~ 29. Questions ~ Moons Sicht

721 36 9
                                    

Im ersten Moment lief es mir so kalt den Rücken herunter, dass ich für einen Augenblick bewegungsunfähig dastand. Dann gab ich mir einen Ruck und lief Erik hinterher, schubste ihn von der Tür weg und stürzte mich in Arians Arme. "Uff", machte Arian und ließ die Waffe fallen, die er auf Erik gerichtet hatte. Wahrscheinlich hatte ich Erik gerade das Leben gerettet. "Momo, bist du verrückt geworden? Er ist ein Alpha in der Organisation!", zischte Erik.
"Und er ist mein Mate", erwiderte ich und drückte Arian noch fester. "Ich hab dich so vermisst." Als ich mich von ihm löste, bemerkte ich, dass neben ihm auf dem Boden ein Strauß blauer Rosen lag, den er in der Eile wahrscheinlich weggeworfen hatte. Arian selbst sah schrecklich aus. Tiefe Augenringe waren unter seinen Augen zu sehen, außerdem zitterte er. "Du...er... Ich dachte, er hat dich getötet!", knurrte er vorwurfsvoll.
"Ich hätte ihn zuerst getötet", meinte ich mit einem Blick auf Erik. "Es ist alles in Ordnung, Arian. Er ist auf unserer Seite."
Arian sah uns zweifelnd an, dann sah er nach hinten. "Ich bin nicht alleine hier. Vi und Liz sind auch hier."
Hinter ihm erschienen die wachsamen Gesichter von Vi und Liz, und ich musste unwillkürlich lächeln. "Hi. Schön, euch wiederzusehen. Kommt rein."
Erik murmelte sowas wie "Heilige Scheiße, noch mehr Werwölfe", aber vielleicht hatte ich mich ja verhört.
Die drei Neuankömmlinge machten es sich auf dem Sofa bequem, ich setzte mich neben Arian, während Erik sich etwas abseits setzte und uns immer wieder nervöse Blicke zu warf. "Wir tun dir nichts, Mensch", knurrte Viento schließlich. "Aber wage es ja nicht, eine Waffe gegen uns zu erheben."
"Ich habe gar keine Waffen bei mir", verteidigte sich Erik. Arian verflocht seine Finger mit meinen und lächelte mich seelig an. "Ich habe es nicht ohne dich ausgehalten. Verzeih mir."
"Schon in Ordnung. Ihr kommt ganz gelegen. Erik hat mir gerade etwas... Interessantes erzählt."
Arian warf dem Menschen einem Blick zu. "Und das wäre?"
Ich nickte ihm zu, und Erik erzählte die Geschichte noch einmal. Als er geendet hatte, knurrte Arian bedrohlich. "Das würde der große Alpha niemals tun! Du lügst, Mensch!" Er stand ruckartig auf und ließ mich los, drohte, sich zu verwandeln. "Arian!" Ich sprang ebenfalls auf. "Hör auf." Er wirbelte herum. "Glaubst du diesem Monster etwa?"
"Ja, das tue ich. Schau doch, er hat Claws verraten, nur um uns diese Informationen zukommen zu lassen."
"Das stimmt." Erik stand auf. Seine Augen blitzten. "Und ich glaube auch, dass beide Organisationen nicht mit offenen Karten spielen."
Er machte eine Schritt auf uns zu. "Claws erzählt seinen Kriegern, die Werwölfe seien Bestien. Monster. Ihr würdet Menschen abschlachten, unschuldige Menschen. Ihr verzehrt Menschenfleisch, und nutzt eure unmenschlichen Kräfte, um jedes Lebewesen zu töten, was euch begegnet. Man erzählt sich sogar, ihr würdet gelegentlich zu Kannibalismus neigen."
"So ein Schwachsinn!" Arian ballte seine Hände zu Fäusten. "Wenn wir töten, verteidigen wir uns nur!"
"Ja, ich weiß. Momo... Moon hat mir die Augen geöffnet. Und eure Organisation... Sie erzählt euch, wir von Claws würden die Werwölfe grundlos töten, oder?"
"Naja, das stimmt ja auch. Immerhin sind wir nicht so, wie Claws es euch erzählt."
"Aber das wissen wir doch nicht!"
Ich hob beide Hände. "Immerhin sehen wir verwandelt und wütend recht bedrohlich aus, vergiss das nicht."
Arian und Erik verstummten. "Okay", meinte Vi in die Stille hinein. "Vielleicht sollten wir..."
In diesem Moment ertönte ein Schuss. Ich zuckte zusammen und bohrte meine Fingernägel in Arians Schulter. "War ja klar", stöhnte Erik.
Etwas Schweres krachte gegen meine Haustür.
Arian witterte. "Menschen", meinte er. "Claws ist hier."
"Sie sind wegen mir hier", keuchte Erik und wurde jetzt doch etwas blass um die Nase.
"Okay." Ich fischte meine Waffe vom Tisch und steckte sie mir in den Gürtel. "Raus hier. Weiß jemand, wie wir das anstellen könnten?"
"Gibt es eine Feuerleiter?", schlug Liz vor.
"Wahrscheinlich nicht. Und wenn, dann würde man uns entdecken und leicht abknallen können, während wir da runter klettern", gab Arian zu bedenken.
Ich sah zu Erik. "Wir müssen springen."
"Springen? Bist du wahnsinnig!? Wir sind im vierten Stock!"
"Für Werwölfe ist das ein Klacks. Und wenn wir uns verletzen, heilen wir gleich wieder", erklärte Liz.
"Aber ich bin ein Mensch, schon vergessen?"
Ich hörte noch einen Knall an der Tür. "Einen anderen Weg gibt es nicht raus." Damit ging ich zum Fenster, holte tief Luft, wickelte mir meinen Ärmel um die Faust und schlug das Fenster ein. Es regnete Scherben, aber glücklicherweise blieb meine Hand unverletzt. "Kommt!", schrie ich.
Viento nahm Liz' Hand und rannte auf das Fenster zu, Kurz davor hob er sie hoch und warf sich durch das Fenster. Die Scherben knirschten unter meinen Füßen, als ich mich zu Erik umdrehte und ihn am Arm packte. "Arian, hilf mir, Erik zu schützen!"
Noch einmal krachte jemand gegen die Tür, dann flog sie auf. Jemand brüllte etwas, mehrere Schüsse fielen. Arian fluchte und packte mich, riss mich von Erik weg und schleuderte mich aus dem Fenster. Ich fauchte wütend, während ich fiel, dann drehte ich meinen Körper geschickt in der Luft und federte meinen Sturz ab. Elegant landete ich auf allen Vieren auf dem gepflasterten Hinterhof. Der Stoß nahm mir für einen Moment die Luft, dann richtete ich mich auf und sah nach oben. Hoffentlich ist Arian und Erik nichts passiert.
Doch da sah ich sie schon, Arian fiel und hielt Erik umklammert. Als sie auf dem Boden aufkamen, schützte Arian den Menschen mit seinem Körper, ich hörte etwas Knacken und er stöhnte vor Schmerz.
"Arian!" Ich lief zu den beiden und half Erik auf. "Tu das nie wieder! Du hättest nicht..." Arian richtete sich auf und unterdrückte ein weiteres Stöhnen. Ich keuchte. Seine Nase war gebrochen, Blut lief über sein Gesicht, außerdem sah der linke Arm stark verdreht aus. "Alles in Ordnung, Moon. Gleich wird's besser."
Und tatsächlich setzen bereits seine Selbstheilungskräfte ein. Arians Nase richtete sich wieder, der Arm sah nicht mehr ganz so schlimm aus. Ich seufzte. "Komm, schnell." Stöhnend stand Arian auf, ich stützte ihn und zusammen mit Erik liefen wir zu einem Container, hinter dem Liz und Vi kauerten. "Was jetzt?", wollte Vi wissen.
"Jetzt", überlegte ich. "Jetzt wischt du dir das Blut ab, Arian, und dann nehmen wir uns ein Taxi."

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 16, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

MatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt