„Ach, hallo Robin!", begrüßte sie mich. „Was machst du denn hier?"
„Äh", machte ich, wenig intelligent. „Willst du helfen?", fragte sie. Ich zuckte mit den Schultern.
„Wenn du was für mich hast, was mich bis acht Uhr beschäftigt hält...?" Christiane warf mir mit der einen Hand eine Schürze in weinrot zu und mit der anderen deutete sie auf den Raum mit den Gästen. Ich band mir die Schürze um, schnappte mir einen Block und einen Taschenrechner, was ich in meine Schürzentaschen steckte und verließ die Küche. Christiane rief mir noch Tischnummern hinterher, die eine Zuständigkeit für den frühen Abend darstellten. Wie immer hatte ich die im hinteren Bereich, bei dem großen Fernseher, auf dem heute mal wieder Fußball lief. Ich verschaffte mir einen Überblick. Tische 4-7 einschließlich besetzt, drei davon bereits mit Getränken versorgt. Also machte ich mich zu dem Tisch auf, der noch vor leeren Plätzen saß und fragte, ob sie schon bestellt hätten.
Sie ließen alle die Karten sinken und ich musste fast lachen, als ich Finn erkannte. Seine Familie schien einen Narren am Minori gefressen zu haben. Ich merkte, dass auch Finn leicht grinste, während seine Eltern meine Frage verneinten und anfingen, Getränke zu ordern. Ich schrieb alles auf und versprach, beim nächsten Mal die Essensbestellungen aufzunehmen.
Als ich um acht Uhr meine Schicht beendete, hatte ich gute 15 Euro Trinkgeld in zwei Stunden gemacht, davon waren bestimmt zehn Euro allein von Finns Familie gewesen. Christiane bot an, mich für die zwei Stunden zu bezahlen, doch ich lehnte ab. Ich hatte mich ihr schließlich aufgedrängt. Also radelte ich wieder nach Hause und seufzte, als ich sah, dass genau zwei Fenster beleuchtet waren. Das Fenster des Arbeitszimmers meines Vaters und das des Schlafzimmers meiner Eltern. Meine Mutter hatte sich also wieder mal verkrochen und mein Vater saß vermutlich genauso da, wie ich ihn heute Nachmittag verlassen hatte. Wenn meine Eltern nicht freiwillig so leben würden (und das taten sie, denn sogar im Urlaub, wo jeder andere Mensch Zeit mit seiner Familie verbringen würde, konnte mein Vater sich nicht eine Stunde von seinem Computer oder seinem Handy lösen), hätte ich das Bedürfnis, sie zu retten.
Ohne dass jemandem meine Anwesenheit aufgefallen wäre, ging ich hoch in mein Zimmer und sprang unter die Dusche. Dafür liebte ich es, eine reiche und verwöhnte Prinzessin zu sein: Ich hatte mein eigenes Badezimmer und mein eigenes Zimmer mit überdachtem Balkon, so wie ich es mir vorgestellt hatte. Es hatte sogar einen geheimen Raum, dessen Zugang hinter einem Bücherregal versteckt lag. Meine Eltern wussten natürlich von dem Geheimzimmer, schließlich hatten sie es bauen lassen, aber es gab die unausgesprochene Regel, dass ich, wenn ich in diesem Zimmer war, unter keinen Umständen gestört werden wollte, weder von ihnen, noch von jemand anderem. Insofern war es nur die Coolness, die durch die Mitwisserschaft meiner Eltern eingeschränkt wurde, nicht der Sinn des Zimmers an sich, denn außer meinen Eltern wusste niemand davon. Tatsächlich nicht einmal meine, bis vorgestern, beste Freundin oder Catrina und Marie.
Nach dem Duschen nahm ich mir mein Buch und verschwand in mein Geheimzimmer. Es hatte keine Fenster, logischerweise, denn sonst könnte man ja von außen sehen, wenn ich dort war, stattdessen hatte es einen Kamin, der gleichzeitig auch der Kamin in meinem Zimmer war, weswegen auch der Schornstein oben auf dem Dach quasi ein Alibi hatte. Unser Architekt war clever gewesen, definitiv.
Auch wenn es bereits Ende April war und noch dazu nicht einmal kalt, die letzten Tage war es sogar warm genug gewesen um auch mal ohne Jacke raus zu gehen, machte ich ein Feuer an und schmiss mich in meine riesige Kissenburg. Es war doch etwas völlig anderes, ob man ein Buch im flackernden Schein von Kamin und unzähligen Kerzen las, oder im elektrisch-langweiligen Licht. Die gleichen Teelichter wie in meinem Schlafzimmer malten auch hier Sterne an die Wand und ich versank für fast zwei Stunden in einer Welt voller Drachen, Einhörnern, verschlagenen Rebellen und gütigen Königinnen. Um halb elf war der Kamin fast ganz heruntergebrannt und ich blies die Teelichter aus. Dann betätigte ich den Mechanismus, der das Bücherregal verschob und ging mir die Zähne putzen.
Die noch glühende Asche hatte ich durch die Verbindungsklappe einfach auf die Kaminseite in meinem Zimmer geholt, so dass ich merkte, wenn irgendwo doch noch ein Funke springen sollte. Im rötlichen Licht des glimmenden Kamins schlief ich ein.
___________________
Bisschen kurz, nicht viel, was passiert, aber bleibt dran, es wird spannender ;)
LadyBrisingr
DU LIEST GERADE
Supposed to be a Lady
ChickLitRobin ist 17, steht kurz vorm Abi und hat definitiv besseres zu tun, als sich mit ihrer Ex-besten Freundin und dem heißen Schotten, dem sie immer wieder zufällig begegnet, herumzuschlagen. Dass ihre überreichen Eltern sie zur perfekten Nachfolgerin...