Sonntagmorgen brauchte ich immerhin erst um halb zehn zum Frühstück erscheinen und als ich schon um kurz nach halb acht wach wurde, schnappte ich mir einfach mein Buch und las noch ein wenig. Ich liebte, liebte, LIEBTE Fantasygeschichten und wenn dann auch noch eine Prise Kitsch dabei war, konnte ich mich von den Büchern kaum loseisen. Als um zwanzig nach neun mein Wecker klingelte, war gerade ein Drache geschlüpft und zwei der Hauptpersonen waren sich ein bisschen näher gekommen, was den Bruder der weiblichen Hauptperson... Naja, egal. Jedenfalls hätte ich sehr viel lieber weiter gelesen als mich zu meiner Familie zum Frühstück zu begeben. Mir würde wohl nicht viel anderes übrig bleiben. Also schlüpfte ich in eine blaue Bluse, die ich offen über einem weißen Top trug, dazu die schwarze Hose, die ich gestern zum Kellnern getragen hatte.
Unten im Esszimmer spielte sich die gleiche Prozedur ab wie gestern und letzten Samstag und Sonntag und den davor und so weiter. Ich hatte keine Lust mehr. Ich strich wieder kurz über mein Tattoo und wie immer stellte sich das beruhigende Gefühl ein. Ich ließ also das pseudo-Interesse meiner Eltern über mich ergehen und tat so, als wäre ich glücklich.
Irgendwann am Nachmittag summte mein Handy. Lust zur Agentur zu kommen? Probiere ein neues Rezept aus! LG, Mike Ich strahlte. Mike war einfach klasse. Und irgendwie niedlich, dass er hinter jede Nachricht ein „LG Mike" schrieb. Aber das war irgendwie bei fast allen Menschen über vierzig so, wenn sie schon Whats App kannten... Egal.
Klar, kann in einer halben Stunde da sein : ) schrieb ich und ging wieder runter.
„Mama?", rief ich, denn sie war nicht im Wohnzimmer. Ich erhielt keine Antwort. „Papa!", rief ich dann. Auch nichts. Schnell lief ich hoch zum Arbeitszimmer meines Vaters. Ich klopfte leise. Tatsächlich rief mein Vater mich nach wenigen Sekunden herein.
„Ich wollte dich gar nicht lang aufhalten, aber ich wollte zumindest Bescheid sagen, dass ich mich mit den Mädels im Minori treffe. Ihr braucht also nicht mit dem Abendessen auf mich warten. Trotzdem bin ich spätestens um halb neun zu Hause." Mein Vater nickte nur abwesend. Also entschuldigte ich mich noch einmal kurz und verschwand dann nach draußen. Ich schwang mich mal wieder auf mein Fahrrad und radelte die 5 km bis zur Agentur. Ich wollte endlich meinen Scheißführerschein auch nutzen können. Ein Motorradfahrer raste an mir vorbei.
Ich musste mich korrigieren: Ich wollte verdammt noch mal einen Motorradführerschein machen, das wäre so unglaublich... Befreiend. Mike hatte mich schon mal auf seinem Moped mitgenommen und seitdem... Ich wollte dieses Gefühl von Freiheit unbedingt wieder haben.
Endlich, nach kaum zwanzig Minuten, bog ich auf den Hof der Agentur ein, die hier auch ein kleines Restaurant führten. Ich schob mein Fahrrad zum Mitarbeitereingang und betrat die Küche. Mike wartete schon mit einem wunderschön hergerichteten Teller. Ich war mir sicher, dass ihn nicht das eigentliche Kochen diesen Beruf hatte wählen lassen, sondern das Anrichten und die Freude, die er mit seinen unglaublichen Kreationen hervorrief.
„Aber...", fing ich an. „Das ist kein Fleisch, Prinzessin!", meinte Mike nur und bedeutete mir, mit dem Essen anzufangen. Natürlich hatte er daran gedacht, dass ich kein Fleisch aß. Naja, was heißt keines. Ich bemühte mich, möglichst wenig Fleisch, und wenn, dann nur Biofleisch zu essen, denn ich sah zwar ein, dass der Mensch grundsätzlich zu den Fleischfressern gehört, jedoch wollte ich nicht akzeptieren, dass dafür tausende, ach was hunderttausende Tiere jeden Tag auf engstem Raum leben mussten. Ich aß gern Fleisch, wenn ich wusste, dass die Tiere nicht nur auf Masse, sondern auch zur Zufriedenheit des Tieres gehalten worden waren. Da Mike allerdings nicht immer wusste, welcher Lieferant was brachte- dafür war die Chefin zuständig-, aß ich in der Agentur kein Fleisch. Heute sah das Zeug verdächtig nach irgendetwas frikadellenartigem aus, aber wenn Mike sagte, es sei kein Fleisch, dann war es kein Fleisch. Es war zu ohnehin zu gelb für Fleisch, beschloss ich und schob mir zuerst einmal einige Gnocchis in den Mund. Sie waren mit einer Sahnesoße serviert, Mike kannte mich einfach, ich liebte Sahnesoße! Dann wagte ich mich an eines dieser undefinierbaren Frikadellendinger. Ich kaute ein bisschen auf einem Bissen herum... Es schmeckte käsig. Käse, den ich noch nicht kannte? Und auch noch richtig leckerer Käse? Ich zog das nächste Stück durch ein bisschen Sahnesoße und es wurde immer besser. Schnell putzte ich den ganzen Teller leer. Mike hatte mich erst kritisch, dann immer breiter grinsend betrachtet. Er hob einen Daumen und wechselte zwischen Daumen hoch und Daumen runter. Lachend streckte ich bei Daumen nach oben.
„Das war unglaublich lecker! Was ist das?", fragte ich. Mike strahlte bei meinem Lob und zauberte ein Rezept aus seiner Schürze.
„Kaspressknödel", las ich. „Kaspressknödel?" Ich schaut Mike verwirrt an. Er zuckte mit den Schultern.
„Eine Freundin aus Österreich hat die mir mal empfohlen. Und da du grundsätzlich Käse liebst, dachte ich, ich mache sie dir mal. Sie sind eigentlich als Beilage zu Suppe da, aber nach meinem ersten Versuch war ich der Meinung, dass man es genauso essen kann, wie eine Frikadelle." Ich nickte. Der Vergleich passte also nicht nur äußerlich. Ich schaute auf meine Uhr. Erst halb sechs. Ich hatte noch keine Lust nach Hause zu gehen.
„Hat das Minori heute gar nicht geöffnet?", fragte ich.
„Doch doch", sagte Mike, „Aber wir machen Sonntags immer erst um sechs auf, also immer mit der Ruhe."
„Braucht ihr nicht zufällig bis etwa acht Uhr eine Aushilfe?", fragte ich dann, unschuldig mit den Augen klimpernd. Mike seufzte.
„Ist es so schlimm zu Hause?"
„Das ist gar nicht das Problem", fing ich an, „Gestern habe ich mich fürchterlich mit Alessia zerstritten und ich glaube nicht, dass das sich noch einmal einrenkt, da ich fest dazu entschlossen bin, mich auf keinen Fall bei ihr zu entschuldigen. Da sie nicht noch nie bei mir entschuldigt hat und sich noch dazu im Recht sieht, wird sie das auch nicht tun."
„Was war los?"
„Naja, sie hat behauptet, dass ich nur so gut mit Malte befreundet bin, weil ich weiß, dass sie gerne enger mit ihm befreundet wäre und ihn ihr ausspannen will. Außerdem hält sie sich für die zweite Wahl, wegen ein paar Sachen. Dabei stimmt das nicht. In einem Punkt war sie zweite Wahl, weil das eigentlich als Mutter-Tochter-Ausflug geplant war, aber da ist es doch verständlich, dass sie erst mal nicht eingeplant war, oder? Meiner Mutter ist dann aber irgendwas dazwischen gekommen, jedenfalls habe ich dann Alessia angerufen und sie ist auch mitgekommen, ohne etwas zu sagen. Und bei dem zweiten war ursprünglich sie eingeplant, aber es war ein Wochenende in einem Freizeitpark mit angeschlossenem Kletterpark und Schwimmbad. Sie hat sowohl Höhenangst, als auch eine Chlorallergie, also war das nicht das beste Ziel für sie, weshalb ich Kilian mitgenommen habe. Auch das hat sie erst mal nicht gestört, bis ich angefangen habe, ihr von dem wirklich witzigen Wochenende zu erzählen. Plötzlich kam dann der zweite-Wahl-Vorwurf und der Schlampen-Vorwurf. Ich habe ihr erklärt, dass ich das völlig anders sehe und ihr einiges gesagt, was mich schon ewig störte. Daraufhin ist es irgendwie... Ach es ist scheiße! Ich vermisse sie irgendwie, obwohl ich unglaublich sauer auf sie bin, und hin und wieder auch fast froh, sie los zu sein, aber dann kommen wieder diese Momente, wo mir zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und ich mir einfach danach sehne, wieder einmal ein bisschen Spaß mit meiner besten Freundin zu haben." Mike tätschelte mir die Schulter. Ich hatte die Vermutung, dass er etwas sagen wollte, aber Christiane, die Chefin des Restaurants und der Cateringagentur, rief die erste Bestellung in die Küche. Christiane war zwar unglaublich streng und sehr darauf bedacht, dass jeder ihrer Mitarbeiter genau das tat, was sie von ihm erwartete. Trotzdem bewunderte ich sie grenzenlos. Sie hatte das hier alles allein aufgebaut und packte an, wo es etwas anzupacken gab. Dementsprechend kuschte Mike und ließ Töpfe und Pfannen klappern. Für die nächste Bestellung kam Christiane sogar in die Küche und entdeckte mich.
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Neues Kapitel :) heute schon ganz früh :) im Moment ist es noch nicht so ganz spannend, aber es wird noch!
Bis demnächst,
LadyBrisingr
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Supposed to be a Lady
ChickLitRobin ist 17, steht kurz vorm Abi und hat definitiv besseres zu tun, als sich mit ihrer Ex-besten Freundin und dem heißen Schotten, dem sie immer wieder zufällig begegnet, herumzuschlagen. Dass ihre überreichen Eltern sie zur perfekten Nachfolgerin...