Wutschnaubend rannte ich durch das Waldstück, welches sich einige Meter entfernt vom Gelände befand, und fluchte laut. Was für ein Start. Ich hatte ja richtig Spaß hier! Nicht. Und das alles wegen so einem Miststück, das sich für was Besseres hielt. Und Max? Der hatte natürlich nichts Besseres zu tun als mir in den Rücken zu fallen. Vielleicht war es nicht die feine Art gewesen sie mit Tuko zu bedrohen, aber ein Stück weit hatte dieses Biest selbst schuld. Und überhaupt, sie war Teil des Teams aber kannte Tuko nicht? Was war das denn bitte für ein Teammitglied? Ich hatte wirklich gedacht Max suchte sich sein Team sorgfältiger aus. Aber so täuschte man sich. Ich hatte ja auch nicht gedacht, dass Max mir so in den Rücken fallen würde. Er war mein Vater. Er hätte sich wenigstens meine Sicht der Dinge anhören können, aber nein. Der Vollidiot hatte nichts Besseres zu tun als sich gegen mich zu stellen. Wie sollte das bitte die Tour über funktionieren? Der Frau riss ich die Haare raus, wenn sie mir begegnete und sie würde das Gleiche mit mir tun. Ich holte aus und schlug mit der Faust auf einen der Bäume ein. Ich biss die Zähne aufeinander, um den Schmerzensschrei zu unterdrücken und bereute diese Art des Abreagierens zutiefst. Aber auch wenn es weh tat, es hatte mich wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht. Fürsorglich schlabberte Tuko mit seiner Zunge über das Blut, das meine Finger hinunter floss, bevor wir uns auf den Rückweg machten.
Es dämmerte bereits, als Tuko und ich am Gelände ankamen. Erst als ich mir sicher war, dass das Biest nirgends zu sehen war, huschte ich über den Platz und wollte gerade mit Tuko im Tourbus verschwinden, da erklang ein Pfiff. Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen um zu wissen wer gepfiffen hatte. Seufzend wand ich mich um und verdrehte die Augen, als ich Max sah, der nicht gerade erfreut auf mich zu kam. Stumm deutete er mir, dass ich mich setzen sollte, was ich netterweise auch tat. „Hast du mir vielleicht irgendwas zu sagen?" Max durchbohrte mich mit seinen ernsten Blicken und ignorierte Tuko, der sich an ihn schmiegte wie eine Katze. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Ach, jetzt plötzlich darf ich was sagen? Wolltest vor dem Miststück wohl cool sein, was?" Der Blonde biss sich auf die Zähne und atmete tief durch, bevor er mich wieder ansah. „Du kannst nicht einfach mit Tuko ein Teammitglied bedrohen. Da hätte sonst was passieren können." Gleichgültig zuckte ich mit den Schultern und lehnte mich zurück. „Hat dieses Biest verdient." Max wurde wütender, woraufhin Tuko sich von ihm abwendete und bei mir Schutz suchte. „Sie ist kein Biest. Außerdem hast du keine Ahnung von dem was hätte passieren können." Ich sah zu Tuko, der meinen Blick erwiderte und mit dem Schwanz wedelte. Was konnte der Hund schon anrichten? Der war so treu doof, den lachte man noch aus, wenn er knurrte. Ich zumindest. „Jacky, hätte Vanessa ihn mit dem Schläger versucht eine drüber zu ziehen, wäre Tuko nicht mehr auszuschalten gewesen." Zwar schenkte ich den Worten von Max keinen Glauben, doch dennoch brachten sie mich zum Nachdenken. „Er gerät in einen Rauschzustand und dann hilft garnichts mehr. Er hätte nie wieder herumtollen können. Nie wieder ohne Maulkorb raus gedurft. Wenn du schon nicht an Vanessa denkst, dann denk bitte an die Zukunft von Tuko." Die Wut von Max war auf Anhieb verschwunden. Mit liebevoll funkelnden Augen sah er mich an und nach kurzem Zögern nickte ich vorsichtig. „Das heißt aber nicht, dass ich sie mag." Setzte ich eilig nach und Max nickte verständnisvoll. „Ihr solltet noch einmal von vorne anfangen." Schlug er vor, woraufhin ich allerdings nur mit den Schultern zuckte. Ich wollte gerade etwas erwidern, da blieb sein Blick an meiner Hand hängen, die immer noch blutete. Fragend sah er mich an. „Baum." Entgegnete ich kurz und schmerzlos, als wär es das Normalste der Welt einen Baum zu verprügeln. Naja, vielmehr es zu versuchen und dann kläglich zu scheitern. „Mach das bitte nie wieder. Das ist sie nicht wert." Ernst blitzte ich Max an. „Keine Sorge. Das war wegen dir."
Vorsichtig prüfte ich ob das Wasser warm genug war, bevor ich in die Dusche stieg. Die feinen Tropfen rieselten plätschernd auf mich ein und jeder einzelne hinterließ seine eigene Spur auf meinem Körper zurück. Ruhig atmend schloss ich die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken. Was gab es Schöneres als eine heiße Dusche? Zumindest in diesem Moment konnte ich mir nichts Schöneres vorstellen. Ich stellte den Wasserstrahl ein wenig stärker ein und sog scharf die Luft an, als die Wassertropfen auf meinem Rücken aufkamen. Es fühlte sich an als prügelten sie voller Wut auf mich ein. Eilig verringerte ich den Druck und atmete erleichtert durch, als der Schmerz nachließ. Mit einem Finger fuhr ich meinen Rücken hinab. Die Riffelungen waren fein, aber deutlich wahrnehmbar. Vor meinem inneren Auge spielte sich das Szenario im noch so kleinsten Detail ab. Der unaushaltsame Frust. Das Messer. Der erste Schnitt. Der Schmerz, der meinen Körper durchzog und durch das hinab rinnende Blut belohnt wurde. Der zweite Schnitt schon etwas mutiger. Der dritte Schnitt mit voller Überzeugung. Der vierte, der fünfte, der sechste, dann hörte ich auf zu zählen und verlor mich. Mit zitternden Händen hatte ich das Messer fallen lassen, um die Augen zu schließen und das Blut zu genießen, welches sich langsam einen Weg hinab bahnte. Es hatte sich so befreiend angefühlt. Jeder Funken Frust, jeder Funken Hass war zunichte gemacht worden. Die Riffelungen waren immer noch da. Schon einige Wochen verweilten sie auf meinem Rücken, was vielleicht auch damit zusammen hing, dass ich sie, wenn mich mal wieder alles überrannte, nachzog. Es waren meine einzigen Narben, die noch nicht verheilt waren. Die Arme hatten sich zum Glück weitestgehend erholt und an Beine und Bauch hatte ich mich nicht ran gewagt. Nur eine Narbe gab es außerdem noch. Mit meinem Zeigefinger fuhr ich sie vom Ohr bis zum Brustkorb entlang. Sie war das Resultat eines Suizidversuches, den ich bis heute nicht bereute. Noch heute genoss ich den Gedanken an den Moment, in dem das Messer meinen Hals hinab fuhr. Der Schmerz war nur minimal gewesen und befriedigte mich wie kein Schmerz davor. Ich war festentschlossen gewesen. Das würde es sein. Das Ende. Wenn Feli nicht gewesen wäre, die in dem Moment das Zimmer betrat.
Ich schreckte hoch, als sich etwas an mich kuschelte. Panisch sah ich mich in der Dunkelheit um und seufzte erleichtert, als ich Tuko erkannte, der sich zu mir ins Bett gequetscht hatte. Neugierig musterte der Pitbull mich und winselte leise, als wollte er darum betteln bei mir liegen bleiben zu dürfen, was ich ihm natürlich nicht ausschlug. Er war mein bester Freund. Schon traurig, dass ein Hund mein bester Freund war, aber ich hatte keine menschlichen Freunde. Miles. Lu. Beide hatte ich seitdem Drogenvorfall nicht mehr wirklich gesehen und wollte es auch nicht.
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Mein Vater der Rapper und der Hund namens Tuko
FanfictionJacky. Sie wurde geschlagen, verachtet und bespuckt. Ihr bester Freund hat sich das Leben genommen. Sie kommt ins Heim und lebt mit ihren zurückgebliebenen Wunden der Vergangenheit. Sie will aufgeben, doch dann kommt er. Maximilian Diehn. Ihr Vater...