XV

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Josh
Schweigend trottet Tyler mir hinter her. Es ist das erste mal seit langem, dass schweigen mir schwerer fällt, als sprechen. Am liebsten würde ich das schweigen brechen und Tyler fragen warum er mich so verwirrt, warum er sich so benimmt und was aus uns werden soll. Ich bin aufgeregt, weil ich nicht einschätzen kann was die Zukunft bringt, aber gleichzeitig bin ich traurig, dass unsere Freundschaft so knapp vor dem Aus steht. Ich hätte niemals erwartet, dass sich diese Freundschafts-Routine irgendwann mal ändern könnte.

Ich öffne die Tür zum Bäcker und halte sie für Tyler offen. Er stellt sich mit gesenktem Kopf an die Theke und vergräbt seine Hände in den Taschen.
Ich kaufe die Milch, ein paar Brötchen für morgen früh und gebe dem Bäcker dann ein Haufen Trinkgeld. Hauptsächlich aber nur weil ich mit den Gedanken ganz wo anders bin.
Wir laufen den selben Weg ohne etwas zu sagen, er kommt mir mindestens doppelt so lang vor. Ich wünsche mir dass wir endlich da sind, damit dieses elende schweigen sein Ende findet, allerdings möchte ich Tyler auch nicht in dem Gewusel zu hause verlieren. Ich weiß wie schwer es sein wird, das hier wieder "in Ordnung" zu bringen.

Kurz bevor wir die Haustür erreichen, beginnt es zu schneien. Ich bleibe überrascht für eine Augenblick stehen und sehe zu Tyler der ebenfalls wie gebannt in den Himmel starrt. Ich lächle und lasse die kühlen Flocken langsam auf meiner Haut zergehen.
Noch ein letztes Mal atme ich die frische Luft ein, dann betrete ich das Haus und beobachte, wie der Schnee langsam auf der Fußmatte zu Wasser wird.
Erst als ich den Einkauf in der Küche verstaut habe und zurück in den Flur komme, betritt Tyler ebenfalls das Haus. Er hat extra draußen gewartet, damit er mir aus dem Weg gehen kann. Erstaunt sehe ich ihn an. Er schließt die Tür, zieht seine Jacke aus und sieht mich dabei kein einziges Mal an. So kann das doch nicht weitergehen. Wir sind Freunde, egal was passiert.
Mit dem Blick auf den Boden gerichtet, versucht er sich , ohne mich dabei zu berühren, an mir vorbei zu schieben.
Ärgerlich packe ich sein Handgelenk.
"Willst du das jetzt echt machen?" Ich sehe Tyler tief in die Augen um ihm zu versichern, dass ich damit nicht einverstanden bin.
"Was machen?" Fragt Tyler genauso verärgert und sieht abwertend auf meine Hand herab. "Na genau das. Wir müssen darüber reden und nicht uns ignorieren." Zische ich ohne seinen Arm los zu lassen. "Was gibt es da zu bereden?" Erwidert er verunsichert. Ehrlich gesagt kenne ich auch keine Antwort auf diese Frage, also lasse ich Tyler für einen kurzen Moment los. Sofort zieht er seinen Arm weg und läuft in Richtung Wohnzimmer. Erst jetzt wird mir klar, dass es nur eine einzige Lösung für unser Problem gibt und die hat nichts mit Reden zu tun.
"Tyler!" Rufe ich ihm hinterher.
Mein Herz schlägt gefühlt aus mir heraus, als Tyler tatsächlich kehrt macht. Jetzt steht er mir direkt gegenüber und sieht mich mit großen Augen an. Ich weiß nicht, ob er hofft, dass ich es tue oder ob er einfach nur verwirrt ist, aber ich weiß dass wenn ich noch länger darüber nachdenke, es niemals machen werde. Mit schlotternden Knien gehe ich auf ihn zu, greife nach seiner Hand und drücke ihn an die Wand. In Tylers Augen kann ich erkennen, wie überrascht er von mir ist, aber er macht keine Anstalten, sich aus meinem Griff befreien zu wollen. Ohne noch länger zu zögern, ohne noch eine weitere Sekunde mit hoffen zu vergeuden, presse ich meine Lippen auf seine. Zu erst sind Tylers Lippen fest aufeinander gepresst, aber nur wenige Sekunden später merke ich, wie seine Lippen sich langsam öffnen und er meinen Kuss erwidert. Ich kann nicht beschreiben, wie glücklich und frei ich mich in diesem Moment gefühlt habe oder wie lebendig und ich selbst ich war, aber ich kann beschreiben wie zart seine Lippen gewesen sind und wie sanft seine Zunge. Meine Haut hat nicht einfach nur geprickelt, nein, sie hat gebrannt. Als wollten alle Gefühle gleichzeitig aus mir heraus brechen.
Meine Finger zittern, während ich über Tylers Wange streiche und seine warme Haut spüre. Ich kann nicht glauben, dass das gerade wirklich geschieht. Es ist als wäre ich gefangen in einem nicht endeten Rausch aus Glück und Liebe.

Nobody Thinks What I Think  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt