~ 25. Mindreader ~ Moons Sicht

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"Erik." Ich zwang mich zu einer gelassenen Miene und musste tatsächlich etwas grinsen. "War ja klar, dass du wieder irgendwo auftauchst."
Ich hob die Pistole wieder und zielte auf sein Gesicht.
"Aber was machst du hier? Du hast uns verraten! Und wie hast du..."
"Arian mag zwar ein Werwolf sein, aber einen besseren Schützen macht das noch lange nicht aus ihm. Er hat mich in die Schulter getroffen. Als ihr weggefahren seid, habe ich mich in das nächste Krankenhaus geschleppt."
"Und was..."
Erik grinste und streckte sich auf meinem Sofa aus. Eine Waffe konnte ich nicht sehen. Aber vielleicht hatte er ja Verstärkung dabei?
"Ob du es glaubst oder nicht, ich will dir helfen." Erik sag mich ernst an.
Ich lachte ironisch. "Ah, jetzt weiß ich, was hier gespielt wird!" Mit etwas zittriges Fingern entsicherte ich die Pistole. "Du wolltest mich in einen Hinterhalt locken!"
Langsam wich ich zurück, meine Finger legten sich um den Abzug.
Jetzt schien Erik nervös zu werden. Er machte Anstalten, aufzustehen, doch als ich meine Waffe noch höher hob, überlegte er es sich anders und blieb sitzen. "Ich will dir helfen! Ich schwöre, das ist kein Hinterhalt!"
Meine Hand zitterte. "Erik, auch wenn ich es schrecklich fand, dich sterben zu sehen, werde ich nicht zögern, dich noch einmal zu töten. Und diesmal bleibst du gefälligst tot!"
Erik warf mir einen flehenden Blick zu. "Momo", sagte er beschwörend. "Glaub mir, ich bin nicht scharf darauf, noch einmal angeschossen zu werden."
Der Spitzname ließ irgendetwas in mir zerreißen. Ich senkte die Waffe. "Wie willst du mir helfen? Und bei was überhaupt? Ich brauche keine Hilfe."
Erik holte tief Luft. Dann meinte er ruhig: "Euer großer Alpha..."
Er sah mir in die Augen. "...verheimlicht seinen Werwölfen etwas. Etwas großes."
Ich hob die Pistole wieder. "Und was sollte das sein? Erik, denkst du ernsthaft, ich würde dir das glau..."
Etwas zuckte durch meinen Kopf. Ich schnappte, eher überrascht als vor Schmerzen, nach Luft und blieb stocksteif stehen. Erik keuchte auf. "Momo! Was ist los? Deine...Deine Augen sind gelb. Ist das... normal bei euch Werwölfen?"
Ich konnte keine Antwort geben.
Etwas - oder besser jemand - versuchte, in meine Gedanken einzudringen.
Ich hatte keine Ahnung, wie das möglich war. Wir Werwölfe konnten normalerweise nicht Gedanken lesen, außer beide Wölfe waren in ihrer Wolfsgestalt und sie waren nah beieinander.
Ich wehrte mich verzweifelt gegen den Eindringling.
Plötzlich jagte ein Wort durch meinen Kopf: Moon...
Es war Arians Stimme. Sie klang leicht besorgt.
Und dann verstand ich: Es hieß, dass ein Werwolf die Gefühle seines Mates lesen konnte, und in bestimmten Fällen auch seine Gedanken lesen, in Gedanken mit ihm kommunizieren oder aus dessen Augen sehen konnte.
Ich wehrte mich weiter. Nein! Arian darf nicht wissen, dass Erik hier ist!
Aus irgendeinem Grund wollte ich Erik schützen.
"Erik!", keuchte ich schließlich. "Arian sieht...aus meinen...Augen...und liest meine Gedanken...Darf... Dich nicht sehen..."
Erik reagierte blitzschnell. Er schnappte sich von irgendwoher einen Kopfhörer, kramte sein Handy aus der Hosentasche, steckte es an und schubste mich auf das Sofa. Kurz bekam ich Angst, dass er mir vielleicht doch etwas tun wollte.
Doch dann hielt er die Kopfhörer hoch, während er auf seinem Smartphone Musik anschaltete. "Damit deine Gedanken nicht so verräterisch sind", erklärte er und hielt mir die Kopfhörer hin. "Magst du Heavy Metall?" Ich nickte und setzte mir die Kopfhörer auf. "Danke", flüsterte ich.
Während Erik aus meinem Blickfeld verschwand, bemerkte ich, dass er mir unauffällig meine Waffe entwendet hatte. Es steckte also immer noch ein Soldat in ihm.
Dann war Arian in meinem Kopf.
Moon!, schrie er. Ist was passiert? Ich habe deine Gefühle gespürt. Etwas war nicht in Ordnung, oder? Was...Hörst du Heavy Metall!?
Ich musste trotz der Situation grinsen. Arian, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur Musik gehört. Da... sind meine Gefühle ziemlich stark.
Ich dachte nicht an... Nein! Nicht an ihn denken! Denk an Arian. Denk an euren Kuss. Denk an das Rudel.

Moon, ist wirklich alles okay? Wo bist du überhaupt? Tut mir leid, dass ich einfach so in deinen Kopf reinplatze, aber anscheinend können Mates das. Ist mir auch neu.
Ich lächelte. Nicht schlimm. Ich bin in meiner alten Wohnung, in Florida. Aber komm ja nicht her, jetzt wo du weißt, wo ich bin!
Arian in meinem Kopf lachte. Ich spürte seine Trauer, aber auch seine Liebe zu mir.
Würde ich nie machen, Liebes. Bis bald. Ruf mich heute Abend an, ja? Ist besser als Gedanken lesen.
Ich nickte. Bis bald, Arian.
Dann war er weg.
Ohne, dass ich irgendwas gesagt hätte, trat Erik wieder vor mich. Meine Waffe hielt er in der Hand.
Ich schluckte und nahm die Kopfhörer ab. "Du hast mir meine Waffe gestohlen." Die Stille breitete sich förmlich im Raum aus, jetzt, da ich keine wilde Musik mehr hörte.
"Du warst die ganze Zeit über völlig weggetreten", stellte Erik fest, ohne die Waffe wegzulegen.
Ich musste plötzlich ironisch grinsen.
Jetzt hatten wir Rollen getauscht. Ich saß auf dem Sofa, unbewaffnet, er stand mir gegenüber und hatte die Waffe.
Doch nach einigen Sekunden Schweigen warf er sie in eine Ecke. "Momo, hast du ihm gesagt, wo du bist?"
"Ja." Ich sah ihm geradewegs in die Augen.
"Dann müssen wir fliehen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er vorbei kommt."
"In Ordnung. Ich werde mir deine Geschichte anhören, auch wenn sie noch so absurd klingt. Anscheinend willst du mir wirklich etwas sagen. Denn wenn du mich hättest töten wollen, die Waffe hattest du. Und hast deine Chance vertan."
"Danke, Momo. Ich muss dir wirklich viel erzählen."
Als ich auf stand und zu meiner Waffe ging, sah Erik mich alarmiert an.
"Keine Sorge, ich werde sie nicht gegen dich wenden. Aber wenn hier irgendwelche Feinde aufmarschieren, zum Beispiel Claws, dann will ich bewaffnet sein."
Der Soldat zog eine Augenbraue hoch. "Woher weißt du, dass Claws mich jagt?"
"Ich hab da so ein Gefühl. Und meine Instinkte lügen nie."

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