Twentyeight
Evan
Seit einer Woche habe ich Cara und James alleine gesehen. Sei es auf dem Footballplatz oder auf dem Parkplatz. Sie waren immer ohne Amara unterwegs und es war ihnen ins Gesicht geschrieben, dass sie sich Sorgen um sie machen. Ich habe Amara auch nicht gesehen. Der Tag im Krankenhaus war das letzte Mal, wo ich sie gesehen habe.
Ich kann mir den Schmerz, den sie fühlt, nicht vorstellen.
Als sie aus dem Zimmer kam, der lange Piepton hinter ihr zu hören und der zuständige Arzt ins Zimmer geeilt, um ihn auszuschalten, war mir klar, dass es vorbei ist. Sie hatte rote Augen, aber so wie sie vor mir stand, hatte sie keine Tränen mehr in den Augen. Am liebsten hätte ich sie einfach in meine Arme gezogen und sie festgehalten, für sie da gewesen um sie zu trösten. Aber das wäre nicht angebracht gewesen.
Alicia begann zu weinen, als sie der Arzt wieder rauskam und uns die Nachricht überbracht hat. Travis kümmerte sich um Alicia, während er selbst gelitten hat. Amara stand nur da. Sie gab kein Mucks von sich und als ich meine Hand hochgehoben habe, hat sie ihre Hand bewegt und signalisierte mir, dass sie es nicht will.
"Mir geht's gut"
Sagte sie dann.
"Du brauchst mich nicht zu trösten"
Hörte ich sie leise sagen und ihre Augen trafen schließlich auf meine. Die Leere überspielte die Trauer und den Schmerz.
"Es geht mir gut"
Und dann hat sie sich umgedreht und hat das Krankenhaus verlassen. Ich bin ihr hinterher, aber sie verschwand in der Dunkelheit, bevor ich sie erreichen konnte.
Auf der Beerdigung, zwei Tage später, war sie nicht anwesend.
Und die Tage danach war sie nicht in der Schule. Sie hat sich völlig abgeschottet und hat sich hinter ihrer Mauer versteckt.
"Wie geht es ihr?" gemeinsam mit Mel stehe ich vor Amaras Haus.
"Dafür bist du hier. Du kannst dich in ihre Situation hineinversetzen" Mel nickt.
Mels Mum ist vor vier Jahren auch durch einen Autounfall gestorben, daher weiß sie, wie es ist, wenn man jemand wichtiges verliert und sich von der Außenwelt abschottet.
Mel
Ich kann Amara vollkommen verstehen. Ihre Mutter ist gestorben und dadurch fühlt man sich allein gelassen und verloren. Man will nicht den Schmerz zulassen, Angst, vor den Folgen.
Evan drückt auf die Klingel ihres Hauses und wir warten, bis ihr Vater die Tür aufmacht.
"Mr. Carter, ich heiße Mel und kenne Ihre Tochter Amara von der Schule. Ihr Verlust tut mir leid, ich kann mir vorstellen, wie Sie und Ihre Familie sich fühlen, deswegen bin ich hier. Meine Mutter starb vor vier Jahren und ich weiß wie sich Amara fühlt. Ich würde gerne mit ihr reden, wenn ich darf" mit Evan zusammen warten wir auf die Antwort von Mr. Carter ab.
"Kommt rein" er öffnet die Tür und zwingt sich zu einem Lächeln.
"Sie ist in ihrem Zimmer. Die erste Tür rechts wenn du die Treppen hoch gehst" ich bedanke mich und lasse die beiden unten, gehe langsam die Treppen hoch und bleibe vor der ersten Tür rechts stehen.
Ich klopfe leise und warte auf eine Antwort, bekomme aber keine.
Langsam öffne ich die Tür und das Zimmer ist durch das Licht von draußen erhellt. Hinter mir schließe ich die Tür und schaue mich um. Ihr Zimmer ist sauber. Wahrscheinlich hat sie – um sich abzulenken – ihr Zimmer mehrfach aufgeräumt. Das habe ich zumindest gemacht.
"Was machst du hier?" ich drehe mich zu ihrem Bett, aber finde sie nicht.
"Ich wollte mit dir reden" antworte ich und gehe langsam um ihr Bett herum, um sie sitzend auf dem Boden zu sehen.
"Worüber?"
"Hör auf damit Amara. Deine 'ich bin so hart' Maske bringt bei mir nichts" antworte ich und setze mich im Schneidersitz vor sie auf den Boden.
"Ich gratuliere dir Mel. Du hast meinen Plan durchschaut. Du kannst wieder gehen" das erste Mal sieht sie mich an und wendet ihren Blick schnell wieder ab.
"Nein"
"Geh" sie versucht ihre Stimme auf ruhiger Basis zu halten, aber ihr Gesichtsausdruck verrät etwas anderes.
"Nein" sage ich erneut und nun wird sie wütend. Eigentlich sollte ich jetzt Angst haben, dass sie wieder auf mich los geht, aber das werde ich nicht haben.
"Hau ab" schreit sie mir ins Gesicht und das Blut steigt ihr in den Kopf.
"Wofür? Damit du weiter in Selbstmitleid sitzen kannst?" schreie ich zurück und sie wird still. "Das kannst du vergessen. Jelena hätte das nicht gewollt"
"Nimm ihren Namen nicht in deinen Mund" murmelt sie.
"Meine Mum ist vor vier Jahren gestorben. So wie deine hatte sie einen Autounfall und überlebte es nicht. Ich hatte nicht die Chance, mich von ihr zu verabschieden, noch ihr zu sagen, dass ich sie liebe. Ich gebe mir die Schuld an ihrem Tod weißt du. Hätte ich da keine Tanzaufführung gehabt, wäre sie gar nicht in dem Auto gewesen. Sie wollte unbedingt zu meiner Aufführung. Alle sagen mir, dass ich nicht die Schuld trage, aber wenn man so starke Schuldgefühle hat, dann weiß man, dass man die Schuld hat"
Während meiner Erzählung hebt sie ihren Kopf und ihre Gesichtszüge werden wieder sanfter.
"Ich weiß wie du dich fühlst. Alleine gelassen zu werden. Du willst Jelena hassen, dafür dass sie dich verlassen hat. Verloren. Du denkst, du bist ganz allein in dieser Welt und keiner kann dich verstehen. Du warst nicht auf der Beerdigung. Warst du bisher einmal dort? An ihrem Grab? Du kannst es nicht. Ich konnte es erst nach drei Jahren"
"Es wird besser Amara. Mit der Zeit wird es besser. Du lässt die Gefühle zu, die du unterdrückt hast und du wirst dich überwinden, zu ihrem Grab zu gehen."
"Wieso hört es sich so an, als kommt da noch ein aber?" fragt sie und ich lächle.
"Aber du musst den Schmerz erst zulassen"
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Opposites attract✔️
ChickLitTeil 4. ››Spin-off von Why him? Die Story kann auch einzeln gelesen werden.‹‹ Das was wir sehen, ist nicht immer das, was wir wirklich sehen wollen. Manchmal ist das, was wir sehen, dass, wo wir denken, verdient zu haben. Zwei Menschen, die nicht u...