Kapitel XXX

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"Ne-Nein", stammelt Elizabeth ängstlich, während sie immer noch auf dem Boden liegt. Ihr ist die nackte Panik fast schon ins Gesicht geschrieben. "Ihr kommt mit", brummt einer der beiden Männer. Er beugt sich nach vorn, streckt seine gewaltigen Hände in Richtung Boden und packt das Mädchen am Handgelenk. Sie schreit - mit einer Mischung aus Angst und Schmerz. Eric steht wie angewurzelt am oberen Ende der Treppe und macht... nichts. Er starrt die beiden Kerle nur überrascht an. Selbst ich kann spüren,  dass von den beiden Gefahr ausgeht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie ihr wirklich nichts tun werden. Verdammt, ich kann doch hier nicht einfach nur rum stehen und zusehen. Gerade, als ich in Richtung Tür rennen will, hält er mich zurück. "Denk besser nicht einmal dran", murmelt er, "du hast nicht den Hauch einer Chance gegen die Beiden. Also lass es lieber." Er schaut mich wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz an. Pah! Ich schlage seine Hand von meiner Schulter und stürme nach vorn, so kann man doch nicht mit einem Mädchen umgehen. Als ich Elizabeth erreiche, und gerade irgendwie zu einem Schlag ansetzen will, stoppt mich ein schneller Schlag in die Magengrube. Ich ächze und sacke zusammen. Kurzschlusshandlungen sind selten gute Ideen! "Widerstand wird nicht geduldet", knurrt der rechte Mann, wie ein Hund. Sie schauen sich gegenseitig an: "Zielobjekte sollen nicht verletzt werden", sagt einer der beiden mit einer beunruhigenden Kälte in der Stimme. "Nur zurück gebracht werden", ergänzt der andere. Das sollen also Geri und Freki sein? Wachhunde ist da noch untertrieben. Ich stemme mich wieder auf die Beine, was nur mit "Mitkommen. Jetzt." kommentiert wird. Sie mögen zwar stark sein, sind aber nicht schlauer, als ein halbes Toastbrot, was gerade zu schimmeln anfängt. Sie richten uns unfreundlich auf und zerren uns aus dem Haus. Weder Eric noch jemand anderes unternimmt etwas - und ich kann es ihnen nicht mal verübeln. Vielleicht hätte ich mich auch besser nicht mit diesen beiden Monstern angelegt. Sie verlassen mit uns das Grundstück. Elizabeth läuft neben mir und schaut traurig zu Boden, sie scheint schon jede Hoffnung aufgegeben zu haben. Sie flüstert immer wieder Sätze wie 'Das war's' oder 'Jetzt ist alles vorbei' zu sich selbst. Einer der Hünen läuft vor uns, der andere hinter uns. Ich kann echt nicht sagen, welcher welcher ist, sie sehen beide gleich bösartig aus. Ich suche nach irgendeiner Möglichkeit zur Flucht. Aber jedes Szenario endet damit, dass ich blutend am Boden liege, und das scheint mir nicht sehr erstrebenswert. Selbst wenn sie uns nicht gefesselt haben, könnten sie jeden Fluchtversuch wohl leicht verhindern. Ich sehe rüber zu Elizabeth, und ich meine, eine Träne über ihr Gesicht laufen zu sehen. Ich seufze deprimiert - es bringt alles nichts, wir sollten uns wohl einfach damit abfinden. "Hey, Elizabeth", ich versuche irgendwie aufmunternd zu klingen, "so schlimm wird es nicht werden. Dir passiert sicher nichts." Ich versuche sie mit einem Lächeln irgendwie aufzubauen, aber Fehlanzeige. Sie ignoriert mich einfach und schaut weiter deprimiert zu Boden.
"Wo wollen wir denn überhaupt hin?", frage ich missmutig die Gestalten. "Zurück", brummt der eine, "Hölle", der andere. Oh man, sonderlich gesprächig sind die beiden aber nicht, habe ich so das Gefühl.
Ich werde wohl nicht gerade freundlich empfangen, wenn raus kommt, dass ich mich gegen diese beiden Steine auf Beinen gewehrt habe. Vielleicht kann ich mich da ja irgendwie rausreden? Nein, dass kann ich Elizabeth nicht antun! Was mache ich hier nur? Ich setze meinen Job wegen einem Mädchen aufs Spiel, was Freude daran hat, mich zu quälen, schon wieder! Aber es fühlt sich nicht mal wirklich falsch an - im Gegenteil. Ich schaue traurig zum trüben Himmel hinauf. Was soll ich nur tun?
Naja, dass hat ja alles eh keine Bedeutung gerade. Schließlich zerren uns Dumm und Dümmer gerade in einen Wald. Der Umstand, dass sie wohl alles tun würden, um ihren Auftrag zu erfüllen, macht die ganze Situation nicht besser - kein Stück. Wie kann man nur so blind gehorchen? So etwas würde ich nie machen!
Schon seit einer ganzen Weile laufen wir durch diesen Wald. Und irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl. Er wirkt wie ausgestorben. Ich höre keine Vögel, und auch sonst herrscht eine Totenstille. Es ist keine normale Stille, die einfach nur eine Abwesenheit von Tönen darstellt. Diese Stille scheint die Existenz jeglicher Geräusche zu leugnen. Selbst die Geräusche der Schritte verhallt ungehört im Unterholz. Die ganze Atmosphäre jagt mir einen Schauer über den Rücken. Für den Bruchteil einer Sekunde meine ich etwas wahrzunehmen, was sich wie das Seufzen der Realität anhört. Es wirkt, als wäre etwas auf diese Welt gekommen, was jeglichen Naturgesetzen widerspricht. Ich schaue ängstlich erst zu Elizabeth und dann zu den beiden Riesen - niemand scheint irgendwas bemerkt zu haben. War das alles bloße Einbildung? Ich hoffe es.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir auf eine Lichtung. Sie wirkt nicht natürlich. Die gesamte Atmosphäre ändert sich auf einen Schlag. Hier scheint die Luft zu knistern. Ich meine Funken zu spüren, die über meine Haut zischen. Jedoch traue ich mittlerweile keinen meiner Sinne mehr über den Weg. Ich sehe zu Elizabeth rüber, merkt sie denn gar nichts? Sie wirkt abwesend, fast schon apathisch. Ihre Hose ist an mehreren Stellen aufgerissen und ihre Beine sind mit Kratzern von den rumliegenden Ästen übersät. Aber weder das, noch die Atmosphäre scheinen etwas an ihrer Stimmung zu ändern. Ich erwarte, dass die ganze Zeit irgendetwas passiert, aber Geri und Freki gehen mit uns einfach nur in die Mitte der Lichtung und sagen dann: "hier stehen bleiben, nicht bewegen." Sie bewegen sich einige Schritte von uns weg, drehen sich wieder zu uns um und murmeln einige Worte, die ich noch nie in meinem Leben gehört habe. Da ich diese Welt wohl nie wieder sehen werde, sehe ich mich noch ein letztes Mal um: der graue Himmel, die dünne Schneeschicht auf den grünen Tannenbäumen, der Hirsch am Waldrand, der uns neugierig zu schaut, die beiden Pfeile aus Licht, die auf Geri und Freki zu fliegen - warte was? Noch bevor ich realisiere, was gerade passiert ist, fallen die beiden Männer um und rühren sich nicht mehr. Ich schaue mich panisch um und versuche rauszufinden, woher der Angriff kam. Aber bevor ich etwas entdecke, höre ich ein Lachen, was ich gehofft habe, nie wieder zu hören. Es lässt mein Blut in den Adern gefrieren.

Im Auftrag des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt