Vollkommen von der Situation überfordert sah ich Nicolas an. Lange musste ich ihn jedoch nicht mit Blicken durchlöchern, da er eine einfache Handbewegung Richtung Sarg machte. Vorsichtig näherte ich mich ihm. Mein Herz schlug immer schneller. Vor der hölzernen Kiste angekommen, betrachtete ich sie. Verziehrungen besaß der Sarg nicht, doch man konnte bei genauerem hinsehen, einen Namen erkennen. Er war blass und schwer zu lesen, doch dank meiner Vampiraugen konnte ich jeden Buchstaben genau deuten.
,,Elisabeth", las ich laut vor und wunderte mich, wer diese anscheinend wichtige Person wohl war. Fragend sah ich zu Nicolas, der leise seufzte und irgendeine Beleidigung vor sich hin murmelte, ehe er zu dem Gemälde hintrat und den Vorhang des Gemäldes wegzog.
Meine Augen weiteten sich. Auf dem Gemälde befanden sich zwei Personen. Eine Frau mit schwarzem wunderschönem Haar und ein Mann, der mein Vater in jungen Jahren darstellen sollte. Bei dem Anblick der beiden erinnerte ich mich an die Frau, die mir in meinem Geiste erschienen war. Es waren ein und die selbe Person. ,,Ist das meine Mutter?", fragte ich und staunte noch immer wie glücklich die beiden damals ohne mich ausgesehen haben.
,,Ja, ihr Name war Elisabeth und dies ist ihre Gedenkstätte!", erwiderte Nicolas und wandte sich vom Gemälde ab, um sich dem Sarg zu widmen. Er schob den Deckel beiseite, sodass man einen Blick ins Innere erhaschen konnte. Zuerst wollte ich ihm für diese Tat meine Faust ins Gesicht schlagen, doch als ich ins Innere blickte, kamen mir die Tränen hoch. Im Sarg lagen keine Knochen oder etwas dergleichen. Eine Frau -meine Mutter- lag darin In Form eines Geistes. Ihre Augen waren geschlossen, als würde sie schlafen und ihr makelloses Aussehen hatte nicht an Glanz verloren.Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihr aus, dachte es wäre wie in meinem Traum, in der ich sie berühren konnte. Leider lag ich da falsch. Meine Hand strich durch ihren jungen Körper hindurch. Also war sie wirklich ein Geist. Die Hoffnung, dass sie doch noch am Leben sein konnte, verblasste, bis sie endgültig verschwand. Meine Mutter war Tod und würde nicht zu mir zurückkehren. Auch wenn sie ein Geist war, war sie nicht lebendig.
,,Hat sie sich jemals bewegt?", fragte ich und bekam ein Kopfschütteln als Antwort. ,,Und wie ist sie in diesen Zustand gekommen?", fragte ich und sah Nicolas mit Tränen in den Augen an. ,,Sie ist einen Tag nach deiner Geburt gestorben. Lag wohl am Streit und der physischen Belastung. Genaues weiß ich auch nicht. Mein Meister -also dein Vater- redet nicht viel über sie. Niemand weiß, wie sie zu einem Geist werden konnte!", sagte Nicolas. Das er zum ersten Mal richtig mit mir geredet hat, ohne anfällige Gestiken zu machen, verwunderte mich zwar, rückte jedoch in den Hintergrund.
Durch den Tränenschleier betrachtete ich meine Mutter. Ich fühlte mich in ihrer Nähe so wohl. Ganz anders, als bei meinem Vater. Nicolas schien ein Einfühlungsvermögen zu besitzen, da er mich mit ihr alleine ließ. Ich kniete mich neben den Sarg und redete einfach mit meiner Mutter, als wäre sie noch in der Lage mir zu antworten. Nachdem ich mir alle Sorgen von der Seele geredet hatte, erhob ich mich und verließ das Zimmer. Ich wollte nicht mehr zurückkehren, dazu hatte ich mich entschieden. Meine Mutter war tot und würde es auch bleiben.
Entschlossen lief ich zu Nicolas, der draußen an der Wand auf mich wartete. Ohne ein Wort zu sagen, führte er mich zurück zu meinem Vater. ,,Okay, ich weiß jetzt was mit Mum passiert ist, aber das erklärt noch nicht, was mit meinem Körper los ist!", sagte ich so ernst ich konnte, um mir meine Trauer nicht anmerken zu lassen. Mein Vater seufzte genervt und strich sich seine schon leicht graugefärbten Haare aus dem Gesicht. ,,Soll ich es ihm erklären?", fragte Nicolas, wobei ihm dies ebenfalls nicht viel zu gefallen schien. Mein Vater nickte und Nicolas kam direkt auf mich zu. Das erste an was ich dachte, war der Kuss, weshalb ich sofort einige Schritte zurückweichte. Nicolas jedoch knurrte daraufhin genervt:,, Bleib schon stehen, du Bengel. Ich werde es nicht wieder tun. Nie wieder um genau zu sein. Also vergessen wir es einfach!" ,,Wieso sollte ich deinen Worten trauen? Vielleicht hast du den Kuss davor auch nur getan, weil du es wolltest, nicht um mir zu helfen?!", sagte ich aufgebracht. ,,Er sagt die Wahrheit, ohne seinen Kuss hättest du sie nicht sehen können. Niemand kann Geister oder die Seelen der Toten sehen ohne Nicolas Erlaubnis. Hätte er jene dir nicht gegeben, so hättest du sie nie erkennen können!", wandte mein Vater ein. ,,Aber wieso ein Kuss?!!", schrie ich, worauf ich auch sogleich eine wütende Antwort von dem Handlanger meines Vaters bekam:,, Ich kann auch nichts dafür!!! So ist es halt, also vergesse es endlich. Das ist für alle Beteiligten besser!"
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Bisse voller Leidenschaft
FantasyIch dachte ich hätte ein ganz normales Leben. Das es so kalt und emotionslos sein würde, wie ich es nicht anders gewohnt war. Doch dann kamen jene Gestalten, die mir die Augen geöffnet haben. Die mich gedemütigt und erniedrigt haben. Die meine Gefüh...