinunter, blieb in der Tür zur Küche stehen und gähnte ausgiebig.
"Morgen.", murmelte der Kater und setzte sich neben Raphael an den Tisch.
"Wann gibts Essen?", fragte er und sah Isabella erwartungsvoll an.
"Dann wenn es Essen gibt.", antwortete sie, wandte sich aber nicht von dem Braten ab.
"Ich hab aber Hunger.", jammerte er.
"Dann wirst du dich selbst versorgen müssen, Katze.", konterte Selina und half Isabella mit dem Essen.
Er fauchte kurz und lehnte sich an.
"Ich denke mal, dass Will mit der Kleinen noch oben ist?", fragte er und sah Selina erwartungsvoll an.
"Ja sie sind beide noch oben."
"Geht es dir gut?"
Mit forschendem Blick sah er sie an.
Sie nickte und sagte nach einer Weile als Isabella bei den letzten Handgriffen war:
"Ich gehe mal Will holen. Er hat bestimmt auch Hunger."
Sie drehte sich zur Tür als sie ihn dort stehen sah. Er stand dort in menschlicher Gestalt mit einem Bündel auf dem Arm. Er lächelte und gab ihr vorsichtig das Bündel.
"Sie hat sich ja schon verwandelt und die Augen offen.", sagte sie verblüfft und sah in die blaugrünen Augen, die auch ihr Vater hatte.
"Ja kurz nachdem du aufgestanden bist, hatte ich gespürt, wie sich etwas an meinem Arm verändert hatte. Dadurch bin ich endgültig aufgewacht. Als ich sah was los war, habe mich ebenfalls verwandelt und sie in eine Decke gewickelt, bevor ihr kalt wird."
Liebevoll strich er seiner Tochter mit dem Finger übers Gesicht, dann gab er Selina einen Kuss auf den Scheitel und setzte sich neben Grim.
"Wie willst du sie nennen?", fragte sie ihren Gefährten und setzte sich neben diesen.
"Ich bleibe bei dem Namen, den ich vor einigen Wochen für sie erwählt hatte."
"Dann soll sie so heißen.", stimmte Selina zu und küsste ihre Tochter auf die Stirn.
"Wie soll sie denn nun heißen?", fragte Grim neugierig.
"Fiona."

Larwenia Band 6 - Lord of Dark and DespairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt