Danke, dass du mich gerettet hast Dad

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Ich erstarrte. Mein ganzer Körper begann unter meinen angespannten Muskeln zu zittern und ich biss mir so sehr auf die Unterlippe, dass sie leicht zu bluten begann. „Du musst es mir nicht erzählen. Aber ich wäre so unendlich dankbar, wenn ich deine Reaktionen verstehen könnte. Und wenn ich sowas nicht weiß, werden wir immer wieder an einander geraten." Er stützte sich auf seinen Unterarmen ab, die er auf seine Oberschenkel gestützt hatte und sah mich ruhig atmend an. Tuko legte den Kopf auf meinen Oberschenkel und ich strich ihm über den Kopf. „Sie hat mich oft angebrüllt. Schon als ich ganz klein war. Sie hat gesagt, dass ich langsamer in allem bin wie andere Kinder. Dass ich eine Enttäuschung bin und nichts auf die Reihe kriegen würde." Ich versuchte möglichst ruhig zu atmen, was mir all meine Kraft abverlangte. „Dann ist ihr Freund bei uns eingezogen. Ich durfte nicht mehr ins Wohnzimmer. Durfte nur in meinem Zimmer spielen. Immer alleine. Wenn ich nicht direkt aufstand, wenn sie mich weckte, hat er mich aus dem Bett gezogen und mich angebrüllt was für ein unfähiges und unerzogenes Balg ich sei. Wenn ich auch nur eine Minute zu spät kam, als es ausgemacht war hat er mir befohlen mich in eine Ecke zu setzen, hat mich angebrüllt und mir Schläge angedroht." Die Augen von Max verloren an Farbe. Er wirkte blass und dabei hatte ich nicht einmal zu Ende erzählt. „Dann habe ich Damian kennengelernt. Wir waren seit der ersten Klasse beste Freunde und ich war oft bei ihm. Seine Eltern waren so nett zu mir und wenn ich zuhause kein Essen bekam, weil Mom zu viel getrunken hatte, durfte ich dort essen. Als sie bei einem Auto Unfall ums Leben kamen.." Ich schluckte und brauchte einen Moment, bevor ich weiter reden konnte. „Ist Damian zu seinem Onkel gekommen. Der hat ihn geschlagen und all sowas. Damian hat sich einer Gang angeschlossen und ich schließlich auch. Die waren alle 16 bis 20 Jahre alt. Also waren wir mit Abstand die Jüngsten. Wir haben immer davon geträumt auch wie sie zu boxen und ganz viel geübt. Zwischendurch haben wir bei Überfällen geholfen und bei Kämpfen gegen andere Gangs waren wir auch dabei. Trotz dieser Gefahren, denen sie uns ausgesetzt haben, war die Gang unsere Familie. Als ich das erste Zeugnis bekam und es durchschnittlich war hat der Freund von Mom mich das erste Mal verprügelt. Die nächsten Tage durfte ich nicht aus meinem Zimmer, weil niemand die blauen Flecken sehen sollte. Ich habe viel geweint. Das ging immer so weiter. Als ich das Zeugnis für die zweite Klasse bekommen habe, habe ich mich das erste Mal gewehrt und ihn angeschrien. Ein Fehler. Damian und ich wollten oft abhauen, doch dann wären wir beide noch mehr misshandelt worden. Irgendwann ist Damian ins Heim gekommen und wir haben uns nur noch einmal die Woche gesehen. Als ich in der vierten Klasse Mom gesagt habe, dass sie mit dem Trinken aufhören soll und ich Angst vor ihrem Freund habe, hat sie mich rausgeschmissen. Ich ging weiter zur Schule und wohnte im Unterschlupf der Gang, bis die Polizei mich gefunden hat und auch ich ins Heim kam. Zusammen mit Damian habe ich weiterhin geboxt und er war der einzige Grund, warum es einigermaßen dort auszuhalten war. Als ich dann am Wochenende bei Mom zu Besuch war wurde ich wieder verprügelt. Sie saß dort, im Raum. Das tat sie immer, aber damals hat sie weggeschaut. Dieses Mal hat sie ohne mit der Wimper zu zucken dabei zugesehen wie er mich zusammengeschlagen hat." Ich atmete tief durch. Geschafft. Wie lange hatte ich darüber nicht mehr gesprochen? Ziemlich lange. Der Letzte, der davon wusste war Damian. Alle anderen haben es sich selbst erschließen können. Zumindest was das Grobe anging. Max fuhr sich durch die Haare und schüttelte den Kopf. „Hätte ich das gewusst, wäre ich direkt zum Jugendamt und hätte dich dort weggeholt." Ich zuckte mit den Schultern. Ich musste ihm wohl nicht erzählen, dass ich immer noch enttäuscht von ihm war, dass er sich nicht gemeldet hatte all die Jahre. Das war wohl mehr als klar. „Dass du die Zeit ohne schwere Störungen überstanden hast gleicht einem Wunder." Er strich mir tröstend über den Arm. Ich beschloss einfach nicht zu reagieren. Mehr brauchte er zu diesem Zeitpunkt nicht zu wissen. Das reichte vollkommen aus. „Ich hätte dich niemals im Stich lassen dürfen. Ich war einfach so überfordert damit Vater zu werden und dachte ich könnte dir nichts bieten. Ich meine, das kann ich nicht einmal jetzt und nicht mal jetzt bin ich ein guter Vater. Trotzdem hätte ich dich holen sollen. Mein eigenes Kind misshandeln, runtermachen und einsperren. Nie aber auch nie wäre mir das in den Sinn gekommen. Wenn ich dann nicht für Ewigkeiten in den Knast wandern würde und dich wieder im Stich lassen müsste würde ich da sofort hinfahren und beiden den Hals umdrehen." Knurrte er und ich lächelte, während mir eine Träne still über die Wange lief. „Weißt du warum ich nicht aufgehört habe zu atmen?" Flüsterte ich und Max sah mich, immer noch mit glasigen Augen, an. „Wegen dir. Ich hatte gehofft dich irgendwann wieder Vater nennen zu können." Max umarmte mich und ich schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen. „Danke, dass du mich gerettet hast, Dad."

Mein Vater der Rapper und der Hund namens TukoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt