~ 9. New ~

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"Aufstehen! Aufstehen!" Ich knurrte unwirsch und drehte mich herum. "Moon, aufstehen!"
"Ich komme ja!", schrie ich und setzte mich auf. Vi stand vor meiner Zimmertür, klopfte und rief.
"Okay, ich bin unten", meinte er und dann hörte ich Schritte auf der Treppe. Ein Kichern, dann war es still. Seufzend setzte ich mich auf, ging ins Bad und zog mich danach an. Dann ging ich langsam nach unten.
Am Frühstückstisch erwarteten mich schon Vi und Liz, außerdem saßen Runa und Azur am Tisch, von Arian keine Spur. Ich nickte Runa respektvoll zu und ging zu meinen beiden Freunden. Eine angespannte Stille lag in der Luft. Fast so, als würden alle etwas großes erwarten.
Ich schwieg ebenfalls und nahm mir eine Scheibe Brot.
"Es ist Vollmond", platzte es schließlich aus Vi heraus. Ich grinste. Stimmt, das hatte ich ganz vergessen.
Aufgeregt lächelte Liz mich an. "Wir treffen uns jeden Vollmond im Wald auf einer Lichtung. Dort, wo die..."
"...Grabsteine stehen?", wollte ich wissen. Liz nickte. "Ja. Dort sind Werwölfe aus dem Rudel begraben, die im Kampf gegen die Menschen gefallen sind. Es ist so was wie ein Heiliger Ort."
Ich nickte. "Ich werde da sein."
"Gut." Liz bestrich ihr Brot mit Butter und biss hinein. "Du solltest ihr auch von unserer Tradition erzählen", bemerkte Runa, die mich aufmerksam musterte. Ich schluckte. "Ist die schlimm?"
"Nein, überhaupt nicht!" Vi musste lachen. "Bei uns ist es Tradition, dass die Neuen im Rudel -nur spaßeshalber - gegen den Alpha kämpfen müssen. Bevor wir uns verwandeln."
Mein Herz machte einen Sprung. Ich durfte gegen Arian kämpfen!
"Und damit ich als deine Mentorin nicht blöd dastehe, musst du dein Bestes geben", verlangte Runa.
Ich nickte. "Klar."
"Wir müssen dann!" Vi zeigte mir seine Armbanduhr. "Kommt, fahren wir zum College."
Ich nickte und ich, Vi und Liz erhoben uns. "Bis später, Runa." Runa verabschiedete mich mit einem Kopfnicken. Als ich mir meine Umhängetasche schnappte, schweiften meine Gedanken zu dem Haus nebenan ab. "Wisst ihr eigentlich schon, wer jetzt in das Haus eingezogen ist?", fragte ich neugierig. Vi schüttelte den Kopf und nahm die Autoschlüssel.
Als wir nach draußen traten, sah ich zum Nachbarhaus hinüber. Dort stand immer noch der weiße LKW. Ich stieg hinten ins Auto und bemerkte, dass Liz sich neben Vi auf den Beifahrersitz gleiten ließ. Als ich sie fragend ansah, grinste sie.
Vi startete den Motor und wir rollten aus dem Grundstück.
Ich sah zu dem LKW und erkannte einen Jungen etwa in meinem Alter, der aufgeregt mit Leuten in weißer Kleidung diskutierte.
"Ist das vielleicht unser neuer Nachbar?"
Liz sah aus dem Fenster. "Der ist ja süß."
Ich verdrehte die Augen. "Liz!"
Vi knurrte unterdrückt. Verwirrt sah ich ihn an, Liz wurde rot. "Was ist?", fragte ich.
"Nichts." Schnell gab Vi Gas und bald war das Nachbarhaus außer Sicht.

Es klopfte. Neugierig sah ich von meinem Heft auf, in das ich gerade gedankenverloren Wolfsköpfe gezeichnet hatte.
"Herein!" Herr Steiner, unser Kursleiter, sah ebenfalls zur Tür.
Diese öffente sich langsam und ein blonder Junge streckte seinen Kopf durch die Tür.
Es war unser neuer Nachbar.
Er hatte freche Sommersprossen und graue Augen. Meine Wölfin witterte. Er war kein Werwolf, sondern ein Mensch.
"Hallo", begrüßte uns der Junge nervös und leicht schüchtern. "Ich bin neu hier. Tut mir leid wegen der Verspätung."
"Macht nichts. Dürfte ich Ihren Namen erfahren?" Herr Steiner wirkte leicht entnervt.
"Erik Low."
"Danke, setzen Sie sich einfach irgendwo dazu." Erik ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Dann setzte er sich schräg vor mich, neben einen Jungen namens Tim. Ich starrte auf seinen Rücken und überlegte, ob er ein Soldat der Menschen war. Mach dich nicht lächerlich, dachte ich unwillkürlich. Dafür ist er doch viel zu schmächtig. Aber warum zieht er dann ausgerechnet in ein Haus, das schon seit Jahren leer steht und zufälligerweise gleich neben dem Rudelhaus steht? Und das auch noch an Vollmond? Auf einmal hatte ich eine Gänsehaut.
Aber wenn es stimmt, dass sie um keinen Preis wollen, dass die Öffentlichkeit von uns erfährt, dann würden sie uns auch nie in der Öffentlichkeit angreifen. Wir müssen nur immer zusammen bleiben.
Schnell kritzelte ich das auf einen Zettel und reichte ihn heimlich an Liz weiter. Sie las ihn, sah mich dann an und nickte. Dann reichte sie ihn an Vi weiter, der es ebenfalls durchlas und grimmig nickte. Ich bedeutete Vi, den Zettel zu zerreißen.
Er riss ihn in Stücke und warf die Schnipsel in den Müll.
Vorne an der Tafel hatte Herr Steiner wieder angefangen, zu reden. Ich versuchte, mich auf den Kurs zu konzentrieren und stützte meinen Kopf in meine Hand.

Nach dem Unterricht verließ ich zusammen mit Vi und Liz das Gebäude. "Ich habe jetzt noch zwei Kurse", teilte uns Vi mit. Liz sah mich an. "Hast du jetzt Schluss? Ich habe noch mit Vi einen Kurs und dann esse ich noch hier zu Mittag. Wollen wir vielleicht dann zusammen was essen gehen?"
"Ich hole mir jetzt was von Starbucks", entschuldigte ich mich. "Nehmt ihr das Auto, ich gehe zu Fuß." Verschwörerisch zwinkerte ich den beiden zu. Vi sah mich skeptisch an. "Aber du hast selbst gesagt, dass wir immer zusammenbleiben sollten. Wegen dem da." Er zeigte auf Erik, der gerade aus dem Gebäude kam und sich angeregt mit Tim unterhielt. Kurz fiel sein Blick auf uns - bewusst oder unbewusst, konnte ich nicht sagen - dann hatte er sich wieder auf das Gespräch mit Tim konzentriert.
"Ich rufe Arian an, damit er mich abholt", verbesserte ich mich schnell. In Wahrheit dachte ich gar nicht daran. Vi nickte und ich verabschiedete mich von den beiden. Dann ging ich über den Rasen, am Parkplatz vorbei und sah mich unauffällig nach Erik um. Er ließ sich gerade mit Tim in einer ungestörten Ecke nieder. Ich blieb unschlüssig stehen.
Dann stand Tim plötzlich auf und ging davon.
Leicht panisch sah ich mich um. Die meisten Studenten waren schon wieder ins Gebäude gegangen oder nach Hause gefahren.
Ich und Erik waren alleine in der Ecke.
Mein Herz begann, zu rasen.
Bevor Erik mich sah, wollte ich weggehen.
Doch dann drehte er den Kopf und strahlte mich an.
Seine blonden Haare leuchteten in der Sonne.
Ich sah etwas in seinen Augen aufblitzen, als er mich erkannte.
Als eine Werwölfin.
Erik stand auf und kam auf mich zu.
Nein! Nein, geh weg, geh weg, geh weg.
Ich wollte mich umdrehen. Wollte weglaufen. Aber ich stand da wie versteinert. Wie von selbst wanderte meine Hand zu meinem Mund, ein ersticktes Keuchen erklang.
"Hallo." Erik war nun bei mir angekommen. Warum hatte er noch keine Waffe gezogen?
Wieder dieser merkwürdige Ausdruck in seinen Augen.
"Wer bist du? Ich kenne dich aus einem Kurs. Ich bin Erik." Sein Lächeln wirkte warm und überhaupt nicht falsch, aber vielleicht versuchte er auch nur, mich zu täuschen.
"Mo... Mo..."
Erik lächelte. "Hallo, Momo. Schön, dich kennenzulernen."
Ich starrte ihn einfach nur an.
Er will dir nichts Böses. Er ist ein Mensch. NUR ein Mensch.
"Hi." Ich rang mir ein Lächeln ab. "Moon. Mein Name ist Moon."
"Hey, macht es dir was aus, wenn ich dich trotzdem weiter Momo nenne? Ich mag den Namen. Außerdem passt er zu dir."
Ich nickte stumm.
"Ich glaube, wir sind Nachbarn", fuhr Erik fort. "Ich hab dich nämlich heute gesehen, wie du mit dem blonden Jungen und dem Mädchen aus dem Haus gekommen bist."
Ich nickte wieder. "Vi und Liz sind meine beiden Fr... Geschwister."
"Tatsächlich?"
"Ja." Wir Werwölfe behaupteten, miteinander verwandt zu sein, wenn jemand fragte. Sonst fänden die Menschen es sicherlich seltsam, dass so viele Leute unter einem Dach lebten und würden Fragen stellen.
"Aber...Ich muss dann. War schön, dich kennenzulernen!"
Ich sah noch einmal über die Schulter und erblickte Erik, der mir nachschaute. Das Sonnenlicht brach sich in seinen Haaren und ließ sie in einem warmen Goldton erstrahlen.
So golden wie Arians Augen.

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Wow, genau 1300 Wörter! Hier kam einmal ein etwas längeres Kapitel, als Entschädigung für letzte, das leider etwas kurz wurde. ;)

Und, glaubt ihr, dass Erik ein ganz normaler Mensch ist oder ein Soldat der Geheimorganisation?

Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
LG Eure Jana :)

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