Kapitel 12

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An jenem späten Abend um 20:18 Uhr setzte ich mich an den Pc. Die meisten meiner Kollege waren schon gegangen. Ist auch klar, denn die Schicht war zu Ende. Ich stattdessen machte mich um Dunya kündig und da wir Zugriff auf die Daten aller Menschen haben, war es ein Kinderspiel für mich, mich über ihre Familie zu informieren.
Dunya Aydin und Bingo.
Mutter: Pinar Aydin
Vater: Navid Aydin
Sie hatte mir erzählt, dass ihre Mutter bei der Geburt starb. Bei ihrem Vater hatte ich das Gefühl, das sie selbst garnicht wusste, was genau passiert war. Ihr Onkel sagte ihr nur, dass er an einem Unfall gestorben sei und genau das stand auch im Pc. Um den Unfall näher zu untersuchen, drückte ich darauf und ein Artikel erschien vor mir.
Drei Menschen sind bei einem schweren Verkehrsunfall auf der Autobahn 33 getötet worden. Möglicherweise wurde der Unfall durch einen Falschfahrer verursacht.
Wie die Polizei mitteilte, waren in der Nacht am 05.01. 2011 vier Autos ineinander gefahren. Für drei Insassen kam jede Hilfe zu spät. Zwei weitere Menschen überlebten den Unfall mit schweren Verletzungen und kamen in ein Krankenhaus.
Ich scrollte herunter und las mir jeden einzelnen Artikel durch. Danach gab ich den Namen des Onkels von Dunya ein.
Er war wegen Körperverletzung vorbestraft und hatte eine Firma mit reichlich viel Geld betrogen. Ein Kleinkrimineller also.
Irgendwas war faul an der Sache. An dem Tag, andem der Unfall geschah, war eine Person am Tatort aufgetaucht und es schien so, als hätte sie geweint. Auch konnte ich nicht ausschließen, ob es ein Mädchen oder Junge war. Dünn war die Person.
Ich scrollte weiter und machte mich ein und halb Stunden kündig. Ich gab nicht auf und stieß auf etwas seltsames.
Ein Artikel namens "Jetzt spricht die Tochter des Toten".
Es war jedoch nicht Dunya.
"Ich habe eine sehr liebevolle und bedeutungsvolle Person verloren, meinen Vater. Wir hatten eine feste Bindung zueinander."
Sie fing an zu weinen und verschwand von der Kamera. Sie schien um die 15 Jahre da zu sein. Der Unfall war 6 Jahre her. Das heißt, dass seine angebliche Tochter und ebenso Dunyas Schwester 21 Jahre sein könnte. Doch dieses Interview wurde erst ein halbes Jahr nach dem Unfall gemacht. Also konnte es Dunya nicht sehen, aber dieses Artikel war auch nicht online gestellt. Komisch.
Aufjedenfall war sie älter als Dunya. Das stand fest.
Mit roten Augen voller Müdigkeit verließ ich die Polizeistation und fuhr nach Hause. Mein Kopf konnte nicht mehr denken. Ich musste ständig daran denken, dass Dunya eine Schwester haben könnte, von dessen Existenz Dunya nicht einmal weiß. Ich rief meinen Kollegen vom Erkennungsdienst an, der mir herausfinden sollte, von welcher Adresse Dunya ihre Drohbriefe bekommt.
"Und hast du neue Ergebnisse?", fragte ich am Telefon.
"Wieso rufst du so spät an? Ist etwas passiert?", fragte er und ich verneinte.
"Ich will den Fall so schnell wie möglich geklärt haben."
"Ja ich habe etwas. Die Person war so schlau und schickte von einer ganz falschen Adresse die Briefe ab. Ich schicke dir den jetzigen Standort der Person. Ich hoffe du kommst damit weiter."
"Einen Namen hast du nicht?", fragte ich und biss fest auf meine Zähne.
"Nein, die Person schickt von einem anderen Namen namens Kadir Demir. Es steht nicht fest, ob es vielleicht dieser Kadir ist oder doch eine andere Adresse dahinter steckt."
Meine Muskel spannten sich, dass ich das Gefühl hatte, dass der Stoff am Lenkrad reißen könnte. Kadir. Ich kannte ihn. Er war der Sohn meines Vaters Cousin. Was zur Hölle hatte der Idiot mit Dunya zu tun?
Spät in der Nacht rief ich Dunya an, die mit schläfriger Stimme ranging.
"Kennst du einen Kadir Demir?", fragte ich sie direkt.
"Sollte ich ihn kennen?", fragte sie und ich atmete lang.
"Was machst du um diese Uhrzeit Burak?", fragte sie seufzend und ich wusste nicht Recht, ob ich ihr von meiner Ermittlung erzählen sollte oder nicht.
"Burak?"
"Dunya ich hab was über dich herausgefunden, was du nicht weißt."
Kurz machte ich eine Pause.
"Wegen der Sache mit den Drohbriefen."
Ich konnte ihr nicht am Telefon beichten, dass sie eine Schwester hatte, die noch lebte und sich auf dieser Welt rumtreibte. Auch konnte ich ihr nicht sagen, dass ausgerechnet mein Verwandter mit jemanden unter einer Decke steckt und diese Drohbriefe von dort kommen, aber diese Information war im Gegensatz zur anderen viel, viel leichter zu erzählen.
"Soll ich raus kommen?", fragte sie und ich sah zur Uhr.
"Wo ist Okan?"
"Ders feiern. Ich wollte gerade sowieso zu Seher und bei denen schlafen. Wir können uns ja kurz sehen", schlug sie vor und ich sagte ihr, dass ich sie abholen würde.
Ich parkte vor dem kleinen Haus und sie kam
raus. Es regnete leicht und sie setzte sich rein.
"Hey", sprach sie und ich begrüßte sie. Wieder dieser süße Geruch von Früchten.
"Also los", meinte sie.
"Warte ich fahr noch ein Stück."
Nachdem ich einen ruhigeren Ort gefunden hatte, schaltete ich den brummenden Motor aus und sah zu ihr.
"Es ist ein Name rausgekommen, aber die Person gibt sich als eine andere Person aus."
"Das heißt?"
"Ein Verwandter von mir steckt unter einer Decke mit jemanden und droht dir. Ich kenne ihn nicht ganz, aber Okan kennt ihn auch nicht. Okan ist es also nicht mit den Briefen. Ich hab auch über deinen Onkel nachgeforscht. Er ist wegen Körperverletzung vorbestraft und ist als Betrüger an einigen Firmen bekannt."
Sie riss ihre Augen auf.
"Das wusste ich garnicht", murmelte sie.
"Mehr hast du nicht rausgefunden? Irgendwas über meine Familie?"
Langsam schüttelte ich meinen Kopf. Sie kannte mich zu gut und dachte ich hätte auch über die komplette Familie nachgeforscht, was ich auch getan hatte, doch es ihr verheimlichte.
Verwirrt kaute sie an ihrer Lippe herum, was mich aus der Fassung brachte und ich deshalb schnell ein neues Thema zum reden überlegte, damit sie aufhört.
"Wann musst du zu Seher?"
"Erst später. Ihre Eltern sind weg."
Wissend nickte ich und betrachtete die Regentropfen an der Scheibe, die ihren Halt verloren und nach unten rutschten.
"Ich hab einfach das Gefühl, das bald etwas passiert, etwas schlimmes. Mein Gefühl sagt mir, dass mein Onkel mir eines Tages Ungutes tun wird."
"Es ist echt scheiße, Einzelgänger zu sein. Keine Eltern, die mich vor Leuten wie mein Onkel schützen können."
Sanft legte ich meine Hand auf ihrem dünnen Oberschenkel und strich darüber.
"Du hast Seher, du hast mich. Du brauchst keine Angst mehr zu haben Dunya. Wenn du zu einem Vorhaben gezwungen wirst, dann kannst du mich sofort erreichen."
Sie nickte und ich lächelte sie aufmunternd an.
"Ich werde weiter nachforschen."
"Halte mich auf dem Laufenden. Danke Burak. Ohne dich wäre ich niemals so weit gekommen."
"Willst du noch irgendwo hin außer zu Seher? Lass in die Bar und Seher rufen. Ihr Macker treibt sich dort so gut wie immer auf."
Kurz lächelte sie.
"Zwischen denen läuft kaum noch was. Sie gehen sich eher aus dem Weg, aber sie wollte sowieso mit mir in die Bar."
"Lass mich raten. Um ihn eifersüchtig zu machen."
"Genau deswegen", lachte sie.
Wir riefen Seher an, die in der Nähe meiner Stammbar war, die ich fast jedes Wochenende besuchte und gingen danach zu dritt rein. Wie gewohnt saßen Miro, Sirac, Ali und Fero am Tisch, an dem wir uns gesellten und Dunya sich unwohl in Miros Nähe fühlte. Ich sah ihn warnend an, dass er sich entschuldigen solle.
"Tut mir Leid Dunya", sagte Miro auf Anhieb und ich war stolz darauf.
Sie lächelte nur als Zeichen der Verzeihung und zog es nicht allzu lange in die Länge.
Eine bekannte Stimme hörte ich durch die Bar und sah unauffällig zum Tisch ganz vorn. Okan mit seinen Freunden und Puppen. Ich beschloss Dunya nichts zu sagen und da sie sowieso mit dem Rücken zu Okan gewandt saß, würde er sie sowieso nicht sehen.
Ich erlaubte ihr sicherlich nicht die Wasserpfeife zu rauchen, weswegen sie sich langweilte.
Dunya verstand sich mit meinen Jungs sehr gut und das freute mich auch. Seher hingegen war diesmal die Schücherte und ich musste mich echt fragen, wegen wem. Einer der Jungs machte sie nervös.
"Oha Dunya. Guck mal da ist Okan", sprach plötzlich Seher und wir alle sahen dahin samt Dunya. Okan küsste gerade ein Mädchen auf den Lippen und Dunyas Gesichtsausdruck geriet ins Blasse. Die arme.
"Was denkt der sich?", wurde Seher wütend und wollte aufstehen, doch Dunya hielt sie ruhig auf und änderte das Thema. Heimlich sah sie immer wieder zu Okan. Sie schämte sich für sein verabscheuendes Verhalten.
"Alles okay?", fragte ich Dunya, die lächelnd nickte und ich ihr meinen Schlauch gab.
"Ausnahmsweise darfst du mal", sprach ich und sie sah mich lächelnd an.
"Ein wahrer Gentleman raucht immer die Shisha an."
Langsam näherte ich mich ihrem Ohr und da alle in ihren Gesprächen vertieft waren, schob ich ihre Haare nach hinten.
"Für seine Lady", hauchte ich an ihrem Ohr und sie bekam Gänsehaut. Sie war empfindlich an dieser Stelle.
"Lass es", sagte sie klein laut und unterdrückte dabei ihr Grinsen.
Nach knapper Stunde brachte ich Seher und Dunya zu Seher. Okan hatte uns nicht erwischt, sondern war früher gegangen.
"Ciau ihr Turteltäubchen. Verabschiedet euch mal schön", sagte Seher und sprang aus dem Wagen.
"Gute Nacht", sprach Dunya schüchtern und wollte die Tür auf machen, doch ich hatte die Türen verschlossen.
"Lustig Burak. Lass mich raus. Hinterher bin ich wieder die jenige, die von Seher blöd angemacht wird."
"Wie wärs mit verabschieden?", fragte ich sie im frechen Ton und umarmte sie urplötzlich, was sie später erwiderte und ausstieg.
"Wie kommst du morgen nach Hause?"
"Mit dem Bus."
"Komm morgen um 13 Uhr hier hin. Ich bringe dich nach Hause."
"Ist nicht nötig Burak."
"Ich hab dich nicht gefragt, sondern dir einen Befehl gegeben."
"Ay ay Patron(Boss)", lachte sie und schlug die Tür zu.
"Dunya, Dunya, was machst du nur aus mir", murmelte ich vor mich hin und fuhr in Vollgas davon, nachdem sie drin war.
Zuhause angekommen begrüßte ich meinen Dad und legte mich sofort schlafen, da ich morgen in der Frühe noch zu einer Fortbildung musste.
Pünktlich erschien ich zur langweiligen Fortbildung und investierte ein und halb Stunden dort.
Danach holte ich Dunya ab, doch sie war nicht da. Ich rief sie an, doch sie ging nicht dran. Vielleicht war sie noch am schlafen.
Ich beschloss Seher anzurufen, die ranging.
"Wo ist Dunya?"
"Sie ist bei Arian. Das ist ein kleiner Nachbarsjunge. Also sie hat meine Wohnung schon verlassen."
"Komisch. Sie geht nicht ans Telefon."
"Hä echt? Wieso das? Soll ich mal bei Arians Mutter oder Okan anrufen?"
"Ja, ruf mich danach an."
Sie legte auf und ich tippte ungeduldig auf dem Lenkrad.
Sie rief nach fünf Minuten an und ich nahm ab.
"Ja?"
"Sie ist bei Arian."
"Ok gut. Sag ihr, dass ich sie dann nicht abhole."
"Okay."
Ich bog nach rechts und fuhr weg.
Zwei Wochen später:
"Hadi", half ich meinem Vater, dessen Niere dem Versagen nahe war und er nur ein Stöhnen herausbrachte.
"Los, noch ein paar Schritte, dann haben wir es geschafft", versuchte ich ihn aufzumuntern und er schaffte es durch meine Worte. Im Krankenhaus machte ich der Frau an der Rezeption ein Zeichen und sie rief sofort die Schwestern, die mir meinen Vater abnahmen und zur Untersuchung verschwanden. Ich hatte es schon geahnt. Ihm ging es in letzter Zeit echt schlecht. Seit Langem hatte er niedrigen Blutdruck. Mein Vater hatte seit Jahren Nierenprobleme. Nach einer halben Stunde trafen Dunya samt Okan ein. Meine Blicke blieben an ihr hängen und ich sah an ihren roten Augen, das etwas nicht stimmte.
Ich begrüßte Beide und wir warteten auf neue Informationen.
"Wo wart ihr beide?", unterbrach ich die Stille.
"Dunya war an der Fahrschule und ich arbeiten. Meine Eltern sind beide krank und sind aus diesem Grund Zuhause geblieben."
Wissend nickte ich und spielte an meiner Uhr.
"Mir fehlen nurnoch wenige Stunden, die ich bis zu meinem Führerschein fahren muss", lenkte Dunya das Thema in die andere Richtung und ich war ihr dankbar. Immernoch beobachtete ich ihre makellosen Gesichtszüge und ihre Grübchen, die beim Reden besonders herausstachen.
"Das ist gut", bekam ich aus mir und nahm nur schwer meine Blicke von ihr.
"Wie geht es Arian?"
"Super. Er sieht mich als große Schwester. Ich gehe jeden Samstag mit ihm Fußball spielen."
"Aber du kannst kein Fußball, stimmts?"
Lachend nickte sie.
"Ich bin eher der Zuschauer."
"Seid mal ruhig", sprach Okan eifersüchtig und sie verstummte.
Eine Krankenschwester rief mich, um mir Auskunft über die Lage meines Vaters zu geben. Ihm ging es soweit gut und wir besuchten ihn eine gute Stunde. Okan und Dunya gingen eher.
[...]
"Bin bei Seher. Hol mich in einer halben Stunde ab", las ich die Nachricht von Dunya und ich legte das Handy ins Fach des Autos.
Nach genau 30 Minuten rief ich sie an und das ganze ging 10 Minuten lang. Dann eben Seher.
"Hallo?"
"Wo ist Dunya? Sie war doch eben bei dir?"
"Hae? Wie sie war bei mir?"
Kurz herrschte Stille und sie sprach abrupt.
"Ahhh ja, sie war bei mir-
"Du kannst ihr den Arsch nicht mehr retten Seher. Wo ist sie?"
"Ich weiß es nicht."
"Wie du weißt es nicht? Ihr erzählt euch sogar, wenn ihr auf Klo geht."
"Ich kann es dir nicht sagen", murmelte sie leise.
"Wie du kannst es mir nicht sagen? Rück endlich raus Seher! Du weißt, dass ich es sowieso herausfinde."
Eiskalt legte sie auf.
Wütend fuhr ich in die Stadt und holte mir etwas warmes zu Essen. Nebenbei rief ich Dunya die ganze Zeit an. Nach einer Ewigkeit ging sie dran.
"Wo steckst du verdammt, ich rufe dich seit einer Stunde an."
Leise seufzte ich und lehnte meinen Kopf nach hinten. Dieses Mädchen macht mich verrückt. Kein Mucks gab sie von sich, weswegen ich wütend wurde. Doch ich sprach nicht, wartete auf eine Antwort.
"Wo steckst du überhaupt?", piepste sie leise mit ihrer wunderschönen Stimme.
Ich hörte ein gewisses Zittern in ihrer Stimme. Auf Anhieb merkte ich dass sie nervös war. Und darauf folgte das Auflegen ihres Handys.
Weiterhin rief ich sie an, doch sie nahm nicht an. Ihr Handy war aus.
Kurz darauf rief mich mein Vater an,  der zu mir meinte dass wir heute Abend zu Okan fahren würden. Dann eben Abend.
In der Zeit verabredete ich mich mit meinen Jungs und wir aßen etwas im Burger King.
"Miro du Schwuchtel. Hol ma Cola auf dein Nacken", sprach Sirac mit vollem Mund.
"Halt die Fresse du Sparfuchs. Jedesmal auf mein Nacken", sagte nun Miro und ich drückte ihm den Fünferschein in die Hand.
"Hol soviele Cola du davon bekommst. Ich will keine."
"Vay der Polizist muss schließlich auf seine Muckis achten."
Lachend boxte ich Fero.
"Wann ist dein nächster Kampf Bruder?"
"Erst in zwei Wochen."
Wissend nickten alle.
"Wir waren schon lange nicht mehr in die Moschee Jungs", sagte Ali.
Ali war der Gläubige unter uns, der uns nie vom falschen Wege abweichen ließ.
"Lasst am Freitag zum Gebet dahin", schlug ich vor und sie nickten.
Ich sah zum Handy und erst dann stach mir die Uhrzeit ins Auge. Ich war schon eine halbe Stunde spät.
"Jungs ich muss los."
"Wohin?"
"Dunya und Okan. Alle versammeln sich da."
"Tamam Bruder. Fahr vorsichtig es schneit", legte Fero seine Hand auf meine Schulter und ich gab jedem eine brüderliche Umarmung. Ruckzuck startete ich den kalten Motor und raste vom Parkplatz.
Vor Dunyas Haus parkte und ich entdeckte eine dunkle Gestalt an ihrer Tür. Sie lief weg, als sie mich aussteigen sah und es machte Klick in mir. Es war ihr Bedroher.
Sofort lief ich der Person hinterher und packte diese am Kragen.
"Wer bist du Spast?", zischte ich und nahm dessen Kufiya vom Mund.
"Sieh an, Kadir Demir. Kennst du mich noch?"
"Was willst du?"
"Die Frage ist, wieso du einen Brief um diese Uhrzeit bei Dunya im Postfach gesteckt hast."
Er verstummte.
Mit einer Hand nahm ich mein Handy und rief meinen Arbeitskollegen Michael an, der gerade Dienst hatte. Ich erklärte ihm die Situation und bat ihn, Kadir abzuholen und anschließend zu verhören, um der Sache auf die Spur zu gehen, da die Drohungen die Grenze überschritten hatten und der Tod hinter Dunya stand.
Nach fünfzehn Minuten wurde er abgeholt und ich war vom Schnee pitschnass. Vor dem Klingeln zog ich den Brief und verstaute diese in die Innentasche meiner Jacke.
Mein Onkel öffnete die Türe und ich trat herein.
"Du bist ja nass. Warst du etwa draußen unterwegs?"
Kurz nickte ich und machte mich auf dem Weg ins Wohnzimmer. Komischerweise waren diesmal sogar Dunyas Onkel und Tante gekommen.
Ich begrüßte jeden einzelnd und Dunya servierte mir das Essen. Nachdem Essen nahm ich das Geschirr und marschierte in die Küche, in der Dunya stand und das Geschirr wegräumte.
"So Madam. Du sagst mir jetzt, wo du den ganzen Tag gesteckt hast."
"Oh jetzt bin ich dir sogar eine Rechenschaft schuldig", verdrehte sie die Augen.
Langsam machte ich Schritte auf sie zu und drückte ihre Taille an die Theke. Beinahe berührten sich unsere Nasenspitzen, davor jedoch presste ich mich nah an sie.
Sie hielt inne, ihre kleinen Hände begannen zu zittern.
"Burak gleich kommt jemand", piepste sie mit blassem Gesicht.
"Mir egal", hauchte ich gegen ihre roten Lippen und sah mit verfinsterten Augen in ihre Augen.
Dunyas Sicht:
Unsere Nasenspitzen berührten sich und wir schlossen unsere Augen.
"Ich kann dich nicht küssen Dunya", hauchte er gegen meine Lippen und ich presste meine Lippen vor Wut zusammen. Plötzlich boxte er gegen die Wand hinter mir und ich öffnete meine Augen. Schwarz traf schwarz.
Ein eigenartiger Blitz setzte ich in meinem Herzen. Ich war dem Explodieren nahe. So sehr hatte ich Sehnsucht nach seinen Lippen, so sehr.
Wir sahen uns eine Weile an.
"Tut mir Leid", murmelte ich leise und ging aus der Küche mit einem Chaos im Kopf. Meine Herzarterie war wie verstopft. Ich Dummkopf hatte erwartet, dass ich seine Lippen spüren würde. Wie naiv ich doch bin.
Wenig später trat er herein und ich sah ihn nicht an. Wie soll ich das bloß überspielen?
"Wir sollten so langsam aufstehen. Wir haben schon 12 Uhr!", sprach meine nervige Tante. Endlich.
"Nein wartet", sprach Okan sofort und forderte alle, sich hinzusetzen.
"Wir haben euch nicht umsonst eingeladen. So glücklich wie ihr reingekommen seid, sollt ihr auch wieder mit einem Lächeln rausgehen."
"Ich verstehe nicht ganz", sprach Okans Vater.
Was babbelt er nur von sich?
"Dunya war heute beim Frauenarzt und sie ist schwanger."

Der charmante PolizistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt