Kapitel 23

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Fassungslos sah er mich an. Meine Ernsthaftigkeit war mir ins Gesicht geschrieben, weswegen er meinen Blick gleich hielt und es ruhig zwischen uns beiden wurde.
"Du willst das alles beenden?", fragte er.
"Richtig gehört, du brauchst es nicht zu wiederholen."
Kalt blickte ich in die Menschenmenge und zeigte keine Anteilnahme an diesem Gespräch.
"Wir machen nicht Schluss, ganz bestimmt nicht wegen deinem Bruder. Du brauchst eine Pause, definitiv", knurrte er mit Zorn in seinen Augen.
"Ich bleibe bei meiner Aussage", sprach ich und stand auf.
Danach legte ich einen Fünferschein auf dem Tisch und kehrte ihm den Rücken zu.
Draußen angekommen packte mich plötzlich eine Hand an meinem Oberarm und zog mich mit sich.
"Lass mich Burak!," schrie ich und er stoppte, nachdem wir weiter weg vom Café standen.
"Was ist dein Problem Dunya?", fragte er.
"Dass du mit Absicht meinen Bruder verhaftet hast! Dass du ganz genau weißt, dass wir nur uns gegenseitig haben und ich jetzt seinen Anwalt am Hals habe! Gerade dann, wenn ich arbeiten will und mir ein vernünftiges Leben aufbauen will, verdirbst du alles!", schrie ich und setzte mich weinend auf den kalten Bordstein.
Mir war es so scheiß egal, dass die Leute mich ansahen und dass ich mir höchstwahrscheinlich eine Blasenentzündung holen werde.
Ich spürte, wie er sich nieder kniete und seine Hände leicht meinen Rücken berührten.
"Ich will diese Beziehung nicht mehr führen! Versteh es endlich!", schrie ich und wusch meine Tränen weg, bis ich in sein Gesicht sah.
"Hör zu, ich habe nur meinen Job getan-
Kurz lachte ich.
"Bei Gott, halt deinen Mund bevor ich noch platze", sprach ich drohend.
"Mir reicht es, dass du mich nicht ernst nimmst. Lass mich einfach in Ruhe."
"Sag mal hast du deine Tage?", fragte er plötzlich und ich musste seine undefinierbaren Blicke knacken. Zur Schlussfolgerung fand ich heraus, dass diese Frage ernst gemeint war.
"Das meine ich Burak, exakt das", sprach ich leise und ging.
"Ich lasse dir Zeit, bis du dich beruhigst!", rief er mir zu und ich ging davon.
Anscheinend hatte er es nicht verstanden, dass ich ganz einfach Schluss gemacht habe.
Tränen traten mir in den Augen und verschwommen meine Sicht, weswegen ich mich darauf konzentrierte, nicht orientierungslos rumzulaufen.
Tief atmete ich aus und schluchzte.
Ich setzte mich auf die Bushaltestelle und spürte bereits die Blicke von den Menschen auf mir. Entweder sollten sie mich trösten oder ignorieren, dieses Geläster ging mir auf die Nerven.
Irgendwie sah ich es garnicht ein, dass es ganz klipp und klar aus zwischen Burak und mir war. Niewieder mehr würde ich ihn küssen oder gar umarmen können. Ich liebte ihn, klar sehr sogar, aber es war meine volle Absicht Schluss zu machen: Wenn er sich traute mir meinen Bruder zu nehmen, dann konnte ich mich auch trauen, einen Punkt in diese Geschichte zu setzen. Ich realisierte diese Trennung kaum.
3 Wochen später:
"Ich tue mein Bestes", sprach ich zu meinem Bruder und drückte seine Hand fest.
Er war so kaputt, sein Aussehen hatte an Müdigkeit gewonnen und sein Bart viel länger.
"Ich danke dir, dass du trotz alldem, was geschehen ist, hinter mir stehst."
Ich nickte und meine Besuchszeit war auch schon zu Ende.
Wenigstens verlief meine Arbeit sehr gut, dachte ich mir und fuhr mit dem Bus zum Hotel. Im Zimmer riss ich meine Briefe auf und meine Lunge erengte sich.
"350€", hauchte ich und blickte zweimal auf den Brief.
Dieser Anwalt würde mich mit Sicherheit in die Armut ziehen. Leicht traumatisiert von dem unerwartet schrecklich hohen Betrag ließ ich mich auf das Bett fallen und dachte scharf nach. Wie lang würde das noch weiter gehen? Mein Inneres brodelte, denn eine neue Wohnung würde wohl oder übel nicht in Frage kommen. Manchmal fragte ich mich echt, woran es lag, dass ich so dermaßen fies von dieser Welt behandelt werde.
Müde rieb ich meine Augen, doch ich hatte keine Zeit, jetzt schlafen zu gehen.
Schließlich wollte Seher jeden Moment kommen. Zwar wollte ich allein sein, doch ich wusste, dass sie es tat, um mich in diesen schweren Zeiten zu unterstützen. Meine Geldprobleme hatte ich für mich gehalten, denn Seher würde mir sonst Geld geben und genau das war der Punkt, welches ich vermeiden wollte.
Jedenfalls besuchte sie mich und fragte nach meinem Bruder. Es waren jedesmal unterschiedslose Fragen.
"Ich überlege zu studieren", sagte sie plötzlich und ich lächelte.
"Woher der plötzliche Gedanke?", fragte ich interessiert.
Sie schnalzte mit der Zunge und kicherte.
"Du wirst es nicht glauben, aber ich habe beschlossen, Deutschlehrerin zu werden."
Meine Augen weiterten sich aus.
"Bist du dir da ganz sicher?", fragte ich.
"Ja."
"Nadann wünsche ich dir noch viel Erfolg", lachte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
[...]
Unter Zeitdruck stehend bearbeitete ich meinen Stapel voll mit Blättern.
Plötzlich hörte ich die Stimme meines Chefs und erstarrte.
Unauffällig drehte ich um und sah ihn mit meinem Arbeitskollegen am Reden.
Ich tippte meine letzte Mail ab unf schon erreichte er mich.
"Frau Aydin?", hörte ich ihn und widmete ihm meine Aufmerksamkeit.
"Ja bitte?"
"Ich möchte, dass sie mir bis nächste Woche einen Flug nach Italien buchen. Der Rückflug sollte zwei Tage danach sein."
Wieso wollte er nach Italien? Hatte er dort etwa ein Meeting? Er hatte Verbindungen nach Italien, jedoch nicht viel.
"Ich sehe ihre fragenden Blicke. Ich hab ein wichtiges Termin mit dem Vorgesetzen der Partnerfirma. Wir sind dabei eine neue Campagne zu kreieren."
Ich nickte nur.
"Wird gemacht", lächelte ich und er streifte mit seinen Augen über meinen Körper.
Nach Selbstbeherrschung ringend versuchte ich mein Lächeln bloß nicht zu verlieren. Nachdem er verschwand, kontinuierte ich meine Arbeit.
Gegen sechs Uhr hatte ich Feierabend und verabschiedete mich von meinen höflichen Arbeitskollegen. Bereits am Eingang erreichte ich Seher und wir verließen zusammen die Firma.
"Wohin gehen wir überhaupt?", fragte ich sie und sie zuckte frech die Schulter.
"Überraschung. Es ist aufjedenfall wichtig."
Vor einer Shishabar blieb sie stehen. Nein, das kam nicht in Frage.
"Vergiss es, nein!", sprach ich und wollte gehen, doch ihre Hände hielten mich auf.
"Hör zu! Mein Ex befindet sich dort, bitte."
"Es ist aus zwischen euch, was willst du noch von ihm?", fragte ich gereizt.
"Heute hat Burak frei und er ist mit Sicherheit da drin. Ich will ihn nicht sehen."
"Sag mal willst du dein Leben lang weglaufen? Du wirst ihn so oder so begegnen. Wenn nicht jetzt dann-
"Dunya?"
Meine Atemzüge beschleunigten sich und ein Lächeln schlich auf Sehers Lippen. Das war ihr Plan gewesen. Diese Begegnung war ihr Ziel.
Ich drehte mich nicht um, sondern hatte meine Augen erschrocken aufgerissen. Fassungslos starrte ich Seher an, als ich hinter mir Schritte hörte und er nun vor mir stand.
Seher ging. Sie ging einfach. Eiskalt ließ sie mich hier stehen. Mit ihm.
"Lass uns reden, hadi."
Kurz schüttelte ich meinen Kopf und sah zu Boden. Ich würde ihm keinen Blick würdigen.
"Ich werde dich nicht einfach so Schluss machen lassen. Du weißt es ganz genau, also los. Es ist nicht vorbei."
"Nimm mich einfach ernst. Es sind drei Wochen vergangen und ich habe keines deiner Anrufe drangenommen. Ich will nicht mehr. Punkt."
Er sah um uns herum und nahm meine Hand. Es würde nichts bringen, ihm zu widersprechen, weil seine zweite Strategie Tragen wäre. Etwas weiter weg in einer Gasse standen wir nun.
Ich lehnte meinen Kopf an die kalte Felsenwand und verschränkte meine Arme über meine Brust.
Plötzlich legte er seine Hand auf meine Wange und bekam mich weich, denn meine Gesichtszüge wurden sanfter. Ich liebte ihn so dermaßen stark.
"Seher hat mir erzählt, dass du so oft am weinen warst wegen mir. Bak du liebst mich und ich dich. Wieso tust du uns das an?", fragte er leise.
"Weil du in meinen Augen die Grenze überschritten hast. Ich kann nicht mit einem zusammen sein, der mich mit Absicht verletzt. Du hast mich unterschätzt. Ich liebe meinen Bruder. Er hat mir meine Kindheit mit seinen Erinnerungen geschenkt, er hat sie gefüllt."
"Es war spontan Dunya. Ich wollte ihn nicht festnehmen und auch habe ich erst später realisiert, dass du da warst. Ich wurde spontan eingesetzt, weil ein Kollege länger gebraucht hatte."
"Du hast mir nicht erzählt gehabt, dass ihr auf der Suche nach meinem Bruder wart. Und dieser Plan lief seit Längerem, auch das hast du verleugnet!"
"Das versuche ich dir doch zu erklären Dunya. Es ist meine Pflicht, solche Informationen nicht weiter zu geben. Ich darf es einfach nicht."
Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich sah zu Boden.
"Du kannst nicht einfach so Schluss machen."
Plötzlich zog er mich in eine Umarmung und ich fühlte mich seit drei Wochen geborgen.
Doch um meine Gefühle zu unterdrücken, entzog ich mich ihm.
"Wag es nicht", sprach ich und kehrte ihm den Rücken zu. Mal wieder.
Er rief mir hinterher, doch ich war viel zu Feige, mich ihm zu stellen, weswegen ich davon lief.
Mein Leben war ein Desaster. Ich wusste selbst nicht einmal, ob ich ihn verlassen wollte oder nicht. Es war kompliziert, denn mein Fokus lag zu dieser Zeit bei meinem Bruder.
Vielleicht war es diese unkontrollierbare Wut, die mich dazu anstiftete.
[...]
"Ihr Bruder war an einem Mord beteiligt."
Ich erstarrte und mein Körper wurde stocksteif. Meine Gesichtszüge nahmen an Spannung zu und meine Sprache war verschlagen. An einem Mord beteiligt? Das kam total unerwartet und ich musste schlucken, ehe ich mich nach hinten lehnte und versuchte, meine Haltung aufzulockern, denn es herrschte ein Chaos in mir.
"Wie bitte?", kam ein Hauch entsetzt aus mir und ich blinzelte zweimal, ehe er mir ein Glas Wasser anbot.
Dankend nahm ich dieses zur Hand und ließ die erfrischende Flüssigkeit durch meinen der Wüste ähnelnden Hals herunter gleiten.
"Das habe ich auch kürzlich erst erfahren und das wird um einiges schwerer. Er war nicht der Mörder, doch Mittäter. Es liegt ein Beweis vor und wenn wir diesen prüfen lassen, dann wird es mir leichter fallen, seine Strafe zu vermindern."
"Wie-wie lange wird dieses Prozess laufen?"
"Noch lange Frau Aydin. Sie müssen Geduld haben."
Aber du machst mich noch pleite, dachte ich mir und ging. Das konnte doch nicht wahr sein.
Draussen auf der Bushaltestelle ließ ich mich nieder, senkte meinen Kopf und vergrub meine Hände in meinen Haaren.
"Lass es ein Traum sein lieber Gott", flüsterte ich vollkommen hilflos.
Ich versuchte tief ein zu atmen und mein Leben als positiv zu sehen, doch nichts klappte.
Mir wurde schwindelig, als ich aufstand und ins Hotel marschierte. Das konnte echt nicht wahr sein, dass ich Monate in diesem Hotel verbracht habe und wahrscheinlich noch werde. So ein verdammter Dreck.
[...]
"Seher hat es mir erzählt."
"Geh mir aus dem Weg verdammt!", zischte ich und versuchte mich durchzudrängeln.
"Mir reicht es Dunya", wurde er wütend und fasste mich an den Schultern, sodass ich still stand und er wütend nach Luft schnaubte.
"Du bleibst jetzt ruhig und hörst mir zu! Entweder kommst mit mir mit oder ich muss dich tragen."
"Vergiss es Burak", lachte ich falsch.
"Nagut, dann habe ich wohl keine andere Wahl", sprach er plötzlich und wollte mich an meinen Beinen fassen, ehe ich auswich.
"Okay! Ich gehe!", sprach ich rasch und er war zufrieden.
In seinem Auto schloss er es extra ab und lehnte sich nach hinten.
"Ich brauche deine Hilfe nicht Burak", sprach ich genervt.
"Du brauchst nicht auf kalt zu tun, ich kenne dich mittlerweile gut genug. Wer ist dein Anwalt, das du so schnell bankrott gegangen bist?"
"Wieso sollte ich dir das sagen? Du denkst doch nicht wirklich, dass ich dir mein Herz ausschütte? Du allein hast mich in diese Situation gebracht Burak."
"Zick nicht rum Dunya."
Ich lachte dämlich und sah mit verschränkten Armen aus dem Fenster. Das würde nichts nutzen. Wir würden nur dumm rumdiskutieren und ich wütend davon laufen. Also schweige ich einfach.
"Nenn mir den Anwalt. Er nutzt dich aus."
"Woher-
"Ich hab deine letzten Bankauszüge ausgedruckt mit all den Rechungen."
"Du hast was?", fragte ich baff und riss meine Augen auf.
"Wie?"
"Das ist unwichtig. Was ich dir sagen will ist, dass du verarscht wirst. Er zieht dich ab."
"Er ist einer der besten Anwälte."
"Das glaubst du. Du liegst völlig falsch. Kündige ihn."
"Ja genau, damit mein Bruder am Arsch ist. Du wünschst mir das Schlimmste, kann es sein?"
"Niemals Dunya. Ich helfe dir und bin bereit, deine Rechnungen zu zahlen, nur hast du den falschen Anwalt erwischt. Ich warne dich doch nur."
"Versuch es erst garnicht Burak."
Wieder stauten mir Tränen in den Augen, doch ich sah aus dem Fenster.
Er fuhr los. Natoll und ich kann nichts dagegen tun. Jedesmal muss ich seinen Anweisungen folgen. Er parkte vor seiner Wohnung.
"Vergessen wir-
"Ich will nach Hause."
"Sei endlich ruhig und gehorch mir Dunya! Wir haben nicht Schluss! Du bist nur wütend auf mich."
"Ach so ist das also? Dass du mich zwingst mit dir zusammen zu sein oder was? Lass es endlich sein Burak.."
"Du übertreibst-
"Wag es nicht deinen Satz zu beenden. Ich hasse es, wenn du mit sowas ankommst."
"Fall mir nicht dauernd ins Wort!"
"Schließ dieses scheiß Auto auf!", schrie ich ebenfalls und es wurde ruhig.
"Schreien nützt nichts Dunya. Es tut mir Leid. Bitte denk darüber nach. Ich will dich heiraten, du bist meine Frau."
Ich wurde auf Anhieb weich und sah zu Boden. Irgendwie fühlte ich mich schlecht.
Unerwartet klingelte sein Handy und er nahm ab. Tränen stauten sich in meinen Augen und ich konzentrierte mich stets darauf, keine Träne zu verlieren.
"Ja?", hörte ich Burak, doch nicht die Person an der Leitung.
Mitten im Gespräch legte er seinen Finger unter meinen Kinn und hob diesen, sodass meine Augen seine trafen, die mich weich und leidenschaftlich ansahen.
"Heute?", fragte er am Handy.
Natoll, er musste wohl oder übel weg. Genau dann, wo wir es klären wollen.
"Ich muss schauen, weil ich dieses Mal Nachtschicht habe."
"Ich hab grad zu tun."
Ich verlor mich immer mehr in seinen Augen und immer mehr die Geduld. Burak sah mich mit einem seltsamen Blick an.
"Warte Mal kurz", sprach er und machte das Handy auf stumm.
"Was guckst du mich so an?", fragte er beleidigt.
Plötzlich legte er seine Hand an meinem Nacken und zog mich mit einem Ruck zu sich ehe er mich abrupt küsste und ich eigentlich nicht wollte, aber dieser Idiot mich in den Bann zog. Ich liebte ihn fürchterlich und sogar meine Wut verlierte gegen diese Liebe.
Das Schlimme war, dass er derjenige war, der sich von mir löste und ich innig seufzte. Ich war so naiv, so naiv. Er machte sein Handy wieder auf laut und ich wartete.
"Musste kurz was Wichtiges erledigen", sprach er und sah mich von der Seite an. Das machte er mit Absicht. Er wollte mich um den Finger wickeln.
Während er telefonierte, spielte ich mit meinen uninteressanten Fingern. Dann legte er auf und ich spürte sein Lächeln.
"Ich hab abgesagt", sprach er und ich nickte.
Du wirst es nicht schaffen mich weich zu bekommen Burak.
"Lass uns zu mir und abschalten. Sieh dich an Dunya, du kümmerst dich mehr um deinen Bruder als um dich. Du brauchst Pause."
"Ich werde nicht nachlassen, bis er draußen ist."
Er seufzte vor Wut.
"Hadi komm."
"Vergiss es. Es ist kompliziert zwischen uns und du tust so, als wäre nichts."
"Weil ich alles auflockern will Dunya. Ich halte das nicht mehr aus, wie lange willst du mich noch quälen?"
"Ich hab dir gesagt, was ich davon denke", sprach ich immernoch bei meiner Meinung.
"Wie stur muss ein Mensch sein? Oh mein Gott echt! Du bist eine Wand Dunya, eine Wand!"
Er wurde wütend, doch bei seiner Ausdrucksweise musste ich innerlich lächeln.
"Manchmal denk ich echt, was in dir gefahren ist. Wir hatten uns versprochen, dass wir uns niemals trennen."
"Ich weiß ja", murmelte ich und sah zu Boden.
Aufeinmal wurde ich wieder mulmig und schloss kurz meine Augen.
"Gib mir paar Tage, ich muss alles in Ordnung bringen. Ich bin durcheinander."
"Ich helfe dir von mir aus finanziell Dunya. Ich weiß du willst es nicht hören, aber mein Schatz das kostet schweineteuer, vorallem wird dieses Prozess so lange dauern, weil es sich um einen Mittäter handelt."
"Ich werde es selbst versuchen Burak, das weißt du."
"Sobald du aber pleite bist, dann weisst du wem du Bescheid gibst."
"Jahaaa", seufzte ich und sah aus dem Fenster.
"Ich gehe dann-
"Ich fahr dich."
Ich sagte nichts, denn er bemerkte meine schlechte Laune so oder so.
Er ließ mich vor dem Hotel ab und ich ging in mein Zimmer.
Tag des Gerichts:
Der Tag war gekommen. Ich hatte die Nacht nicht geschlafen, nein, ich musste dauerhaft an meinen Bruder denken. Die Nacht war unfassbar misslungen und ich sah noch nie so schrecklich aus. Ich war total müde, doch konnte wegen meinem sprechenden Kopf einfach nicht einnicken.
Um Punkt 8.30 Uhr verließ ich das Hotel und machte mich auf dem Weg zum Gericht. Es war ein langer Prozess und ich hatte Monate in diese Armut investiert, doch überlebt. Burak hatte ich seit zwei Tagen nicht zu Gesicht bekommen. Ich meldete mich an, gab meine Sachen ab und betrat das große Gebäude, meine Augen suchend nach der Zimmernummer.
Es dauerte noch eine Weile, doch der Anwalt war da und erklärte mir das Programm. Es war nicht der vorherige Anwalt, den hatte ich unverzüglich gekündigt und einen neuen arrangiert. Nach rund zwanzig Minuten wurde es Zeit. Mein Bruder kam samt Polizeibeamte und ich fing erneut an zu zittern. Angst. Er sah mich entschuldigend an und ich lächelte krumm. Mein armer großer Bruder.
Wir betraten den Saal und der Richter erlärte den Prozess zur Eröffnung. Es dauerte unfassbar lange. Der Anwalt war jedoch gut dran. Mein Bruder steckte trotzdem in der Klemme. Stunden von Stunden vergingen. Ich schwitzte und die Luft wurde stickig.
Am Ende war es soweit. Ich konnte nicht beurteilen, ob es gute oder schlechte Zeichen waren, was nun passieren würde, denn ich hatte kein Wort so richtig mitbekommen. Vielmehr war ich in meinen Gedanken und hatte eher Augenkontakt zu meinem Bruder.
"...zur Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten", hörte ich und erstarrte.
Mein Bruder blickte mir in die Augen und ich bekam Tränen in den Augen. Es war vorbei.
Die Gerichtsverhandlung endete.
Nur schnell rannte ich zu ihm.
"Abi", hauchte ich und er sah mich traurig an.
"Meine Freunde werden nach dir sehen und dir meine Wohnung zeigen. Wohn dort und im Wohnzimmer in der Schublade findest du Bilder und Informationen über unsere Familie."
Ich nickte einfach nur und er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Das wars dann wohl. Sie führten ihn weg.
Nun war er weg. Fort. Man würde ihn jahrelang ins Dunkle sperren. Und dann huschten meine Gedanken zu unseren Eltern. Würden sie noch leben, dann wären sie total enttäuscht und traurig. Draußen ließ ich mich auf die Treppen nieder und sah zuletzt, wie der Polizeibulli samt Emre Abi wegfuhr. Ich spürte Leere und schloss meine Augen. Ich war grad mal 19 und sammelte solch schreckliche Erfahrungen. Doch ich weinte nicht. Ich hatte genug geflennt und sollte echt nicht bei jeder Scheiße rumheulen. Von Weitem sah ich, dass ein Mann aus einem Auto ausstieg und in meine Richtung kam. Er wirkte angsteinflößend und stellte sich vor mir, ich hingegen saß auf der Treppe, weswegen ich nach oben schauen musste, um in sein Gesicht zu blicken. Als er sich vor mich stellte, verschwand die Sonne und ich spürte den kalten Schatten, den er über mich verursacht hatte.
"Kennt man sich?", fragte ich und er lächelte leicht.
"Jetzt schon", sprach seine raue Stimme und ich sah ihn verwirrt an.

Der charmante PolizistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt