Kapitel XXVIII

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"M-Mao?", frage ich noch mal verwundert, nachdem wir uns alle im Wohnzimmer gesammelt haben, und etwas Ruhe eingekehrt ist. Ich bin echt überrascht, dass er sich mal meldet! Seit ich hier angekommen bin, hat er es ja nicht für nötig gehalten, sich auch nur ein einziges Mal zu melden. Ein bisschen Hilfe wäre schon nett gewesen. Ich hoffe, er hat wenigstens eine halbwegs gute Ausrede. Wenn er mit irgendeinem Schwachsinn, wie 'Gott hat dafür gesorgt, dass ich mich nicht melden konnte' ankommt, werde wohl einige Leute von den Fotos erfahren, die mir Azarel mal gezeigt hat. Mao als Kind - in einem pinken Kleid!
Eric nickt nur verschlafen. Er scheint wohl wirklich nur sehr wenig Schlaf wegen mir gehabt zu haben. Seine Augenringe sprechen Bände.
Ich frage in die Runde, was er überhaupt wollte - alle Blicke richten sich auf Eric, der gerade hoch schreckt und ein sehr verwirrtes "Hä, was? Ich bin wach" von sich gibt. Ich seufze leicht und schaue zu meiner linken Schulter: Elizabeth ist auch schon längst eingeschlafen und missbraucht meine Schulter als Kissen. Auch wenn sie sich nichts hat anmerken lassen, sie war echt fertig. Ich schüttele leicht den Kopf. "Wir verschieben das wohl besser auf morgen früh, so wichtig wird es ja nicht gewesen sein."
"Und wo soll sie schlafen?", fragt Kate leise und deutet dabei auf das leise atmende Mädchen an meiner Schulter. Ich gebe Kate zu verstehen, dass sie bei mir schlafen kann, ich begnüge mich mit der Couch. Meine Ansage entlockt Kate ein verschmitztes Lächeln. Ich werde sofort rot und setze gerade zu einem 'Es ist nicht so, wie du denkst' an, als sie aufsteht, mir an die Schulter fasst und ein "keine Sorge, ich verstehe schon" zuflüstert. "Hey, Elizabeth?", versuche ich sie zu wecken. Ales, was ich bekomme, ist ein Schlag zwischen die Rippen. Ich ächze kurz auf - wenigstens nicht die Wunde. Verträumt schaut sie mich an und murmelt etwas, was ich nicht richtig verstehe, sich aber wie 'Mist, daneben' anhört. "Du bekommst mein Bett für die Nacht." Ich bekomme keine Antwort, aber sie richtet sich langsam auf und wankt in Richtung von Kate, die sie freundlich anlächelt. Zusammen gehen sie hoch. "Sie ist einfach ins Bett gefallen und schlief sofort wieder ein", sagt die freundliche junge Frau. "Vielen Dank", ich lächle sie müde an. "Aber was machen wir mit ihm?", ich deute auf Eric, der immer noch in seinem Sessel sitzt und schläft. Ob wir ihn vorsichtig aufwecken sollten? Oder lassen wir ihn lieber schlafen? Während ich noch grüble, was wohl die sanfteste Möglichkeit ist, lässt Kate eher Taten sprechen. Sie geht entschlossen zum Sessel, stellt sich vor ihn und schnippt ihm, sie würde es vermutlich als sanft bezeichnen, gegen die Stirn. Sie kann auch sehr kaltherzig sein, dass hätte ich ihr echt nicht zugetraut. Der eben noch ruhig schlafende Eric schreckt auf und schaut sich verwirrt um. Als er Kate vor sich stehen sieht, sie hat ein ziemlich breites Grinsen im Gesicht, flüstert er undeutlich einige Flüche, bis er ein müdes und eher unglückliches 'musste das schon wieder sein' von sich gibt. Sch-Schon wieder? Heißt das, dass sie das öfters macht? Ich glaube, ich hatte ein ganz falsches Bild von ihr!
Kate bezeichnet das als liebevolle Strenge, die jemand wie Eric bräuchte, und zerrt ihn dann aus dem Zimmer, aber nicht, ohne mir noch eine gute Nacht zu wünschen. Nachdem ich mit mir selber ausgemacht habe, es mir nie mit Kate zu verscherzen, schlafe ich auch recht zügig ein. Es ist die erste Nacht, die ich seit langem wieder ruhig schlafen kann, in der mich kein Albtraum quält.

Der nächste Morgen verläuft ebenfalls ruhig. Kate ist wie immer früh wach und bereitet das Frühstück vor, währen Jack und Eric 'liebevoll' von ihr aus dem Bett geschmissen werden. Elizabeth zu wecken, welche auch viel zu lang schläft, wird mir übertragen. Eric meinte, ich habe sie mitgebracht, dann soll ich sie auch wecken. Ich klopfe also leise an die Tür - nachdem ich keine Antwort erhalte, öffne ich sanft die Tür. Zu meiner Verwunderung schläft sie nicht mehr, sondern sitzt auf dem Bett und starrt aus dem Fenster. Ich öffne die Tür weiter und trete, ohne ein Geräusch zu machen, ein.
"Du willst mich zurück schleifen... zu meinem Vater, oder?", fragt sie mich, ohne ihren Blick von dem Fenster abzuwenden. Wie macht sie das nur? Ich war wirklich leise! Ich seufze leise.
"Ich-", eigentlich sollte die Antwort klar sein, aber mittlerweile verstehe ich sogar ein wenig, warum sie hier bleiben will. Eigentlich sollte es mir auch egal sein, was aus ihr wird. Aber als sie sich zu mir umdreht und mich mit diesem traurigen Blick anschaut, kann ich ihr nicht sagen, dass das nun Mal mein Auftrag ist... oder sein könnte. Ich beiße mir auf die Lippe und setze erneut zu einer Antwort an: "Ich werde erst mal mit Mao reden, vielleicht gibt es ja einen Weg, wie du nicht zurück musst." Ich lächle sie aufmunternd an und sie lächelt zurück, es ist ein ehrliches, hoffnungsvolles Lächeln. Bevor ich wieder rot werde, räuspere ich mich und drehe mich schnell wieder um. "Ach übrigens, es gibt Frühstück, du solltest auch was essen", dass es teilweise ungenießbar ist, behalte ich lieber für mich. Das wird sie schon noch früh genug bemerken.

Nach dem Frühstück, was Elizabeth ohne eine Miene zu verziehen gegessen hat, steht Eric, der nach seinem Kaffee endlich wieder ansprechbar ist, auf und meint, es wäre Zeit, Kontakt mit Mao herzustellen. Ich frage mich, wie das wohl möglich ist, sicher nicht mit einem normalen Telefon.
Während ich ihm hinterher laufe, bleibt Elizabeth einfach sitzen und schaut traurig zu Boden. Ich knie mich vor sie, lächle sie an und flüstere ihr "so schlimm wird es schon nicht" entgegen. Sie murmelt etwas, was sich wie 'du hast ja keine Ahnung' anhört. Ich ignoriere es einfach, packe sie an der Hand und schleife sie hinter mir her, was ihr wohl nicht gefällt. "Was fällt dir ein, mich einfach so hinter dir her zu ziehen", brüllt sie mir entgegen. Aber ich grinse sie nur an. Sie wird ein wenig rot, schaut schnell zur Seite und zischt: "Ich komme ja schon. Jetzt lass meine Hand los - Bitte."
"Kommt ihr jetzt endlich, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", ruft Eric von oben. Er steht im Badezimmer und wartet auf uns. Was will er denn dort, ich dachte, wir wollten Mao kontaktieren? Ich schaue ihn fragend an, was er nur mit einem abfälligen Blick kommentiert. "Du hast so etwas noch nie gemacht, oder?" Ich schüttle den Kopf. Wann denn auch?

Im Auftrag des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt