~1. Choice ~

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"Moon, Sie sind dran." Ich nickte der Sekretärin dankend zu, während ich hastig auf stand und meine schwarze Handtasche nahm. Hoffentlich bekomme ich ein Rudel weit weg von hier, dachte ich nervös, während ich langsam auf die Holztür zutrat und anklopfte. "Herein!", rief eine männliche Stimme von drinnen. Ich schluckte, sah noch einmal an mir herunter und fuhr mir durch mein rabenschwarzes Haar. Ich trug eine rot karierte Bluse und eine schwarze Jeans. Über der Bluse eine schwarze Fell-Weste. Meine einzigen Kleidungsstücke.
Bevor der Mann noch ungeduldig wurde, trat ich schnell ein und schloss die Tür hinter mir. Dann drehte ich mich zu dem Mann um, der in der Mitte des Raums in einem großen Sessel saß. "Setzen Sie sich doch", begrüßte er mich ausdruckslos. "Danke." Ich durchquerte den Raum und setzte mich ihm gegenüber auf einen Stuhl. Der Mann hatte blonde, gegeelte Haare und unnatürlich hellblaue Augen. Sein Blick schien sich fast in meinen zu bohren, als er mich musterte. Darüber hinaus trug er einen schwarzen Anzug.
"Mein Name ist Cole, und mit wem habe ich das Vergnügen?"
Ich lächelte Cole an. "Nennen Sie mich Moon."
"Moon..." Cole sah mir noch immer in die Augen. Sein innerer Wolf schien mit meinem um die Dominanz zu kämpfen, und nur als Zeichen, dass ich sehr wohl rebellisch war, erwiderte ich seinen Blick einige Sekunden lang stumm. Dann senkte ich den Blick und unterwarf mich ihm somit.
"Und Sie sind heute hier weil..."
"...Ich kürzlich 18 wurde und nun bereit bin, meinen Platz einzunehmen", führte ich Coles Satz zuende.
"Wann ist ihr Wolf zum ersten Mal erschienen?"
"Vor zwei Monaten. Da habe meine Eltern mich rausgeworfen." Ich erwähnte nicht, dass ich ein Medaillon meiner Mutter besaß. Ich hatte sie sehr geliebt.
"Und gab es sonst besondere Vorkommnisse seit Ihrer ersten Verwandlung?" Cole musterte mich immer noch kühl.
Ich zögerte kurz. "Da...nein, nicht wirklich. Aber ich habe seitdem häufiger diesen Traum..."
Cole nickte. "Erzählen Sie ihn mir."
Und ich begann.

Eine Stunde später verließ ich schwitzend den Raum. "Auf Wiedersehen, Cole", lächelte ich. Das erste Mal schien so etwas wie Freundlichkeit in Coles Gesicht auf zu blitzen. "Möge Diana dich beschützen, Kind." Als ich mich noch einmal zu ihm umdrehte, glühten seine Augen gelb. Meine innere Wölfin regte sich, suchte verzweifelt einen Weg nach draußen. "Nur Geduld. Ich werde dich schon rauslassen", versprach ich ihr flüsternd, während ich den Gang entlang lief, die große Drehtür auf drückte und nach draußen trat. "Wie findest du eigentlich den Namen meines neuen Rudels? Jäger des Nordens. Klingt doch cool, oder?" Ich war etwas verrückt, selbst für einen Werwolf. Denn ich kannte niemanden, der mit seinem inneren Wolf redete. Nur ich tat das, wahrscheinlich als Vorwand, mit mir selbst zu reden. Denn meine innere Wölfin konnte nicht antworten. Stattdessen schmiegte sie sich an mich.
Wir Werwölfe, oder Homo lupus, wie wir uns lieber nannten, lebten unentdeckt unter den Menschen. Wir waren auf der ganzen Welt in einige Rudel verteilt, und jedes Rudel hatte einen Alphawolf. Aber über allen Alphawölfen stand der große Alpha. Er führte unsere "Organisation" an.
Wir Werwölfe mussten natürlich erst mal in solche verwandelt werden. Beziehungsweise waren wir als solche geboren worden. Früher gab es einmal Werwölfe, die zuerst Menschen waren und erst gebissen worden waren. Aber die Menschen haben sie ausgerottet. Es heißt, der große Alpha sei der letzte gebissene Werwolf.
Nachdem wir 18 Jahre alt waren, also von unseren Eltern weggezogen waren, konnten wir einem der vielen Rudel beitreten, oder aber als Einzelgänger in der Organisation leben. Beides hatte seine Vorteile.
Doch ich wollte in ein Rudel.
Dort würde ich eine Ausbildung bekommen, in Jagen, Verwandeln, vielleicht sogar Kämpfen. Ich würde mit anderen Werwölfen unter einem Dach leben, und an den Vollmonden könnten wir uns zusammen verwandeln und umherstreifen.
Ich seufzte und überquerte den Parkplatz. Vor meinem roten Mercedes blieb ich stehen.
Ich war diesen Sommer 18 geworden, hatte den Führerschein gemacht und hatte die Schule abgeschlossen. Eigentlich wollte ich jetzt auf's College gehen, aber vielleicht gab es ja dort, wo mein zukünftiges Rudel lebte, ja auch eins.
Ich stieg in mein Auto und startete den Motor. Ein kurzer Blick auf mein Handy zeigte mir an, dass ich eine SMS von einer unbekannten Nummer bekommen hatte. Neugierig öffnete ich sie. Da Werwölfe außergewöhnlich schnelle Reflexe hatten, sehr gute Augen und auch sonst den Menschen weit überlegen waren, machte ich mir keine Sorgen, Auto zu fahren, ohne auf die Straße zu schauen.
Die SMS war von Cole. Ich wunderte mich, woher er meine Handynummer hatte.

Hallo, Moon. Vielleicht wundern Sie sich, woher ich ihre Handynummer habe. Aber naja, egal.
Ihr zukünftiges Rudel lebt in L.A. Weit weg von hier, genauso, wie Sie wollten. Ich habe einen Flug für Sie gebucht, morgen, um 5 Uhr morgens. Und ich habe den Alpha der Jäger des Nordens über Ihre baldige Ankunft informiert. Der Rest liegt nicht mehr in meiner Hand. Leben Sie Wohl,
Cole.

Ich überlegte, Cole zurück zu schreiben, entschied mich aber dagegen. Er war wirklich nett. "Na, Wölfin?", fragte ich fröhlich. "Morgen geht's auf nach L.A!"

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