~ 26. Red Roses ~ Vientos Sicht

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"Ich muss zu ihr."
Ich blickte mit müdem Blick von meinem Laptop auf und musterte den ziemlich zugerichtet aussehenden Alpha.
"Du siehst beschissen aus, Mann."
Arian sah mich finster an. "Ich weiß. Und Schuld daran ist die Abwesenheit meiner Mate. Du hast doch selbst eine Mate. Du müsstest es verstehen."
Ich klappte den Laptop zu und stützte meine Ellenbogen neben ihm auf den Tisch.
"Ari, ich weiß, du vermisst sie. Aber ich auch. Und sie hat gesagt, sie wird zurückkommen."
"Aber ich weiß nicht, wann!"
Wut und Ungeduld blitzte jetzt in seinen Augen auf, er stützte sich schwer auf den Tisch.
"Ich will JETZT zu ihr!"
Er wusste wahrscheinlich, dass er sich wie ein kleines Kind verhielt. Aber ich wusste, er vermisste Moon wirklich. Ich ja auch. Aber sie war seine Mate. Sie war unsere Luna. Es war nicht richtig gewesen, sie gehen zu lassen.
"Ich weiß. Aber..."
"Irgendwas stimmt nicht mit ihr. Ich war gerade in ihrem Kopf und... Irgendetwas hat sie mir verheimlicht. Ich weiß nicht... Aber irgendetwas war es."
"Arian, du reagierst über. Moon hat dir bestimmt nichts..."
"Vi!" Die Tür der Bibliothek öffnete sich und Liz betrat den Raum. "Hey, ich habe dich schon gesucht."
"Hallo, Süße." Ich stand auf und zog sie auf meinen Schoß. "Ich bin gerade fertig geworden. Wir könnten ja nachher... Eis essen gehen."
"Klingt gut", murmelte Liz, während ich ihr einen Kuss auf die Haare drückte.
Mein Bruder beobachtete uns aufmerksam, sein Gesicht hatte einen gequälten Ausdruck angenommen. Wahrscheinlich, weil ihn unser Anblick an seine Mate erinnerte.
"Arian...", fing ich an.
"Schon gut, Vi. Ich... gehe dann mal." Er nickte Liz noch einmal zu, dann verließ er die Bibliothek. Die Tür fiel uns Schloss, das Geräusch hallte noch in meinen Ohren nach. Langsam breitete sich Stille im Raum aus.
Konnte Arian Recht haben? Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er zu Moon flog. Vielleicht würde er sie damit ins Rudel zurückholen können... Es brauchte seine Luna.
"Was denkst du gerade?", fragte Liz und drehte sich zu mir um.
Sie musterte mich mit ihren wunderschönen Augen. Ich verlor mich in ihnen.
"Hallo? Bekomme ich auch eine Antwort?", kicherte Liz.
"Ähm... Ja, natürlich. Ich denke über... Arian nach. Seit Moon weg ist, hat er anscheinend Schlafstörungen und ihm geht es grottenschlecht. Wir müssen doch etwas dagegen tun können."
"Ja." Liz wirkte nachdenklich.
"Wir müssen Moon zurück holen."
"Liz, jetzt fang du nicht auch noch damit an. Wir müssen Moon ihre Freiheit lassen. Sie wird zurückkommen, wenn sie bereit dazu ist."
Liz seufzte und stand auf. "Du hast schon Recht. Aber merkst du nicht, wie dreckig es deinem Bruder geht? Du kannst ihn nicht leiden lassen."
Ich seufzte. "Ich weiß. Na schön, schlagen wir ihm vor, zu Moon zu gehen. Wenn wir es geschickt anstellen, wird es sogar romantisch werden."
"Oh, Romantik ist meine Spezialität!"

Als wir die Bibliothek verließen, war Arian schon nicht mehr im Rudelhaus. Wahrscheinlich war er in seiner Hütte, trauerte vor sich hin, oder reagierte sich an seinen Möbeln ab.
"Gehen wir zu ihm", beschloss Liz. Ich seufzte innerlich, nahm aber ihre Hand und folgte ihr nach draußen. "Wir können ein Auto nehmen."
"Wozu haben wir denn die Wolfsgestalt?", erwiderte Liz und grinste.
Ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.
"Okay, dann gehen wir zu Fuß."
Liz zog mich zum Wald herüber, sofort umging uns die beruhigende Stille des Waldes. Ich atmete tief ein. "Vermisst du Moon auch?"
"Ja, ich kann mir gut vorstellen, wie es für Arian sein muss. Wenn du nicht bei mir wärst..."
Ich sah Liz von der Seite an und prägte mir ihr Gesicht ein, ihre Wangenknochen, die Augenbrauen, die geschwungene Linie ihres Mundes.
Liz blickte ebenfalls zu mir und lächelte. "Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, Vi."
"Ich auch. Wir kennen uns schon ewig, und erst jetzt bemerken wir, dass wir Mates sind." Ich lachte. "Schon seltsam."
"Ja." Sie drückte meine Hand, dann küsste sie mich.
Ich erwiderte den Kuss und löste mich schließlich von meiner Mate. "Komm, wir müssen doch zu Arian."
Liz kicherte. "Wenn du meinst."
Sie zog ihre Hand aus meiner, sprang mich an, und im selben Augenblick mischte sich ein goldener Farbton in ihre blauen Augen. Als ihr Körper gegen meinen prallte, war sie schon eine Wölfin. Eine wunderschöne, sandfarbene Wölfin. Sie warf mich zu Boden, ihr schwerer Körper lastete auf meinem Brustkorb.
"Liz, du bist so wunderschön", hauchte ich, fuhr mit den Fingern durch ihr Fell, die Verwandlung setzte bei mir ebenfalls ein.
Als ich zu einem schlanken, drahtigen, schokoladenbraunen Wolf geworden war, rollte ich mich unter Liz hervor und biss ihr ins Ohr.
Sie stieß einen protestierenden Laut aus, wirbelte herum und stupste mich mit ihrer Schnauze an.
Wir liefen, Seite an Seite, durch den Wald. Als wir bei Arians Haus ankamen, verwandelten wir uns zurück und klopften dann.
Arian öffnete die Tür.
Er sah wirklich schlecht aus.
Unter seinen Augen waren riesige, schwarze Augenringe. Seine Augen wirkten glasig mit noch einer Spur gelb darin, über seine Lippen lief ein dünner Blutfaden, als hätte er gerade als Wolf Beute gejagt und gefressen.
"Ist es dringend? Was braucht das Rudel diesmal?"
Ich stieg die Treppe hinauf. "Das Rudel braucht nichts. DU brauchst etwas. Sieh dich doch mal an! So kann das nicht weitergehen. Wir müssen etwas tun."
Liz nickte und trat neben mich. "Du hättest Moon nicht gehen lassen sollen."
"Das wollte ich nicht sag..."
Liz unterbrach mich. "Wir würden mit dir nach Florida fliegen. Du musst um deine Mate kämpfen! Du darfst sie nicht aufgeben!"
Plötzlich flackerte Kampfeslust in Arians Augen auf. "Vielleicht habt ihr Recht..."
"Äh... Liz? Wollen wir wirklich nach Florida..."
"Ich werde Aura beauftragen, während unserer Abwesenheit das Rudel zu führen. Ich mache mich fertig, dann können wir los."
Arian verschwand nach oben.
Ich sah Liz perplex an. "Ich..."
Meine Mate lachte und zog mich von der Treppe. "Keine Zeit. Komm, schnell, wenn wir uns beeilen, können wir während Arian sich fertig macht, hübsche Rosen kaufen."
Ich wollte am liebsten protestieren​, sagen, dass ich ohne meinen Laptop nirgendwohin gehen würde.
Aber ich musste Liz Recht geben. Wir mussten unsere Luna zurückholen.

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