Das Leben ist kein Wunschkonzert!

229 20 14
                                    

Ich schrieb nur ein Wort zurück.

'Wieso?'

Das Mädchen las die Frage, die ich ihr auf den Block geschrieben hatte und runzelte die Stirn.

'Was meinst du mit 'Wieso?'?'

Sie hielt mir den Block hin und sah mich fragend an.

'Wieso glaubst du mir nicht?', schrieb ich zurück.

'Ich bin zwar auf beiden Ohren taub, aber nicht Gefühlstaub. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht', kam postwendend die Antwort.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

Es war komisch. Ich kannte dieses Mädchen erst seit ein paar Minuten, wusste weder ihren Namen, noch wie alt sie war, doch ich konnte nicht umhin, sie für ihre Menschenkenntniss und ihr einfühlsames Verhalten zu bewundern.

Sie hatte, wegen ihrer Taubstummheit, vermutlich schon so viele schwere und erniedrigende Situationen durchmachen müssen und hatte trotzdem kein Problem damit, auf fremde Personen zuzugehen und ihnen ein Teil ihres Leides abzunehmen.

Ich hatte bisher nur eine Person außerhalb der Familie kennengelernt, die auch so war.

Cara und ich hatten vermutlich genau deswegen eine so enge Beziehung zueinander. Wir waren immer füreinander da und versuchten so oft wie nur irgendwie möglich, es dem anderen recht zu machen.

Isa, meine andere beste Freundin, war in dieser Hinsicht ein wenig schwieriger. Für sie war es äußerst schwer, ein Geheimnis für sich zu behalten und es nicht gleich der ganzen Schule weiterzuerzählen. Von daher hielt ich mich eher an Cara, wenn ich jemandem etwas anvertrauen wollte.

Warum ich dann trotzdem mit Isa befreundet war?

Tja, ich schätzte, sie war einfach eine coole Freundin, die zwar recht oberflächlich war, sobald es um Typen ging, aber im Grunde genommen trotzdem immer für einen da war, wenn man mal jemanden zum ausheulen brauchte.

Zwar wusste am nächsten Tag die gesamte Schule davon, aber das war es mir bisher meistens wert gewesen. Sie spendete Trost und ermutigte einen, nie aufzugeben. Zwei Eigenschaften, die ich über alles an ihr liebte.

Da ich in Gedanken versunken gewesen war, hatte ich garnicht bemerkt, wie das Mädchen mir den Block erneut hinhielt, nachdem sie zu ihrem anderen Kommentar etwas hinzugefügt hatte.

'Ist es wegen unserem Zimmerpartner?'

Ich seufzte, und überlegte, einfach zu sagen, dass ich nur einen schlechten Tag hatte. Allerdings würde sie meine Lüge vermutlich schneller aufdecken als ich schauen konnte. Ich presste meine Lippen aufeinander, nickte aber schließlich.

'Er regt mich einfach auf', schrieb ich als Erklärung zurück und zuckte dann mit den Schultern.

Das Mädchen schien jedoch nicht ganz so ratlos wie ich, denn kaum zehn Sekunden später wurde mir der Block erneut unter die Nase gehalten.

'Ignorier ihn einfach. Er ist es nicht wert. Außerdem hast du doch einen tollen Freund. Was willst du mehr?'

Nachdem ich die Antwort gelesen hatte schaute ich sie erstaunt an.

Dieses Mädchen schien echt was von Menschen zu verstehen.

Ich lächelte sie leicht an, worauf sie mir einmal zuzwinkerte.

Ich schätzte mal, ich würde dieses Mädchen echt vermissen, wenn ich morgen entlassen werden würde...

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„Knock, knock", meinte jemand an der Tür, bevor sich ein blonder Kopf mit einem fetten Grinsen im Gesicht durch den Türspalt schob.

„Cara!", rief ich aus, wurde aber wieder mal schmerzvoll an meinen Kopf erinnert, der mich zusammenzucken lies.

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