Sorgenfresser Tuko

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„Du hast ihn umgebracht! Er hat sich wegen dir das Leben genommen, Jacky. Wegen dir!" Brüllte mich die Stimme in meinem Kopf an. Mit zusammengebissenen Zähnen schlug ich auf den Boxsack ein. „Du bist Schuld an seinem Tod!" Brüllte die Stimme weiter, wie sie es damals immer getan hatte, bevor er mich verprügelt hatte. Ich biss die Zähne noch mehr aufeinander. Mein Herz raste. Mit einem Tunnelblick fixierte ich den Boxsack, versenkte einen Schlag nach dem Anderen in ihm. Immer und immer wieder. „Damian hat sich umgebracht, weil du ihm nicht geholfen hast!" Brüllte die Stimme und ich holte weit aus. „You made me, hate me!" Rief ich so laut ich konnte und brach zusammen.

Wuff. Wuff. Wuff! Ich schreckte hoch. Tuko stand neben meinem Bett und stellte sein Bellen ein. Besorgt schlabberte er mir über die Hand. Ich atmete schnell, mein Herz raste, Strähnen hingen mir verstreut im Gesicht. Mein Körper glühte, ich war schweißgebadet und merkte erst jetzt, dass ich zitterte. Als ich mich im Zimmer umsah, merkte dass niemand außer der Hund hier war und ich die Situation nicht begreifen konnte, begann ich zu schluchzen. Tränen rollten über meine Wangen, wie Wasserfälle. Ich vergrub mein Gesicht hinter meinen Händen und war völlig aufgelöst. Trauer, Einsamkeit, Hilflosigkeit und Angst durchströmten meinen Körper. Sie waren so intensiv, dass ich keinerlei Chance hatte dagegen anzugehen. Tuko sprang auf mein Bett und legte sich neben mich. Sein Kopf ruhte zwischen Arm und Oberkörper und er sah mich einfach nur an. Seine Augen strahlten so viel Ruhe und Besorgnis aus, dass ich allmählich gegen meine Emotionen ankämpfen konnte. Als ich es endlich schaffte durchzuatmen hob Tuko den Kopf und wedelte mit dem Schwanz. „Ich sollte mich.." Ein Schluchzen unterbrach meinen Satz. „Umziehen." Beendete ich ihn und stand auf. Tuko verfolgte jeden meiner Schritte vom Bett aus. Ich suchte mir mit zittrigen Händen etwas zum Anziehen aus dem Schrank und als ich mich umgezogen hatte und zu meinem Bett umdrehte war Tuko weg. „Tuko?" Fragte ich und bekam es gleich wieder mit der Angst zu tun. Eine Träne rollte über meine Wange, mein Herz begann schneller zu schlagen und ein Schluchzer suchte mich heim. Doch gerade als ich beinahe begann zu weinen stand Tuko schwanzwedelnd, mit einer Chipstüte –die er wohl auf den Wohnzimmertisch gefunden hatte- im Maul in der Tür. Ein zögerliches Schmunzeln bildete sich auf meinen Lippen. Tuko sprang samt Chipstüte auf mein Bett und ich kuschelte mich neben ihm in meine Decken ein. „Niemand will mit jemandem zusammen sein, der niemals glücklich sein wird." Flüsterte ich und Tuko winselte auf. Er hatte sich neben mich gekuschelt und meine Heulattacken ohne einen Mucks ausgehalten. „Auch Max nicht. Niemand, weißt du?" Flüsterte ich und genoss es, das ich nicht mehr weinen konnte. Die Leere hatte mich eingenommen, da war Weinen nicht möglich. Wieder winselte Tuko und hob seinen Kopf. Mit einem vorwurfsvollen Blick sah er mich an und legte den Kopf schief. „Aber du.." Jetzt spürte ich doch diese eine Träne, die sich an der Leere vorbei geschlichen hatte, die sich in meinen Augen sammelte. „Du schon." Tuko robbte noch näher an mich heran und ließ sich von mir in den Arm nehmen. Diese eine Träne rollte über meine Wange, sein Fell entlang und verweilte schließlich auf den grauen Schattierungen seiner Fellfarbe. Da leuchtete mein Handy auf. Ich ließ Tuko los und griff nach meinem Handy, welches auf dem Nachttisch lag. Miles hatte mir geschrieben. „Wie gern würde ich seine Stimme hören." Flüsterte ich und Tuko legte den Kopf schief. Ich antwortete Miles, der direkt fragte ob ich telefonieren wolle. „Ich kann doch nicht um diese Uhrzeit mit ihm telefonieren." Sagte ich entsetzt und sah auf die Uhr. 2 Uhr nachts. Tuko winselte und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Bevor ich seine Gesten deuten konnte klingelte bereits mein Handy und tatsächlich. Ohne nachzudenken nahm ich den Anruf an und telefonierte mit Miles mitten in der Nacht. Ich telefonierte mit einem guten Freund, kurz nachdem meine Welt für einen kurzen Augenblick zusammengebrochen war. Ein Pitbull lag neben mir im Bett, lauschte meinen Worten und war die ganze Zeit, ohne zu zögern für mich da gewesen. Was war das für eine positiv gestimmte Situation? Glück im Unglück. Konnte das sein? In meinem Leben? Das passte nicht, aber ich genoss es. Ich genoss es in vollen Zügen. Warum auch nicht? Es würde wahrscheinlich einmalig bleiben, also war jede Sekunde kostbar.

90 % der Menschheit würde wahrscheinlich sich in Zukunft in der Schule anstrengen, gut mit Max klarkommen und sich am Riemen reißen. 9% würden Max in die Arme fallen und sich glücklich schätzen ihn als Vater zu haben und dieser 1 % würde wieder total in die falsche Richtung abdriften und genau zu diesem einen Prozent gehörte ich. Anstatt logisch nachzudenken, daraus zu lernen und einfach eine liebenswerte Tochter zu werden behielt ich meine Art bei. Ich konnte nicht anders und ich wollte auch nicht.

Mein Vater der Rapper und der Hund namens TukoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt