William trat an das Fenster und atmete tief durch. Er musste nun wirklich zurück, um seine Pflichten wieder aufzunehmen und durfte sich nicht länger hier aufhalten, so gern er auch bleiben würde. Er öffnete das Fenster und verwandelte sich, dann hüpfte er auf das Fensterbrett und spührte wie der kalte Nachtwind seine Federn zerzauste.
"Will, warte!", hörte er hinter sich und drehte sich überrascht um. Selina kam aus ihrem Zimmer in den Flur heraus und sah ihn an.
"Was ist denn los?", fragte er.
"Daron ist verletzt und Avina entkommen.", sagte sie und sah ihn bedeutungsvoll an.
Verdutzt und wie eingefroren, starrte er sie an und musste sich zusammenreißen, um nicht vor Freude auf und ab zu hüpfen.
Sie musste bis vor wenigen Augenblicken einen Traum gehabt haben.
"Was hast du gesehen?"
"Ich habe sehen können, wie sich Daron mit den König von Kalistrien unterhalten hatte. Sie schienen sich zu streiten und Daron lag dabei in einem Bett. Während der andere König, Jafar heisst er glaube ich, wütend auf und ab lief und Daron sich verzweifelt bemühte, ihn zu beruhigen. Etwas schien da vorgefallen zu sein, das beiden nicht sonderlich zugesagt hatte. Dann schrie Jafar, dass die Bündnisbedingungen nicht erfüllt seien und er seine Armee zurückziehen würde. Lieber wolle er Magie erlauben, statt noch ein Wort mit Daron zu wechseln. Dann ging er aus dem Raum und Daron blieb allein zurück und murmelte wütend etwas von Nathaniel und, dass er ihm immer wieder ins Handwerk pfuschen musste. Da waren noch einige Verwünschungen mehr, bis dann plötzlich ein Unbekannter eintrat und verkündete, dass Daron ab sofort aus dem Königreich Kalistrien verbannt worden sei und er zusehen sollte, dass er von hier verschwinde."
Will sah zu ihr auf.
"Dann bereitet Daron nun seinen letzten Schlag vor, sobald er wieder in Xadrien ist." Er drehte sich um und wollte schon losfliegen aber eine einzige Frage hielt ihn zurück.
"Was ist mit Avina?"
"Ich weiß nicht, was mit ihr ist. Sie und Nathaniel sind scheinbar geflohen aber, ob sie schon in Sicherheit sind, wage ich zu bezweifeln." Er nickte und verwandelte sich noch einmal in seine menschliche Gestalt. Vorsichtig strich er ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und küsste sie sanft auf die Lippen.
"Pass gut auf dich und Fiona auf. Lass nicht zu, dass euch etwas passiert."
Sie schüttelte den Kopf, beinahe unfähig etwas zu sagen. Der Kloß in ihrem Hals war gewaltig. Sie umarmte ihn fest, fühlte sich dabei wie eine Ertrinkende, die versuchte sich an ihm festzuhalten.
"Lass nicht zu, dass sie dich umbringen. Pass auf dich auf.", sagte sie mit belegter Stimme und trat schnell einen Schritt zurück, bevor sie ihn gar nicht mehr gehen ließ.
"Ich liebe dich Selina."
"Ich dich auch und jetzt sieh zu, dass du fort kommst, sonst reißt Kyle dir den Hintern auf. Er wird keine Minute länger die Kontrolle über das Königreich haben wollen als nötig.", sagte sie schwach grinsend und er verwandelte sich wieder in seine Rabengestalt. In dieser verneigte er sich und flog ohne ein weiteres Wort davon. Still rannen die Tränen ihre Wangen hinab.Selina stand noch eine ganze Weile am Fenster und sah ihm nach bis sie unter sich etwas knacken hörte. Schnell duckte sie sich und sah nach unten.
Im Schnee vor dem Haus lief Grim umher und beobachtete die Gegend. Er starrte immer wieder in eine Richtung und dann vernahm sie es.
Den Geruch, den sie auch bei ihrem Herweg gerochen hatte, diesen bekannten menschlichen Geruch. Er wehte von den Bergen her zu ihnen runter. Grim starrte immernoch auf diese eine Stelle und fauchte lautstark und warnend. Sie suchte mit ihren guten Augen den Berg ab und erkannte nach einigen Minuten eine zusammengekauerte Gestalt. Sie überlegte fieberhaft, zu wem der Geruch gehören könnte. Die Gestalt am Hang bewegte sich ein wenig und allein bei dieser Bewegung, traf sie die Erkenntnis wie der Blitz. Diese vorsichtigen Bewegungen, um ja keinen Laut zu viel zu verursachen. Diese bedachten Bewegungen. Sie kannte sie. Sie hatte sie in Sondra mehr als einmal beobachten können.
"Scheiße.", fluchte sie.
Selina trat zurück und schloss das Fenster.
Leise ging sie zu Fiona zurück und legte sich in Wolfsgestalt neben sie.Im Morgengrauen kam Will endlich im Schloss von Larwenia an. Er hatte die Diener vor seiner Abreise gebeten das Schlafzimmerfenster offen zu lassen, damit er sich gleich etwas anziehen konnte, wenn er ankam. Er flog durch das offenen Fenster und landete direkt vor dem Kleiderschrank. Dann verwandelte er sich und zog sich an.
Da es bis zum Frühstück noch Zeit war lief er gleich hinunter in sein Arbeitszimmer, um seine liegen gebliebene Arbeit wieder aufzunehmen. Er öffnete die Tür im Erwarten, dass niemand darin war, wurde allerdings überrascht. Auf dem Sofa vor dem Kamin lag Kyle und schlief. Auf seiner Brust lag ein aufgeschlagenes Buch über Waffen. Er schloss die Tür hinter sich und ging zum Schreibtisch. Scheinbar hatte Kyle den Teil mit der Armee und der Kriegsführung schon für ihn erledigt. Er sah die Papiere durch und nickte anschließend zufrieden. Kyle hatte diesen Teil des Papierstapels perfekt erledigt. Er sah zu seinem Berater, der noh immer tief schlafend da lag und sich kaum rührte. Die Sonne war nun aufgegangen und strahlte ins Zimmer.
Nun war es an der Zeit, dass Kyle nun doch mal langsam aufwachen sollte.
"Kyle, du musst aufstehen."
"Hmmmmm...", murrte er.
"Kyle verdammt. Jetzt steh auf!", sagte er energisch und wunderte sich nicht darüber, dass Kyle nun hochschrak, wie von einer Wespe gestochen. Will grinste.
"Was? Wo?", fragte er und sah sich erschrocken um bis er Will entdeckte und sich dann wieder beruhigte.
"Guten Morgen.", sagte Will grinsend.
"Guten Morgen.", gähnte Kyle.
"Du bist also wieder da."
"Ja bin ich und mit Arbeit."
Als Kyle ihn nur fragend ansah, fügte er noch hinzu.
"Nicht für uns. Ich will dass, Selina in Hagenfels mehr Schutz bekommt, da sie scheinbar verfolgt und beobachtet wird."
Kyle riss die Augen auf.
"Aber wir dachten doch, dass sie dort halbwegs sicher ist. Davon abgesehen, wen willst du schicken?"
Will überlegte eine Weile.
"Weisst du noch damals, als du Amber kennengelernt hattest? Damals waren noch fünfzehn andere bei uns. Wer ist von ihnen alles schon hier?"
"Soweit ich weiß, alle die nach der Schlacht auf der Blutebene noch übrig geblieben sind.", sagte er und streckte sich ausgiebig.
"Gut. Ich will sie nach dem Frühstück alle im Thronsaal sehen."
Kyle nickte und wandte sich dann einem anderen Thema zu.
"Wie geht es Selina?"
"Es geht ihr gut, nur gefällt es ihr weder in Hagenfels festzusitzen, noch dass sie verfolgt wird."
Kyle lächelte.
"Ja das sieht ihr ähnlich, als nächstes wird sie sich wahrscheinlich auf ihren Verfolger stürzen, weil ihr langweilig wird."
"Oh bitte nicht. Vorerst sollte ihr zwar nicht langweilig werden aber man weiß ja nie."
"Ist eure Kleine schon da?", fragte er interessiert.
"Ja ist sie und ihr Name ist Fiona. Sie ist wunderschön. In menschlicher Gestalt wie auch in Wolfsgestalt."
Kyle lächelte wieder.
"Hoffentlich geht das alles gut aus, damit dir eine schöne Zukunft mit deiner Frau und deiner Tochter zuteil wird."
William nickte und stand auf.
"Los, lass uns frühstücken gehen. Luke will bestimmt wissen, wie es seiner Schwester geht."
Kyle stand ebenfalls auf und lief mit ihm hinunter. Am Frühstückstisch saßen bereits Luke mit seinen besten Leuten.
"Sieh an, der König ist zurückgekehrt.", begrüßte Luke sie grinsend. "Hast du dich so lange bei meiner Schwester aufgehalten?" Will nickte und verkündete: "Deine Nichte ist bei bester Gesundheit, sowie auch deine Schwester. Ihr Name ist Fiona." Luke lächelte breit.
"Es freut mich zu hören, dass es den beiden gut geht.", sagte er, erhob sich aus seinem Stuhl und hob sein Glas. "Lasst uns die Gläser erheben, um Königin Selina und Prinzessin Fiona zu ehren, die derzeit nicht hier sein können. Auf, dass sie lange leben mögen und sie eines Tages gefahrlos hierher zurückkehren können." Sie hoben alle ihre Gläser allerdings war es für Will ein grimmiger Grund zum Anstoßen. Er hoffte zwar, dass wenn der Krieg vorbei war, sie alle wieder in Ruhe leben könnten, aber das schien ihm fast unrealistisch. Im Stillen dachte er sich, während er sein Glas hob: "Mögen sie diesen Krieg heil überstehen und nicht zu sehr um mich trauern, falls ich falle." Er glaubte nicht wirklich daran ihn lebend zu überstehen. Das Ziel der feindlichen Truppen waren immer der Hauptsitzpunkt eines Königreiches mit ihrem König.Nach dem Frühstück beorderte Will die Besten mit sich und Luke in den Thronsaal zu kommen. Dort erklärte er ihnen die Lage in Hagenfels und fragte:
"Wer von euch ist bereit das Schlachtfeld zu verlassen und meine Familie zu beschützen?" Luke wollte Selina und Fiona auf jeden Fall beschützen, wodurch er seine besten Soldaten mehr oder weniger dazu zwang sich dem zu stellen, was auch immer Selina und Fiona bedrohte. Jedoch wollte keiner von ihnen das Schlachtfeld wirklich verlassen. Ihr Pflichtgefühl war tief mit ihrer Ehre und ihrem Stolz verwoben, weshalb Will erneut das Wort ergriff, als alle durcheinander redeten:
"Ich würde sagen, dass ein unauffälliger Gestaltwandler hingeht, ein Magier und jemand der gut mit Gestaltwandler umgehen kann. Wer käme da in Frage?", fragte er Luke leise. Er überlegte kurz und dann fiel ihm etwas ein. "Ich würde sagen, dass Robin, Selem und Laniel nach Hagenfels gehen und sich dort um das Problem kümmern." Will ließ sich diese Zusammenstellung noch einmal durch den Kopf gehen und stimmte zu.
"Ja das klingt gut.", sagte er leise, bevor er die Stimme hob und zu den drei Betroffenen sprach:
"Robin, Selem und Laniel. Ihr drei geht nach Hagenfels und seht zu, dass ihr dort das Problem in den Griff bekommt."
Nachdem sie das geklärt hatten, machte sich Will auf den Weg zurück in sein Arbeitszimmer. Er musste noch die restlichen liegen gebliebenen Papiere bearbeiten und dann noch einen Schlachtplan entwerfen.
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Larwenia Band 6 - Lord of Dark and Despair
FantasyDaron versucht seine Pläne in die Tat umzusetzen und Avina an Kalistrien zu verkaufen. Ein brutaler Krieg entfacht und Nathaniel der eigentlich gebraucht wird, ist noch immer spurlos verschwunden