Kapitel XXXI

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Und ich höre ein Lachen, was direkt, ohne den Umweg über die Ohren zu nehmen, in meinem Kopf widerhalt. Es lässt mich direkt erschaudern - und die Person, die ich nun zu Gesicht bekomme, sorgt dafür, dass meine Seite wieder schmerzt. Ich verziehe mein Gesicht zu einer Grimase, was auch Elizabeth mitbekommt. Sie versucht immer noch herauszufinden, warum Geri und Freki am Boden liegen und sich nicht rühren. Sie scheint gar nichts zu verstehen, kein Wunder, sie hat mit dieser Bestie auch noch keine wirkliche Bekanntschaft gemacht.
"Die kenne ich doch", murmelt das Mädchen hinter mir, als sie die blonde Gestalt auf der anderen Seite der Lichtung sieht. "Na klar, der Schulball", entfährt es ihr mit einem Mal, "ich hatte von Anfang an ein mieses Gefühl bei ihr!". Sera grinst mit einer Mischung aus Selbstgewissheit und einer gehörigen Portion Wahnsinn. Ich weiche einige Schritte zurück. Ich weiß, was sie tut, wozu sie fähig ist. "Ey du blondes Flitchen", brüllt Elizabeth, als sie an mir vorbei stürmt. Hat sie etwa vor, den Engel anzugreifen? Ich will sie aufhalten, aber ich kann mich in diesem Moment nicht bewegen, meine Knie fühlen sich an, wie Wackelpudding. Plötzlich fliegt wieder ein leuchtender Pfeil über die Wiese, direkt auf Elizabeth zu.
Zum Glück verfehlt er sein Ziel knapp und schlägt am Waldrand in einen Baum ein. Sie stolpert einige Schritte zurück und fällt dann rückwärts zu Boden, etwas Blut fließt an ihrem Arm hinab. "W-was war das?", stammelt sie ungläubig. Sie sinkt in sich zusammen.
"Michael du blöder Vollidiot", brüllt Sera in den Himmel, als sie einige Schritte auf uns zu kommt. "Das ist meine Beute, hörst du? Also mische dich gefälligst nicht in meine Angelegenheiten ein!" Hinter ihr erscheint ein freundlich schauender, älterer Mann, den ich bereits kenne. Es ist der Michael, mit dem ich schon Bekanntschaft machen musste, als ich Sera das letzte Mal gegenüber stand. Er legt seine Hand auf die Schulter des Mädchens.
"Fass mich nicht an", zischt sie ihm nur entgegen. "Ich hätte wohl nicht die Engel mitbringen sollen, was?", fragt er ironisch.
Was? Die Engel? Heißt das, es sind wieder alle hier? Genau in diesem Zeitpunkt erscheinen hinter Sera und Michael die anderen Engel. Ich habe gerade ein ganz schlimmes Deja vue. "Wenn der Alte fragt", knurrt sie den Mann an, "habe ich das alleine hinbekommen, klar?" Michael schaut überrascht, entscheidet sich dann aber zu nicken und eine ausladende Geste zu machen, die zeigen soll, dass Sera den Vortritt hat. Sie rollt genervt mit ihren Augen und widmet sich dann wieder uns.
"Marax, ich kann nicht fassen, dass du mich belogen hast, du kennst unser Zielobjekt ja doch?", sagt sie mit der Freundlichkeit einer Schlange, die einem gerade einen Apfel eines gewissen Baumes anbietet.
Ich blicke runter zu Elizabeth, die zitternd auf dem Boden hockt. Also suchen sie auch nach ihr? Warum wollen sie sie haben? "Ein bisschen Blut und schon ist die sonst so taffe Dämonenprinzessin ruhig? Ich muss gleich kotzen!" Sera kommt immer näher auf uns zu. Ich stürme noch vorn und stelle mich vor Elizabeth. "I-Ihr bekommt sie nicht, dass könnt ihr vergessen", brülle ich verzweifelt. Ich stelle mich schützend vor das Häufchen Elend, was von ihr übrig geblieben ist. Sera bleibt stehen und schaut mich verwundert an, "Ach, du spielst immer noch den Helden, Marax? Wie kann man nur so blöd sein, Helden leben nie lange." Mit den letzten Worten versieht sich ihr Gesicht wieder zu einem wahnsinnigen Grinsen. "Michael?", sie dreht ihren Kopf leicht nach hinten, "darf ich ihn dieses Mal umbringen, bitte?" Michael seufzt geduldig: "Nein darfst du nicht, wir dürfen noch keinen Krieg provozieren!" Noch während ich über die Bedeutung des Wortes 'noch' in diesem Zusammenhang nachdenke, rennt, oder viel mehr fliegt, Sera an mir vorbei und packt Elizabeth an den Haaren. "Na Prinzesschen? Du hättest dich nie aus dem Schutz er Hölle entfernen dürfen!" Nein, dass darf nicht passieren, nicht ihr! Ich muss etwas unternehmen, irgendwas. "L-Lass sie in Ruhe! Verschwindet!", brülle ich im Zorn. Ich spühre, wie sich plötzlich ein unglaublicher Druck in meinem Kopf aufbaut, bis er plötzlich nach außen zu verschwinden scheint. Ich drehe mich zu den beiden Mädchen. Der Schreck ist Sera ins Gesicht geschrieben und sie geht schwer atmend in die Knie. Hinter mir höre ich auch, wie die Menschen, oder besser Engel, einer nach dem anderen umkippen, bis nur noch die Wenigsten aufrecht stehen. Auch ich sinke langsam auf die Knie und atme schwer. Michael sieht nicht nur überrascht aus, seine Miene verrät auch Verwunderung und zu meinem Misstrauen auch ein gewissen Grad an Neugierde. Ich verstehe nicht ganz, was gerade passiert ist. War... ich das? Panisch schaut Sera zu Michael. Ihr Blick sagt so viel aus wie 'was sollen wir jetzt tun, verdammt?' Michael tut nichts, er starrt mich einfach nur an. "Ich wusste nicht, dass es immer noch jemanden aus dieser Familie gibt", murmelt er geistesabwesend und scheint Sera dabei völlig zu ignorieren. "Nun tu schon etwas, Michael!", brüllt sie hinter mir mit einer gehörigen Portion Wut in ihren Worten. Nachdem der ältere Mann sich immer noch nicht rührt. "Alles muss man hier allein erledigen", im Gegensatz zu mir, kommt sie recht schnell wieder auf die Beine und lässt zum Glück endlich von Elizabeth ab.
"Er darf das nicht überleben! Er ist gefährlich." Flüstert sie wahnsinnig, als hätte sie auch noch den Rest ihres Verstands verloren. Langsam kommt sie auf mich zu. In ihrer Hand bildet sich ein Schwert aus Licht. Ich kann mich nicht bewegen. Egal wie sehr ich es auch versuche, ich komme nicht hoch. Verdammt, genau jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt, um zu verschwinden. War es das jetzt für mich? Für uns? "Ich... muss meinen Auftrag ausführen... oder..." sie bricht ihren Satz ab, als sie direkt vor mir steht - und holt mit der Klinge aus. Ich schließe ängstlich meine Augen.
"Ich fürchte, dass kann ich nicht zulassen", höre ich eine ruhige Stimme sagen, dir mir sehr vertraut ist. Ich öffne leicht die Augen und sehe etwas, mit dem ich hier nun gar nicht gerechnet hätte.
Die Sonne steht tief, weswegen ich deutlich meinen Schatten vor mir erkenne. Wer hätte gedacht, dass mir genau das mein Leben rettet? Carreau steht vor mir. Er scheint genau im richtigen Moment aufgetaucht zu sein. Ich falle schokiert nach hinten und traue meinen Augen nicht: er hält das Schwert mit seiner bloßen Hand auf. Es zerbricht und löst sich kurze Zeit später auf. "Lass meinen Bruder in Ruhe", sagt er zwar ruhig, trotzdem hört man einen aggressiven Unterton mitschwingen. Sera taumelt einige Schritte nach hinten, bis sie mit dem Rücken gegen Michael prallt. Sie schaut ihn flehend an. Ihr Blick sagt alles: "Hilf mir bitte." Als er aber nur den Kopf schüttelt, scheint ihr letzter Kontakt zur Realität auch abzureißen. "Der Herrführer der Unterwelt, na und? Ich bin ein Engel im Auftrag Gottes, nichts und niemand kann mich aufhalten, nicht mal so ein kleiner, unwichtiger Dämo-" Ein kräftiger Hieb in ihre Seite unterbricht ihre Allmachtsfantasien. Das erstaunliche: er stammt von Michael! Sera sinkt ohnmächtig zu Boden.
"Es reicht! Du beschmutzt den Namen unseres Herren", sagt er mit einer erstaunlichen Kälte in seiner Stimme. "Ich muss mich wirklich für ihr Verhalten entschuldigen. Sie wird ihre gerechte Straffe erhalten." Er schaut zu mir "Wirklich gut gespielt, junger Dämon. Wir haben dich wohl doch unterschätzt. Dieser Kampf geht zweifelsohne an dich." Er schaut kurz zu dem bewusstlosen Mädchen zu seinen Füssen und dann wieder zu mir: "Macht korrumpiert. Ich hoffe, dir ergeht es nicht genauso, wie deinem Großvater." Mit diesen Worten legt er sich Sera über die Schulter und verschwindet mit den Engeln hinter ihm. Er lässt mich ziemlich verwirrt zurück: woher kennt er meinen Großvater?

Im Auftrag des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt