XI

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JOSH
Als ich die Haustür langsam hinter mir schließe, ist es bereits nach 00:00. Ich bin extra ein bisschen langsamer gefahren, als sonst.
Aber wie sich jetzt herausstellt völlig umsonst, denn in Tylers Zimmer ist immer noch das Licht an. Ich schmeiße meine Jacke auf das Sofa und werfe einen schnellen Blick in den Spiegel an der Flurwand. Ich ziehe meinen Kragen zu recht und versuche so normal wie möglich zu lächeln, dann klopfe ich vorsichtig an Tylers Tür und warte herzklopfend auf eine Antwort.
"Ja?" Kommt es aus seinem Zimmer. Ich stecke meinen Kopf durch die Tür und bemerke bereits auf den ersten Blick, dass es Tyler nicht gut geht. Auf seiner Stirn haben sich Schweißperlen gebildet und seine Haut ist ganz blas.
Ohne etwas zu sagen gehe ich zurück in die Küche, um ihm einen Tee zu kochen.
Zusammen mit dem Tee und einer Schmerztablette gehe ich zurück zu Tyler, der sich inzwischen mit dem Kopf unter dem Kissen vergraben hat.
Ich tippe ihn auf die nackte Schulter.
"Ich hab wahrscheinlich nur was falsches gegessen.", sagt er mit zittriger Stimme als er den Tee entgegen nimmt.
"Zu viel Kuchen." Ich grinse.
"Wenn es gar nicht geht, hier liegt eine Tablette." Dann verlasse ich das Zimmer und gehe ins Bad um mich zu duschen, denn das hat sich wirklich nötig angefühlt.

Als ich das Badezimmer wieder verlasse, ist das Licht immer noch nicht aus, allerdings kann ich mich nicht überwinden nach Tyler zu schauen. Ich mache mir noch eine Dosensuppe und checke meine Mails.
Erst als ich in meinem Bett liege und höre, wie Tyler ins Bad stürmt und sich übergibt, stehe ich auf, um nach ihm zu gucken.

Er Kniet über der Toilettenschüssel und kotzt. Er scheint gar nicht mehr aufzuhören. Sein ganzer Körper schüttelt sich und erst, als ich meine Hand auf seine Schulter lege beruhigt er sich langsam.

Tyler
Als ich merke, dass Josh hinter mir steht, versuche ich die Übelkeit zu ignorieren, denn ich möchte nicht dass er mich so sieht. In den letzten Wochen musste Josh sich so oft um mich kümmern, er muss denken ich würde dass alles tun, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ging ihm bestimmt richtig gut, als er nach Hause gekommen ist. Wegen Linda. Und jetzt zieh ich seine Stimmung wieder runter.
Ich lasse mich neben die Toilette fallen. Jeder Atemzug schmerzt und meine Beine zittern so sehr, dass ich nicht aufstehen kann. Es geht mir grotten schlecht. Was anscheinend auch nicht zu übersehen ist, denn Josh kommt ohne etwas zu sagen auf mich zu und hebt mich mit einem Ruck hoch. Ich fühle mich total klein, anderseits bewundere ich mit welcher Leichtigkeit Josh mich vom Badezimmer zurück ins Bett trägt.
Er stellt mir ein Eimer neben das Bett und reicht mir einen kalten Lappen. Er geht aber nicht, er schließt sein Handy an die Musikanlage an und macht leise Musik an. Es ist eine unveröffentlichte Version von Implicit Demand For Proof, die 90 Minuten geht und Josh jedes mal abspielt, wenn einer von uns krank ist.
Dann setzt er sich neben den Sessel an mein Bett und schließt die Augen.
"Du kannst zurück in dein Bett gehen. Mir geht es gut." Lüge ich weil ich nicht mit ansehen kann wie er seine langen Beine auf den Sessel quetscht.
"Ist schon gut. Ich muss auf dich aufpassen." Sagt Josh ohne seine Augen zu öffnen.
Gut so, denn sonst hätte er erschreckend festgestellt, dass ich ihn wie ein verliebtes schulmädchen anstarre. Ich bin so unfassbar froh, dass er mein Freund ist.
So verbringen wir die ganze Nacht. Ich hustend im Bett und Josh neben mir immer wieder vom Sessel rutschend.

Ich wache immer wieder auf, weil ich mir einbilde nach dem Eimer greifen zu müssen und weil ich nicht aufhören kann Josh beim Schlafen zu beobachten. Er hat sich auf seinen Arm gestützt und den Mund leicht geöffnet.
Am liebsten würde ich ihn wecken und ihn überreden sich neben mich in mein Bett zu legen. Natürlich nur damit er morgen keinen Krampf im Nacken hat. Natürlich nur deshalb.

Nobody Thinks What I Think  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt