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JOSH
Ich stehe im Badezimmer vor dem großen Spiegel und betrachte mich selbst, als wäre ich ein Fremder. Ich habe keine Ahnung wie spät es ist, ob Tyler schon wach ist und warum ich nicht aufhören kann an letzte Nacht zu denken.
Tyler ging es schlecht, du bist ein guter Freund gewesen mehr nicht, sagt die Stimme in meinem Kopf, die mich gestern vom gehen abgehalten hat. Doch die andere Stimme die, die ganz klar gegen das Gefühlschaos in mir ist, macht mir Vorwürfe, dass ich hätte gehen sollen.
Mein Handy leuchtet auf. "In 45 Minuten unten beim Wagen. Weck Tyler. -Linda" Eigentlich müsste ich sofort aufspringen und meine Sachen packen, Tyler wecken und mich auf den Weg machen, allerdings bleibe ich einfach vor dem Spiegel stehen. Ich habe kein T-shirt an und da ich im Bad auf Tylers Seite stehe, muss ich erst an seinem Schlafzimmer vorbei, um mir ein T-shirt anzuziehen. Ich weiß es sollte mich nicht stören, dass Tyler mich einmal mehr halb nackt sieht, wie es inzwischen fast die halbe Menschheit getan hat, aber bei dem Gedanken Tyler so zu begegnen wird der Knoten in meinem Bauch noch größer. Mir wird erst klar, wie albern ich mich aufführe, als Tyler von außen an die Badezimmertür hämmert,"Josh, werd fertig. Ich muss auch." Ich öffne die Tür und sehe in ein völlig entspanntes Gesicht. Ich weiß nicht was mich mehr verwundert, dass er so entspannt ist obwohl er gestern noch wegen Jenna geweint hat oder dass er so entspannt ist, obwohl er gestern in meinen Armen eingeschlafen ist. Aber es scheint ihn nicht zu beschäftigen. Tyler schiebt sich an mir vorbei in Richtung dusche und berührt, dabei mit seiner Brust meine. Ich zucke zusammen, denn die Berührung hinterlässt ein eigenartiges Kribbeln auf meiner Haut.
"Alles okay?" Tyler sieht mich mit zusammgekniffenen Augen an. Und ich hätte schwören können, dass er länger als gewöhnt meinen Oberkörper ansieht, gleichzeitig frage ich mich seit wann mich so etwas interessiert. "A-Alles gut." Ich schnappe mein Handy und verschwinde so schnell wie möglich um die Ecke, damit Tyler nichts mehr sagen kann.

TYLER
Ich weiß, dass Josh denkt nur er könne sich an letzte Nacht erinnern. Was natürlich nicht stimmt, denn ich habe mich an keinem Tag unserer Freundschaft auf diese Weise so zu ihm hingezogen gefühlt, aber ich weiß, dass ich hetero bin. Ich steh auf Frauen. Ich steh auf Jenna. Das gestern War einfach ungewohnt, wann kommt man seinem besten Freund schon mal so nah. Und ich liebe Josh doch auch aber nur rein freundschaftlich. Aber was wenn er von mir denkt es hätte mir mehr bedeutet, könnte das der Grund dafür sein, weshalb Josh sich geradeben so merkwürdig verhalten hat?
Eine Weile denke ich darüber nach, ob das sein könnte, dann drehe ich das Wasser auf. Ich habe das Gefühl zusammen mit dem Schmutz würden auch die schlechten Gedanken verschwinden.
Als ich fertig mit duschen bin, ziehe ich mich an, packe meine Sachen und bin sogar noch vor Josh in der Lobby.

Ich unterhalte mich mit dem Rest der Crew und sehe Josh nur im Augenwinkel an mir vorbei laufen. Er läuft geradezu auf Linda zu und lacht meiner Meinung nach auffällig viel mit ihr. Mich sieht er nur ein paar mal an und im Flieger guckt er auch kaum zu mir herüber.
Spätestens an unserer Verachschiedung haben nun auch die anderen mitbekommen, dass etwas zwischen uns vorgefallen ist, denn Josh hat praktisch eine Barierre mit Hilfe seiner Koffer um sich herum gebaut und hält mir zum abschied nur seine Faust hin. "Wir sehen uns Thanksgiving", er lächelt. "Klar. Grüß deine Familie von mir ja?" Ich schlage mit meiner Faust gegen seine. "Klar." Josh hebt seine Koffer auf und geht in Richtung Ausgang, wo er auf sein Taxi wartet. Nachdem ich mich von allen anderen verabschiedet habe, laufe ich zur Bahnhaltestelle.
Mit der selben Sekunde, in der ich die Bahn betrete kommen auch die grausamen Gefühle wegen Jenna zurück, was mich überraschender Weise allerdings zum lächeln bringt.

Nobody Thinks What I Think  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt