Das Ende vom Anfang

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Verabscheuend spuckte ich auf den asphaltierten Fußweg, welcher wieder einmal einem stundenlangen Regenschauer ausgesetzt war. Ich zog die, vor Nässe triefende, Kapuze tiefer ins Gesicht. Schlenderte den Weg entlang und beobachtete den Dreck, der auf die Straße gespühlt wurde. Meine Klamotten waren komplett durchnässt, doch die Kälte, die mich eigentlich überkommen musste, blieb aus. Ich spürte nichts. Nicht einmal die Wunden, welche ich von dem vergangenen Straßenkampf behalten hatte. Nicht einmal die Verachtung gegenüber der Welt und den Menschen, die sie bewohnten. Ich spürte einfach rein gar nichts. Gleichgültig trat ich eine vor mir auftauchende Konservendose zur Seite. Zwei verdreckte Ratten quietschten auf, ließen ihre Beute –eine Mülltonne- zurück und verschwanden in eine der finsteren Gassen. Die veralteten Straßenlaternen flackerten, zumindest diejenigen die noch nicht komplett ausgefallen waren. In einer Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich zwei Jungs, etwa 6 Jahre alt. Ihre Augen musterten mich skeptisch und sie verhielten sich möglichst still. Versuchten nicht aufzufallen. Ich musterte ihre kaputte Kleidung kurz, doch wandte meinen Blick wieder ab. Der Mond warf ein bleiches Licht auf die Straße. Sie war wie leer gefegt. Kein Wunder, die Meisten trauten sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr raus und die, die es taten, hielten sich versteckt, um bei ihren kriminellen Machenschaften nicht entdeckt zu werden. Obwohl, von wem schon? Die Polizei war hier beinahe ein Fremdwort und andere Bewohner hatten viel zu viel Angst vor den Gangs, die hier ihr Unwesen trieben, als dass sie sie verpetzen würden. Meine Hände verweilten in den durchnässten Hosentaschen, während ich die heruntergekommene Straße entlang ging. In keinem der Wohnungen brannte noch Licht, was wohl damit zusammenhing, dass es –dem Stand des Mondes zufolge- ungefähr 1 Uhr nachts war. In meiner Welt ging es etwas anders zu, als du es wahrscheinlich in deiner Welt erlebst. Oder gab es bei dir Gangs, die einzelne Stadtteile oder sogar kleine Städte besitzen? Gangs, die von allen gefürchtet und von den Kindern bewundert wurden? Wohl eher weniger. In dieser Welt, war es normal einer Gang anzugehören. Es war normal Straftaten zu begehen ohne dafür angezeigt zu werden oder gar gefasst zu werden. Zumindest im Regelfall. Auch ich war Teil einer solchen Gang und konnte mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Es ist keine andere Welt, als deine. Es ist vielleicht ein anderes Land oder ähnliches. Aber keine Welt voller Fabelwesen oder so. Das hier ist bloß ein normales Ghetto. Und das hier, was du gerade liest, ist meine Geschichte. Ich werde dir erzählen wie ich gelebt habe, woraus mein Alltag bestand, wer ich war und wer all das verändert hat.

Mein Name ist Jacky West und hiermit heiße ich dich Willkommen, zu meiner Geschichte.

„Jacky! Um Gottes Willen. Wo warst du?" Ich verzog das Gesicht und wand mich aus der Umarmung. Feli, eine der Betreuerinnen des Heims hatte sich wohl ein wenig Sorgen gemacht. Oder sie tat nur so, was ich eher vermutete. „Sag schon!" Ich trat einen Schritt zurück, als sie ihre Hände auf meine Schultern legte. „Spazieren und jetzt lass mich vorbei." Ich wollte mich an ihr vorbei drängeln, doch sie hielt mich auf. „Jacky, ich wollte es dir so schonend wie möglich beibringen, aber das ist verdammt schwer." Ich blitzte sie wütend an. „Lass mich vorbei!"

Flashback

Es klopfte an der Tür. „Herein." Feli steckte ihren Kopf vorsichtig durch die Tür. „Kann ich rein kommen?" Ich verdrehte die Augen. Hab ich doch gesagt. „Ja." Sagte ich und setzte mich auf mein Bett. „Ich muss dir was erzählen. Es ist eigentlich etwas Schönes, weißt du?" Sie setzte sich neben mich und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Ich rückte von ihr weg und sah sie skeptisch an. „Du weißt doch, dass alle nur solange hier bleiben müssen, bis mindestens ein erziehungsberechtigtes Elternteil oder ein Vormund gefunden wird." Ich reagierte nicht. Kein Nicken, kein seufzen, nichts. Ich sah sie nur regungslos an. Wahrscheinlich wollte sie mir erklären, dass meine Zimmergenossin ausziehen würde. Deswegen auch das, eigentlich. Es war schön für sie, aber ich musste mich wieder mit jemand neuem zurechtfinden. Und neue waren immer so viel am Weinen und reagierten direkt über. Die waren mir zu anstrengend. Aber so sollte es dieses Mal nicht kommen. „Jacky, du wirst ein neues Leben anfangen können. Du darfst ausziehen." Ich hielt die Luft an und verengte meine Augen zu schlitzen. Bitte was? „Wir haben einen Vormund gefunden oder vielmehr ein Elternteil, das vom Gericht die Bestätigung bekommen hat, erziehungsfähig zu sein." Ich spannte mich an. Jeder Teil meines Körpers war bis aufs letzte angespannt. „Ich werde nicht zu meiner Erzeugerin gehen!" Zischte ich und Feli schüttelte den Kopf. „Nein, nicht dorthin. Nie wieder. Dein Vater Jacky. Dort wirst du hingehen können." Sie lächelte mich aufmunternd an, als wäre das eine tolle Nachricht. Während meine Welt in diesem Augenblick erneut zusammenbrach.

Flashback Ende

Mein Vater der Rapper und der Hund namens TukoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt