Es war Nacht. Der Himmel hinter dem Fenster hatte sich dunkelblau verfärbt. Die einzige Lichtquelle außerhalb des Hauses bildeten die Sterne.
Sie saß da, mit ihrem Handy in der Hand, auf dem Bett. Sie fragte sich, ob sie ihm schreiben sollte. Ob sie es wagen sollte, das letzte Gespräch mit ihm zu beginnen.
Also tat sie es. Mit einem einfach 'Hey' begann sie die Unterhaltung. Und als sie schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, antworte er ihr.
Mit einem 'Hi', genau wie er es vor exakt einem Jahr getan hatte, vor 365 Tagen. Seitdem war einige Zeit vergangen, Zeit in der er sie geprägt hatte. Zeit, in der er sie ein Stück weit zu dem Menschen gemacht hatte, der sie sein wollte.
Vor einem Jahr hatten sie sich über Hobbys unterhalten. Sie hatten gemerkt, wie wenig sie über den anderen wussten und wie viel sie noch kennenlernen konnten.
Nun redeten sie über Bücher. Andere Bücher, als es noch vor einem Jahr gewesen waren. Er hatte sich verändert. Und sie war sich sicher, dass auch sie es getan hatte. Mit ihm zusammen.
Damals hatte er sich schließlich mit den Worten verabschiedet, er müsse zum Klavierunterricht. Heute verabschiedete er sich mit dem Grund, er müsse mit einem Freund einen Film ansehen.
Vor genau einem Jahr hatte er sich mit einem 'Bis dann' abgewandt. Es war ein Versprechen auf weitere Begegnungen gewesen und das hatte er hunderte Male eingehalten.
Jetzt verabschiedete er sich mit einem schlichten 'Tschüss'. Kein Versprechen. Aber damit hatte sie gerechnet.
Die Zeit zwischen ihnen war abgelaufen, die Worte gesagt. Ein Jahr musste reichen. Er war nur ein Berg nach einem anderen Tal gewesen. Und sie wusste, auch nach diesem Tal würde es einen Berg geben. Doch bis dahin musste sie mit dem Abschied leben. Der Abschied von ihm.
~Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Welt, die sich weiterdreht.~
23.03.2017 14:40 Uhr
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World Explorers
General FictionDas Leben ist eine Sache, die so komplex und umfangreich ist, dass es nicht in der Natur des Menschen liegt, sie zu verstehen. Was nicht heißt, dass es nicht viele wenigstens versuchen würden. Ich zähle mich selbst auch zu diesen Menschen. Und auch...