Tränen

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Philipp wiegte mich hin und her. Einfach nur hin und her. Ohne etwas zu sagen.

Er hielt mich im Arm und bat mir die Zuflucht, die mir von Nick verwahrt worden war.

Außer dem Wiegen spürte ich überhaupt nichts mehr. 

Nicht die Regentropfen, die ohne Unterlass auf mich hinab prasselten und auch nicht den kalten Steinboden, auf dem ich in meinem Krankenhausnachthemd saß. Ich spürte nicht einmal das Loch, das in meiner Brust klaffte und mit rasender Geschwindigkeit wuchs. 

Ich spürte garnichts mehr.

Irgendwann strich mir eine Hand über die Wange. Vermutlich um meine Tränen wegzuwischen, allerdings war es unmöglich die Tränen von den Regentropfen zu unterscheiden. Von außen zumindest.

Ich spürte jede einzelne Träne, wie sie heiß mein eiskaltes Gesicht runterlief. Wie jede einzelne Träne das widerspiegelte, was in meinem Inneren gerade abging.

Nick hatte mich gebrochen und es war ihm scheißegal. 

Er war egoistisch genug gewesen, in meinem Zustand mit mir Schluss zu machen. Und mich im Regen stehen zu lassen. Es kümmerte ihn absolut gar nichts, dass es mir jetzt noch schlechter ging als zuvor. Dass es mir noch nie in meinem Leben so schlecht gegangen war. Dass mir in meinem Leben so etwas noch nie widerfahren war.

Und wer war das komplette Gegenteil in dieser Situation? Wen interessierte es überhaupt nicht, dass er mit einer psychisch gebrochenen Kratzbürste im Regen saß und durchnässt wurde? Richtig, der blau-äugige Idiot...

Warum war das Leben so ungerecht? Warum war Nick so ein Arsch, warum musste ich mich auch in so eine falsche Schlange verlieben?

Ich hasste ihn.

Ich hasste ihn so sehr.

Aber es war meine Schuld. Ich war einfach nicht gut genug für ihn. Er wollte hübsche, schöne Mädchen. Selbstbewusste, tolle Mädchen.

Und das war ich nun mal nicht.

Eine innere Wut packte mich. Ich schaffte es, die Tränen vollständig zu unterdrücken und drehte mich zu Philipp.

„Kannst du mir helfen schön zu werden?"

Philipp sah mich an.

Langsam hob er beide Hände und legte sie an meine Wangen. Seine Augen hielten meinen Blick fest, so fest wie ich es mittlerweile schon fast gewohnt war.

Dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, Kaya. So darfst du nicht denken."

Enttäuscht schlug ich die Augen nieder.

„Ok, dann werde ich es wohl allein schaffen müssen. Ich dachte du könntest mir helfen weil du weißt, was Jungs schön finden, aber okay. Ich kriege das auch alleine hin."

Ich nickte und versuchte mich selbst von dem zu überzeugen was ich gerade gesagt hatte.

„Ich werde mich schön machen, und dann wird Nick es bereuen mich verlassen zu haben. Wenn ich schön bin wird alles anders."

Ich klang wie ein Psycho, während ich wirres Zeug vor mich hinlaberte. Ich bekam mit, dass Philipp auf mich einredete, war aber zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt.

Irgendwann durchbrach Philipps laute Stimme meinen Gedanken wirrwarr.

Kaya, jetzt hör mir zu!!"

Erschrocken schaute ich auf. Direkt in sein Gesicht.

Philipps Hände befanden sich immer noch an meinen Wangen, doch jetzt verstärkte er den Griff um mein Gesicht, während seine Stimme sanft wurde.

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