Gefühlschaos

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May kam mir nach und legte den Arm um mich. Als wir ein gutes Stück entfernt waren stützte ich mich an einer Wand ab und keuchte. Tränen stiegen mir vor Schmerz in die Augen und May musste mich richtig festhalten damit ich nicht umfiel. „Was hast du dir dabei gedacht", fragte sie und ich schloss die Augen. Was hatte ich mir dabei gedacht? Ich wollte einfach Katharina decken und wenn sie wussten wie schlimm es war kamen sie von allein darauf, dass es Absicht gewesen war. „Niemand soll wegen mir rausgeworfen werden. Nicht schon wieder! Wenn jemand gehen muss, dann bin ich es." Ich richtete mich auf und humpelte weiter. May schüttelte den Kopf und erwiderte: „Meinst du die Sache mit Ash? Ich hab gehört sie ist Logan wirklich an die Gurgel gegangen." „Nur wegen mir", gestand ich leise und Mays Mund blieb offen stehen. „Als ihr den Test geschrieben habt waren wir ein Stockwerke höher hinter einen Regal und haben geredet. Wir haben alles geklärt und er hat mich geküsst." Ihr Kinn berührte fast den Boden soweit stand ihr Mund mittlerweile offen. Ich zupfte verlegen an dem Saum meines T-Shirts und zog meinen Zopf fest. „Und du hast mir nichts gesagt", quietschte sie schließlich und hüpfte neben mir auf und ab. Scheinbar schien es Grund zur Freude zu sein, doch alles was ich im Moment empfand war weit entfernt von Freude.

Der Kuss hatte mich verwirrt und ein wohliges Gefühl in mir aus. Wenn ich daran dachte merkte ich wie meine Wangen anfingen zu brennen. May packte mich fest am Arm und ich zuckte zusammen. „Erzähl weiter! Wie war es? Sag nicht er küsst wie ein Hund. Tut er das?" Er küsste nicht wie ein Hund dachte ich und starrte ins Leere. Wie war der Kuss überhaupt? Gut? Ich wusste es nicht, denn ich hatte keinen Vergleich. Es war mein erster Kuss gewesen. Nie hätte ich gedacht, dass er unter diesen Umständen passieren würde. Hätte mir jemand vor ein paar Wochen gesagt, dass ich bei der Auswahl mit machen würde und wohl möglich den Prinzen geküsst hatte wäre ich lachend zusammen gebrochen. Nie hätte ich an so etwas gedacht. Ich weiß noch nicht mal ob ich so was gewollt hätte oder na ja eigentlich wusste ich es schon. Seit ich von diesen Zirkus wusste hatte ich mir immer wieder gesagt nicht hier mitzumachen. Ich und Prinzessin? Der Gedanke kam mir absurd vor. Ich besaß keine Fähigkeiten die mich besonders ausmachen und einfach hübsch aussehen war nichts für mich. Nie hätte ich gedacht, dass das Schicksal wollte das ich hier war. Vielleicht war es ja auch nur ein schlechter Witz. Ich wusste es nicht. 

Das einzige was ich wusste war, dass Logan mich geküsst hatte und das ich es genossen hab, auch wenn es mich noch mehr verwirrte. Als ich May nicht antwortete seufzte sie theatralisch und öffnete die Tür zu meinen Zimmer. Die Mädchen waren alle im selben Teil des Schloss untergebracht was ich erst heute morgen registriert hatte. Es war schon seltsam. Es gab so viele Dinge die hier ins Auge stachen, aber für mich war es irgendwie klar, dass es sie gab. Ich schaute mich kurz im Flur um und betrachtete die chinesischen Vasen in den Blumen steckten. Rosen. Rosa Rosen. Ich rümpfte die Nase. Alle Mädchen fanden rosa Rosen toll, aber in mir kam nur Abneigung hoch wenn ich sie ansah. Ich wusste nicht genau wieso. Vielleicht lag es daran dass die Farbe an sich nicht mochte. Sie war mir irgendwie zu Tussihaft. „Amy?" May wedelte mit der Hand vor meinen Gesicht herum und ich zuckte zusammen. „Kommst du ins Zimmer oder willst du weiter hier rumstehen?" Ich brummte einen leisen Fluch worüber meine selbsternannte Freundin nur lachte. Um ehrlich zu sein war ich froh jemanden hier zu haben. Man konnte nämlich nicht sagen, dass die anderen gut auf mich zusprechen waren. Bestes Beispiel waren Ash und Katharina. 

Ich folgte May in mein Zimmer und sank auf mein Bett. Vorsichtig streifte ich die Turnschuhe samt Socken ab und presste die Lippen fest aufeinander. Mein rechter Knöchel war geschwollen und pochte immer noch. Wenn ich mich nicht irrte war es sogar etwas blau. May betrachtete ihn nachdenklich und sah dann mich an. „Ich bin kein Arzt, aber du solltest jemanden das anschauen lassen." Ich schüttelte stur den Kopf und legte mich hin. Ich starrte an die Decke. „Ich will nicht, dass alle denken ich bekomme eine Sonderbehandlungen nur weil Logan bei meiner Auswahl war", sagte ich leise und hörte May wütend schnauben. Sie legte sich neben mich und kickte ihre Schuhe von den Füßen. „Du hast dir wahrscheinlich den Fuß verstaucht. Zum Arzt zu gehen wäre da keine Sonderbehandlungen." Ich seufzte leise und legte einen Arm über mein Gesicht. Das war es wohl nicht, aber wäre ich sofort gegangen wäre Logan mitgekommen und das wollte ich nicht. Ich wollte ihn nicht um mich haben, weil es hier doch so viele andere Mädchen gab mit denen er glücklich werden konnte. Solange er sich nicht in mich verliebte war alles gut. „Ich verstehe nicht wieso er bei mir immer so extrem reagiert. Das ist falsch." 

„Er macht sich sorgen. Du scheinst ihn wohl was zu bedeuten", erwiderte May und meine Kehle schnürte sich zu. Ich bedeutete ihn etwas? War das wirklich der Fall? Ich dachte an den Kuss und wie er sich beim Mittagessen verhalten hatte. Mir wurde eisig und ich schloss fest die Augen. „Ich bin nicht hier um mich zu verlieben oder für die Krone. Ich hab es ihn gesagt, aber Logan... er will nicht das ich gehe und ich... ich kann nicht. Ich weiß nicht wieso." May schwieg einen Moment und mir wurde der Arm vom Gesicht gezogen. Ernst sah sie mich an. „Vielleicht empfindest du ja ähnlich", behauptete sie und ich schüttelte abwehrend den Kopf. „Nein. Ich glaube... es ist einfach weil er sonst so alleine ist. Schau dir das gestern an. Niemand hat es interessiert ob er nun da war oder nicht. Außer vielleicht den König und der Königin. Ich..." 

Mitten im Satz brach ich ab und sah weg. Vielleicht blieb ich, weil es mir so vertraut vor kam. Alleine sein. Das war der größte Bestandteil meines Lebens gewesen bis gestern. Mum war seit Dads tot viel arbeiten gewesen und mein Stiefvater war beim Glücksspiel gewesen. Freunde hatte ich nicht, also war ich immer Zuhause gewesen. Ich hab mir die Zeit vertrieben mit putzen, kochen und lesen. Ich kannte den Ausdruck in einen Gesicht, wenn man sich einsam fühlte, weil ich ihn täglich sah. „Ich glaube einfach er fixiert sich auf die falsche, verstehst du? Ich kann keine Prinzessin sein falls er der Prinz ist und wenn nicht... ich werde trotzdem mitten im Geschehen stehen. In der Öffentlichkeit. Das will ich nicht. Ich will ein ruhiges, behütetes Leben, wo ich nicht fürchten muss das mein zukünftiger Ehemann umgebracht wird. Verstehst du? Ich will nie wieder einen geliebten Menschen verlieren. Das packe ich nicht. Auch wenn ich ähnlich empfinde wie er darf ich es nicht, weil ich dann mit Sicherheit kaputt gehe."

Es fühlte sich gut an das auszusprechen was ich schon die ganze Zeit dachte. Schon vor der Auswahl gedacht habe. May nickte leicht, als würde sie verstehen was ich meinte und es akzeptieren, dass ich Logan aus diesen Grund so behandelte. Auch wenn ich wohl eifersüchtig sein werde, wenn er sein Mädchen wählt, werde ich mich gleichzeitig freuen, weil es besser so ist. Für uns beide.

Jemand räusperte sich und wir zuckten beide zusammen. In der Tür stand Karen und sah uns unschlüssig an. In der Hand hielt sie einen Korb mit Mullbinde und Salbe. „Mir wurde zugetragen, dass du umgeknickt bist", meinte sie und ich nickte leicht. Sie setzte sich mit aufs Bett und schaute sich meinen Fuß an. Nachdenklich runzelte sie die Stirn und schien darüber nachzudenken ob sie was sagen sollte oder nicht. Schließlich sah sie mich an und nagte an ihrer Lippe. „Miss Amy... ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber glauben sie wirklich, dass sie das durchhalten? Ich kenne Logan lange und unter uns Zofen wird viel geredet. So viel wie ich mitbekommen habe wird er sie nicht so einfach gehen lassen. Da ist er wie..." Sie brach ab und seufzte dann. „Dieser Mann ist stur und meistens bekommt er seinen Willen auch." „Dann sorge ich dafür, dass er mich nicht mehr so toll findet", erwiderte ich und fragte mich wie ich das anstellen sollte. Um hier rausgeschmissen zu werden musste ich schon eine andere Auserwählte verletzen oder beleidigen und zu so was war ich nicht in der Lage. May seufzte leise: „Weißt du wie du Männer los wirst? Verletze ihren Stolz. Ich will nicht, dass du dafür sogst das du gehen musst. Ich hab dich gern, aber wenn du hier wirklich so unglücklich bist..." War ich das? War ich unglücklich? Ich wusste es nicht. Karen kümmerte sich um meinen Fuß und meinte ich solle heute lieber nicht so viel laufen, was mir ganz recht war. Ich würde heute ganz bestimmt nicht das Zimmer verlassen.

May und ich redeten darüber wie ich am besten Logans Stolz verletzen konnte, damit er mich endlich gehen ließ. Alle unsere Ideen ließen sich aber nicht so schnell umsetzen, weswegen wir es fürs erste auf sich beruhen ließen. Heute konnte ich eh nicht mehr damit rechnen nach Hause zu dürfen. Ich bat Karen Bescheid zu sagen, dass am Abendessen nicht teilnehmen würde. Zum einen wollte ich Logan nicht sehen und zum anderen musste ich noch meinen Fuß schonen. Was ich mit dem Date machen sollte wusste ich nicht so genau. Wahrscheinlich musste ich ihn an der Zimmertür abwimmeln, aber das sollte wohl nicht das Problem werden.


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Huhu :)

Ich wünsche euch eine schöne Woche und viel Spaß beim lesen der Geschichte

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