~ 27. Night Club~ Eriks Sicht

655 36 17
                                    

Einige Tage zuvor

Es war ein ganz normaler Tag gewesen. Ein ganz normaler Tag, an dem ich mit ein paar Kumpels den langweiligen Tag etwas spannender machen und in einen Nachtclub gehen wollte. Es waren natürlich menschliche Kumpels. Also Menschen aus dem College. Die keine Ahnung von der Bedrohung der Werwölfe hatten. Keine Ahnung, in welcher Lebensgefahr sie in dieser Nacht wirklich schwebten.
Ich war der Beste. Der beste, der schnellste, der härteste, der Kälteste Soldat. Der Soldat, der die Werwölfe ohne zu zögern abschlachtete.
Aber ausgerechnet bei IHR hatte ich versagt.
Aber noch nicht an diesem Tag. An diesem Tag war alles wie immer gewesen. Naja, zumindest bis die Werwölfe aufgetaucht waren.

"Hey, Erik, kommst du mit, ein bisschen Party machen?"
Ich sah auf. In der Tür zu dem Studentenwohnheim, in dem ich mit 3 anderen Studenten lebte, lehnte Mike. Ich verzog das Gesicht. Eigentlich war ich gerade mitten in der Planung zum Überfall von einer kleinen Gruppe von Claws auf die Werwölfe hier in L.A. Ich war vorgeschickt worden, um zu überprüfen, ob wir mit unserer Vermutung richtig lagen und hier wirklich Werwölfe lebten. Bingo. Ein ganzes Pack von denen. Und SIE. Moon.
"Erik?" Die Stimme meines Kumpels holte mich in die Wirklichkeit zurück. "Äh... Ein andermal. Sorry."
"Ach komm schon. Das ist der angesagteste Nachtclub in der Stadt. Viele heiße Mädels, gute Getränke, Spaß... Was will man mehr?"
Das Gefühl einer Waffe in der Hand, das Gefühl von Freiheit und Stolz, wenn man eines dieser Biester erledigt hat. Den Rausch des Jagens. Solange du das nicht kennst, hast du nie gelebt.
Aber natürlich dachten ganz gewöhnliche Jungs immer nur an heiße Mädels und Partys. Deren größte Sorgen waren es, eine Party zu verpassen oder gelegentlich schlechte Noten. Obwohl ich ziemlich viele Jungs kannte, denen schlechte Noten nicht das geringste ausmachte.
"Mike, ich bin nicht in der Stimmung, zu feiern. Geht ruhig ohne mich."
"Du verpasst was, Mann. Wenn ich sage, angesagtester Club, dann meine ich angesagtester Club."
Ich seufzte. "Viel Spaß."
Hinter Mike erschienen Jonas und Kai. "Alter, komm schon mit", meinte Jonas und zog an seiner Zigarette.
Ich seufzte ergeben. "Na gut."
Ich klappte meinen Laptop zu und trat zu den Jungs. "Hau mal 'ne Zigarette her, Jonas."
Jonas reichte mir eine und ich zündete sie mithilfe meines Feuerzeuges an.
Wir traten aus dem Haus, stiegen alle in Kais teuren Ferrari und fuhren los.
Kai war schon 18, der Älteste von uns. Und seine Eltern waren reich.
"Und los gehts!", grölte Jonas und schwenkte eine Bierflasche. Ich wollte nicht wissen, wo er sie herhatte.
Ich rauchte zwar gelegentlich eine, aber von Alkohol hielt ich mich fern.
Ich konnte es mir nicht leisten, betrunken zu sein. Wenn ausgerechnet dann eine von diesen Bestien auftauchte...
Unwillkürlich musste ich an Moon denken. Was sie wohl gerade tut?
Als der Ferrari vor dem Nachtclub hielt, stiegen wir aus und drängten uns in den Club.
Im Inneren war es laut, es stank nach Alkohol und Drogen und vor lauter sich windenden Körpern konnte man sich kaum vorwärts bewegen.
Jonas verabschiedete sich gleich und verschwand, wahrscheinlich in Richtung einer hübschen Blondine, für die er eine Vorliebe hatte.
Ich drehte mich zu Mike und Kai um. "Ich bin dann auch mal weg!", brüllte ich gegen den wummernden Bass an. Ich schlängelte mich zwischen den Tanzenden hindurch, bis ich an einer Bar ankam, bestellte einen Cocktail mit nicht zu viel Alkohol darin. Ich lehnte mich gegen die Theke und trank mein Glas aus, beobachtete die Bewegungen der Tanzenden. Analysierte sie, wie ein echter Soldat. Und auf einmal sah ich eine vertraute Bewegung.
Mein Herz klopfte wild, ohne dass ich wusste, wieso.
Ich sah genauer hin.
Und erkannte Moon in der Menge.
Sofort schoss Adrenalin durch meine Adern, ich war kampfbereit, meine Hand zuckte ganz leicht, wollte meine Waffe aus dem Gürtel reißen.
Aber natürlich hatte ich sie nicht dabei.
Scheiße.
Sie konnte mich hier ganz leicht töten. Niemand würde es bemerken, wenn sie mich in eine dunkle Ecke zerrte und mir die Kehle aufriss. Vielleicht hatte sie sogar ein paar ihrer Werwolf-Freunde dabei.
Aber Fliehen kam nicht in Frage.
Jetzt schlenderte sie auf die Bar zu, stand plötzlich ganz dicht bei mir. Hatte mich immer noch nicht bemerkt. Oder sie tat nur so, als hätte sie mich noch nicht gesehen.
"Ein Glas Wodka, bitte", brüllte sie dem Barmann zu.
Ihre schöne, glockenhelle Stimme riss mich aus meiner Angst. Sie hatte keine Ahnung, dass ich von Claws war. Wie auch? Ich war ein Profi. Wenn ich nicht wollte, dass man mich erkannte, dann tat man das auch nicht.
Moon war völlig harmlos.
Ich entschied, mich zu erkennen zu geben. "Ich bezahle", meinte ich und stellte mein leeres Cocktailglas auf die Bar.
Moons Kopf schoss zu mir herum, ihre Pupillen weiteten sich ein wenig.
Sie stieß versehentlich ihr Glas vom Tisch. Ich fing es auf und reichte es ihr, mit einem charmanten Lächeln.
"Hier, das gehört dir." Ich drückte es ihr in die Hand, streifte ihre Haut. Unwillkürlich schauderte ich. "Momo."
"Danke". Sie rang sich ein Lächeln ab.
Dann trank sie einen Schluck und lächelte mich an. "Was machst du hier?"
"Ich gehe hier feiern. Du nicht auch?" Ich wollte sie aus der Reserve locken.
"Stimmt." Sie verzog das Gesicht von dem Geschmack des Wodkas. "Ich bin mit meinen beiden Freundinnen hier."
Also doch. Sofort wurde ich wachsamer.
"Ach, und wo sind sie jetzt?"
"Da drüben." Moon kicherte und zeigte irgendwohin. Aber ich konnte meinen Blick nicht von ihr abwenden. Sie war hübsch, das musste man ihr lassen. Ich lehnte mich unwillkürlich zu ihr. Moons Duft nach Wald, Moschus und Jasminblüten war so überwältigend.
Sie stieß mich kichernd weg, ich grinste. "Dann können wir ja zusammen tanzen."
"Klar." Die Werwölfin leerte ihr Glas in einem Zug, was ich ihr hoch anrechnete.
Sie nach einem Tanz zu fragen, war eine schlechte Idee. Mein gesunder Menschenverstand sagte mir, ich sollte mich verabschieden, ihr noch eine schöne Nacht wünschen und abhauen. Möglichst viel Abstand zwischen sie und mich bringen.
Aber ich konnte ihren Augen nicht widerstehen. Solche silbrig-grauen Augen sah man selten bei Menschen. Bei Werwölfen vielleicht häufiger.
Ich zog sie auf die Tanzfläche, spürte ihren Puls am Handgelenk, das ich umfasst hielt. Er ging schnell, vielleicht vom Alkohol. Moon schien etwas beschwipst zu sein, sie drehte sich und lachte, wahrscheinlich hatte das Alkohol ihren inneren Wolf betäubt.
Ich kann sie jetzt ganz leicht töten, dachte ich. Aber gleich darauf: Nein. Ihre Werwolf-Freunde sind hier.
Ich hatte keine Angst vor dem Tod. Aber besonders scharf darauf war ich nicht.
Irgendwann bestellte Moon sich noch ein Getränk, ich bezahlte es wieder. Und dann noch eins.
Wir konnten nicht mehr aufhören, zu tanzen, wahrscheinlich waren Mike, Kai und Jonas schon längst gefahren.
Ich sollte auch gehen.
Aber ich brachte es nicht übers Herz, sie so betrunken zurückzulassen.
Da merkte ich, dass Moon mir etwas bedeutete.
Dieses Gefühl war neu.
Langsam lief das Ganze aus dem Ruder.
Moon tanzte wilder, wir tanzten eng beieinander, sie hatte ihre Hände in meinem Nacken verschränkt.
Mein Nacken prickelte leicht.
Und dann beugte sich Momo vor, um mich zu küssen.
Ich hätte wahrscheinlich ausweichen sollen. Sie von mir stoßen. Davonlaufen.
Aber voller Schock stand ich einfach nur da, vergaß, zu tanzen oder mich zu bewegen.
Heilige Scheiße. Ich küsse gerade einen Werwolf!
Endlich gelang es mir, mich von ihr loszumachen, nach hinten zu taumeln.
Wenn das jemand herausfand... Es wäre wahrscheinlich Hochverrat.
"Momo", sagte ich.
Moon brach zusammen.
Blitzschnell war ich bei ihr, fing sie auf, sah mich um. Ich konnte sie unmöglich alleine lassen. Ich musste ihre Freunde finden und dann abhauen.
"Oh mein Gott! Moooooooon! Alles in Ordnung, Schätzchen?"
Eine hübsche Blondine drängelte sich durch die Menge, hinter ihr war ein orangehaariges, schüchtern wirkendes Mädchen. "Warte. Du bist doch der Typ aus dem College. Was hast du mit Moon gemacht?"
Völlig überumpelt stand ich da. Hoffentlich fressen sie mich nicht, dachte ich beklommen. Einen schöneren Tod hätte ich mir schon gewünscht. "Äh... Seid ihr die Freundinnen von Moon? Sie ist...Betrunken. Hat zu viel Alkohol getrunken. Könnt ihr sie nach Hause bringen? Wartet", meinte ich. "Ich möchte sie selbst nach Hause bringen. Immerhin bin ich schuld daran, dass..."
Erik, was machst du?, dachte ich. Hau ab!
"Das ist sehr nett von dir. Wie ist dein Name noch gleich, Süßer?"
"Erik. Und ihr seid..."
"Liz." Die Blondine warf sich in Pose.
"Und das ist Sunlit."
Sie deutete auf die Orangehaarige.
Plötzlich bahnte sich noch ein Mädchen durch die Menge und trat auf mich zu. "Was genau machst du da?" Sie war dunkelhäutig mit dunklen Haaren und Augen, die mich jetzt gefährlich anblitzten. "Äh..."
"Aura", seufzte Liz, die Blondine. "Lass ihn in Ruhe."
Das Mädchen, vermutlich Aura, ließ etwas von mir ab, nahm mir aber Moon aus dem Arm und hievte sie hoch. "Wir müssen sie nach Hause bringen."
"Erik hat angeboten, zu helfen." Liz näherte sich mir unauffällig und wollte ihre Hand auf meinen Arm legen. Ich wich zurück. "Äh... Ja. Ich und Moon kennen uns vom College her..." Langsam war ich mit der Situation völlig überfordert. Eine betrunkene Werwölfin. Keine gute Idee. Aber dann noch drei weitere Werwölfinnen... Ich zog eine Zigarette hervor und zündete sie mir an. "Also, ich habe ein Auto zur Verfügung. Da können wir..."
"Nein, wir sind mit dem Auto da. Du kannst ja mitfahren", fiel mir Liz ins Wort.
"Ja, das ist vielleicht...", wollte ich gerade zustimmen, als auf einmal etwas sehr schnell auf mich zuschoss. Liz schrie auf, ich wich erschrocken zurück. Meine Soldateninstinkte erwachten. Doch das Etwas traf mich an der Wange, entriss mir meine Zigarette.
Ein roter Handabdruck blieb auf meiner Wange. "Was zum..."
"Aura!", kreischte Liz. "Was hast du dir dabei gedacht!?"
Aura stand dicht neben mir, hielt meine Zigarette mit spitzen Fingern in der Luft und sah mich mit schief gelegtem Kopf an. Moon lag auf dem Boden, Aura hatte sie fallen lassen.
Ich sah besorgt zu Moon, dann zu meiner Zigarette. "Äh... Kann ich die wieder haben?"
"Nein." Aura sah mich ruhig an. Dann warf sie die Zigarette in die Menschenmenge. "Ich kann Raucher nicht ausstehen."
"Was soll das denn heißen? Bist du verrückt?"
Wahrscheinlich war es nicht gerade klug, sich mit einem Werwolf anzulegen. Aber auf einmal verspürte ich Wut. Was bildete sie sich ein, mir meine Zigarette zu stehlen und mich zu schlagen?
Aura sah mich provozierend an.
Und ich konnte nicht anders.
"Arschloch", knurrte ich und warf mich auf sie.
Das Mädchen nahm die Herausforderung sofort an, boxte mich in den Bauch. "Aura! Erik! Hört auf!", kreischte Liz. "Security!", schrie Sunlit.
Ich traf Aura an der Schulter, kassierte dabei einen Schlag an der Hüfte. Sie war viel stärker als ich. War ja auch ein Werwolf.
Aber ein Handgemenge ohne jegliche Waffe hatte mir gefehlt.
Ich trat, schlug, boxte, sie biss, kratzte und knurrte wie ein wildes Tier. Das sie ja auch war.
Ich verspürte keine Angst. Vielleicht würde ich sterben. Aber ich würde nicht kampflos aufgeben.
Plötzlich wurden wir auseinander gezerrt, ich erhaschte einen Blick auf Security-Männer, sehr muskulös und kräftig. "Security. Verlassen sie sofort dieses Gebäude!", brüllte mir einer ins Ohr. Aura tobte noch immer, schlug um sich, aber langsam kam sie zur Besinnung und zwang sich, die Männer nicht anzufallen.
In ihren Augen leuchtete gelbe Farbe.
Unwillkürlich schauderte ich, machte mich los und nahm Moon auf die Arme. "Kommt, wir gehen."
Ich hörte, wie Liz, Sunlit und Aura mir folgten, und als ich durch die Tür hinaustrat und mir frische Luft in die Lungen strömte, strich ich Moon sanft eine Locke aus der Stirn. Wahrscheinlich war sie zu betrunken, um sich an unseren Kuss zu erinnern. Wahrscheinlich war das besser so.
Ich drehte mich zu den Mädchen um. "Wo steht euer Auto? Ach ja, und Aura: Vergessen wir das von gerade eben, okay?"
"Schon vergessen", erwiderte das Mädchen.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Hey ;)

Hier mal wieder ein etwas längeres Kapi. Ganze 2000 Wörter!

Das hier war eine Rückblende, also die Nacht im Club noch einmal aus einer anderen Sicht erzählt. Wenn euch so etwas gefällt, kann ich das ja öfter machen.

Aber keine Sorge: Im nächsten Kapitel geht es wieder ganz normal mit der Geschichte weiter.

Da einige Erik nicht mögen: Vielleicht wirkt er ja durch dieses Kapitel ein wenig sympathischer?

LG Eure Jana

MatedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt