Wenn nichts mehr geht (2) - Dann fang mal an!

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Freitag, 28.10.2016, Englischklausur
Ich sitze am ersten Tisch der rechten Reihe, hinter mir Tim, am Tisch neben mir Alex, direkt davor der Englisch-Referendar, der anscheinend eigentlich irgendwelche anderen Arbeiten kontrollieren soll und stattdessen lieber uns beobachtet. Ich lese mir die erste Aufgabe zum dritten Mal durch, überfliege den zugehörigen Text schon wieder, hebe den Blick, sehe, dass er schon wieder in meine Richtung sieht, und starre lieber erneut in das Wörterbuch neben mir.
Mein Stift schwebt Zentimeter über dem Papier, während meine Gedanken verzweifelt im Kreis rennen und nach der richtigen Formulierung suchen. Als ich routinemäßig auf die Uhr sehe, sind zehn Minuten vergangen, ohne dass ich auch nur drei Sätze geschrieben habe - wie auch in den zehn Minuten zuvor. Ich beschließe, mit der nächsten Aufgabe weiterzumachen, stehe kurze Zeit später vor dem selben Problem und stelle mir vorsichtshalber das Ultimatum, zwanzig Minuten vor Schluss mit der letzten Aufgabe anzufangen.
Pünktlich zur Abgabe bin ich fertig - wenn man es denn so nennen will. Ich habe gerade noch Zeit, meinen Namen unter den fiktionalen Brief zu setzten, das Wort, das ich immer falsch schreibe, kann ich nicht nochmal nachschlagen. Am anderen Ende das Raums gibt Lisa mit der Bemerkung, dass es nicht so gut geworden ist, ab, ich stimme ihr zu; von den 200-300 geforderten Wörtern der letzten Aufgabe habe ich hoffentlich wenigstens 180, die Bildbeschreibung ist auch eher dürftig und die Summary womöglich sogar zu kurz.

Nein, ich habe diesen Ratgeber nicht mit meinem Tagebuch verwechselt, keine Sorge. Es sollte lediglich eine etwas andere Einleitung in das Thema sein. Kann sich schon jemand denken, worum es geht?

Freitag, 4.11.2016
Wieder Englisch, aber die Klausur bekommen wir noch nicht zurück. Den allgemeinen Hinweis, dass sie bisher nicht überragend gut, aber auch nicht überragend schlecht ausgefallen ist, erhalten wir aber immerhin. Ebenso die Beobachtung unserer Lehrerin, dass viele von uns offenbar ein Zeitproblem haben, was daran liegt, dass wir nicht sofort anfangen.
Um gegen dieses Problem anzugehen, hetzen wir heute durch den Unterricht. Eine Frage wird sofort beantwortet, ohne ewig darüber nachzudenken. In den letzten zehn Minuten sollen wir eine Summary einer Fabel über Schafe im Wolfspelz beziehungsweise die Verantwortung von Journalisten schreiben.
Diesmal werde ich rechtzeitig fertig.

Wisst ihr es jetzt? Vielleicht kann man es auch schon aus dem Titel ableiten; die "wenn nichts mehr geht"-Reihe (sofern ich es schaffe, endlich weitere Teile dazu zu schreiben) beschäftigt sich ja mit Vorschlägen, wie man gegen (scheinbare) Schreibblockaden angehen kann, und dieser Teil ist das wohl schlichteste Thema: anfangen.

In einem hat meine Englischlehrerin nämlich absolut Recht: Ich brauche zu lange, um anzufangen und noch länger, um weiterzumachen. Das liegt vor allem daran, dass ich immer ewig überlege, wie ich es nun formulieren soll - und das, obwohl ich eigentlich gut in Englisch bin.

Falls sich jemand fragen sollte, was das mit dem Schreiben zu tun hat. Nun, ganz einfach: Das ist nichts anderes. Eine Schreibblockade definiert sich für mich genauso - man sitzt vor dem leeren Blatt, der Stift (beziehungsweise die Finger über der Tastatur) schwebt darüber. Man weiß, was man schreiben will, aber irgendwie auch nicht und die Zeit verfliegt, ohne dass man etwas schreibt.

Dieses Problem lässt sich durch etwas lösen, dass die meisten von uns bereits wieder verlernt haben.
Einfach schreiben.
Ich erinnere mich, dass die Buchstaben bei meinen ersten Versuchen regelrecht geflossen sind, inzwischen ist es nur noch selten so. Durch den Willen, mich zu verbessern, kommt bei beinahe jedem Satz der Gedanke auf: "Kann ich das noch besser formulieren? Sollte ich nicht vorher etwas anderes einbringen? Mehr Umgebung oder Gefühle etwa?"
Und genau das bremst, verdammt stark noch dazu. Falls es euch noch nicht so geht, meinen Glückwunsch! Erhaltet euch diese Fähigkeit unbedingt. Andernfalls müsst ihr sie so wie ich neu lernen (zumindest wenn ihr nicht eine halbe Ewigkeit an einem einzigen Satz hängen wollt).

Gestern habe ich es versucht (unbewusst) und musste mir nach zwei Sätzen selbst auf die Finger klopfen, weil ich es schon wieder getan habe. Statt meinen ersten Gedanken aufzuschreiben, habe ich noch weiter überlegt und schon waren zwei weitere Minuten vergangen, in denen ich bereits einen Absatz weiter hätte sein können. Danach ging es besser, aber ich werde mich wohl immer wieder selbst zur Ordnung rufen müssen ... Immerhin war ich so tatsächlich schneller. Außerdem verfolge ich eh (offiziell) die Devise:

Der erste Gedanke ist der beste.

Versucht also einfach mal, ohne groß nachzudenken drauf los zu schreiben. Dafür wäre es natürlich hilfreich, wenn ihr schon ungefähr wisst, was in dem Kapitel passieren soll/könnte. Deswegen schreibe ich seit neustem kurze Information zum nächsten Kapitel auf, um beim Schreiben nicht erst über die Handlung nachdenken zu müssen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 05, 2016 ⏰

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