Rutsch mir einfach den Buckel runter

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"Warum bist du nicht einmal ehrlich zu mir? Warum muss ich mich eigentlich immer erklären? Wie wäre es denn, wenn du mir zur Abwechslung mal Rede und Antwort stehen müsstest? Das würde dir doch auch nicht gefallen, oder?"

Ich funkelte Philipp wütend an. Es war wirklich so. Philipp hatte von mir immer die Wahrheit und vollkommene Offenheit erwartet, selber aber nie wirklich preisgegeben, was bei ihm in den letzten Monaten abgeangen war. 

Warum er zum Beispiel auf einmal eine Freundin hatte. Oder warum er sich wieder wie ein absoluter Arsch benehmen musste. Warum es ihm jetzt auf einmal wieder wichtig war, was ich dachte. Oder fühlte. 

"Das, was ich im Krankenhaus zu dir gesagt habe, habe ich absolut ernst gemeint, Kaya. Ich weiß nicht, wie du auf deine ganzen Anschuldigungen kommst, aber ich habe gewartet. Wochenlang habe ich auf eine Nachricht deinerseits gewartet, aber, falls ich dich daran erinnern darf, hast du mir ja nicht geschrieben."

Empört schnappte ich nach Luft. Bevor ich jedoch antworten konnte, sprach Philipp weiter.

"Was sollte ich denn denken? Dass du dich noch melden würdest? Ich hatte doch keine Ahnung, ob du den Kontakt zu mir überhaupt noch wolltest. Mir war klar, dass du nach der Geschichte mit dem Arschloch mitgenommen warst und Jungs zu dem Zeitpunkt vielleicht nicht deine oberste Priorität sein würden, aber ich hatte schon gedacht, dass du dich wenigstens melden würdest. Ich meine, nach all dem was ich für dich getan habe..."

Meine gesamte Luft wich mir aus der Lunge. 

So, wie wenn man einen Luftballon zusammenpresste.

Mein Gehirn war wie leergefegt und ich spürte, wie eine eisige Kälte meine Fingerspitzen hochwanderte. 

Mein Sichtfeld wurde am Rande schwarz und meine Hände ballten sich automatisch zu fäusten.

"Wie bitte?", hauchte ich.

Philipp öffnete den Mund und setzte zu einer Antwort an, doch dieses Mal war ich diejenie, die ihn nicht zu Wort kommen ließ.

"Nach allem was du für mich getan hast?", echote ich. 

Ich schluckte und versuchte kurz, meine Fassung zu bewahren, gab es allerdings schnell wieder auf. 

Brachte sowieso nichts.

"So habe ich das nicht gemeint", gab Philipp stotternd von sich, bevor ihn eine Ladung meiner geballten Wut erreichte.

"Pff", stieß ich aus, "natürlich hast du das so gemeint. Weil du nämlich genau so ein Arschloch bist, wie die meisten Männer da draußen auch. Ihr meint, nur weil ihr einmal was für uns tut, seien wir euch etwas schuldig. Müssen nach eurer Pfeife tanzen und euch unsere Welt zu Füßen legen. Müssen euch bis in alle Ewigkeit dankbar sein und ohne wenn und aber immer genau das tun, was ihr von uns erwartet. Aber weißt du was, Philipp? Du kannst mich mal, und zwar kreuzweise. Rutsch mir einfach den Buckel runter und halt dich in Zukunft einfach aus meinem Leben raus. Ich habs so satt, mich ständig mit dir und allen Scheißproblemen, die du im Schlepptau anbringst, auseinanderzusetzten. Du bist für mich gestorben."

Eine einzelne Träne lief mir die Wange hinunter.

Philipp starrte mich an und machte einen kleinen Schritt auf mich zu. 

Ich wich zurück, befand mich aber bald mit dem Rücken an der Wand. 

Philipp schloss die Distanz zwischen uns, hob seine Hand und legte sie mir in den Nacken.

Dann wischte er, ganz sanft, die Träne auf meiner Wange weg. 

"Es tut mir so leid", flüsterte er.

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