„Spinnst du?", fragte ich laut und versuchte, ihn mit Blicken auf die nun noch viel angespanntere Alessia aufmerksam zu machen. „Alessia kriegt das doch hin!", fügte ich hinzu.
„Aaaach, tu doch nicht so! Du freust dich doch insgeheim! So bist du doch schon immer gewesen!" Mit diesen Worten rannte Alessia von der Bühne. Ihr Ernst? Es war wirklich nicht unbedingt nett von Finn gewesen, aber deshalb musste sie mich anmachen? Mir die Schuld daran geben? Ich schaute Finn und danach Herrn Laßbei zerknirscht an.
„Entschuldigen Sie die Szene hier", meinte ich. Finn schüttelte den Kopf.
„Lass, das ist am allerwenigsten deine Schuld. Ich war der Idiot. Ich versuch das zu klären, versucht trotzdem schon mal den Dirty Dancing-Teil, ja?" Er wollte mich wirklich in der Aufstellung lassen? Finn verließ die Aula ebenfalls und Herr Laßbei klatschte in die Hände.
„Ihr habt ihn gehört. ‚The Time' nochmal, diesmal mit Robin als Alessia." Wir nahmen alle Positionen ein, ich stand nun auf der völlig ungewohnten Mittelposition. Herr Laßbei erklärte mir einige kompliziertere Schritte, die ich aber zügig lernte, schließlich hatten Alessia und ich oft genug gemeinsam geübt. Damals. Ich musste fast lachen.
Wir waren gerade mit einem Durchgang fertig, als Finn wieder reinkam. Ohne Alessia. Er ging zu Herrn Laßbei und besprach kurz etwas mit ihm.
„Okay!", sagte er dann laut. „Alessia tanzt nur noch den Teil vor der Pause mit, die langsamen, klassischen Tänze schafft sie einfach aus gesundheitlichen Gründen nicht. Ansonsten wären alle durch für heute, außer Robin, wir machen jetzt noch Sweater Weather." Alle anderen sprangen von der Bühne, packten ihre Sachen und gingen, bis auf zwei Mädchen die blieben, um zuzugucken und ich natürlich.
„Lass, let's rock it!", meinte Finn zwinkernd und sprang aus dem Stand auf die Bühne. Kein Grund, so anzugeben...
Herr Laßbei schaltete die Musik ein. Mir lief ein Schauder über den Rücken. Ich mochte Finn lieber als Can. Vielleicht war das der Grund, warum sich der Tanz plötzlich anders anfühlte. Irgendwie richtig. Ich lächelte beim Tanzen automatisch, was wiederrum Finn zum Lächeln brachte. Bei einigen Stellen strahlten wir förmlich um die Wette und als ich das Video von Kyle Hanagami nachäffte und ihm die Zunge rausstreckte, lachte Finn, ohne dabei aus dem Takt zu geraten. Die Hebung lief so glatt wie noch nie und erst, als wir in der Endposition standen, merkte ich, wie schnell mein Atem ging. Es fühlte sich an, als würde ich aus einem Rausch aufwachen.
Unsere drei Zuschauer in der Aula applaudierten. Herr Laßbei tat das nach jedem Tanz, doch die beiden anderen klatschten auch, also musste es wohl gut gewesen sein. Oder sie klatschten einfach bei allem, was Finn tat.
„Leute, das war hervorragend! Finn, du bist ein choreografisches Genie und hast in Robin eine würdige Tanzpartnerin gefunden!" Ich wurde rot. Zwar hatte Herr Laßbei auch Can und mich schon einige Male gelobt, aber immer eher Can als mich. Mich behandelte er die meiste Zeit irgendwie komisch, als mochte er mich nicht oder so. Deshalb war es schon überraschend, dass er mir den Sweater Weather-Part gegeben hatte, doch das hier haute mich aus den Socken.
Finn lachte nur und nahm mich in den Arm. Dann schob er mich in Richtung Bühnenrand und wir sprangen runter.
„Autsch, scheiße!", fluchte ich. Ich war mit meinem linken, bis auf das Tape nackten, Fuß auf einem Steinchen oder so gelandet. Genervt hob ich meinen Fuß und darunter befand sich nicht etwa ein Stein, sondern ein Anhänger einer Kette. Er hatte die Form einer tanzenden Elfe und war ganz silbern, bis auf die Augen, die aus winzig kleinen Saphiren bestanden.
„Guck mal!" Ich drehte mich zu Finn um und zeigte ihm die Elfe.
„Das ist der Anhänger von Cailin", meinte der verwirrt.
„Cailin?", ahmte ich den Namen nach.
„Meine Schwester", antwortete Finn abwesend, als er mit der Hand über den Anhänger fuhr. Ich ließ ihn schließlich in seine Hand fallen, die er auffordernd aufhielt.
Nachdem er den Anhänger verstaut hatte, packten wir unsere Taschen und zogen unsere Schuhe an. Gemeinsam verließen wir die Aula. Das Wetter hatte sich in den letzten zwei Stunden nicht verbessert, im Gegenteil: statt dem fiesen Bindfadenregen von heute Mittag schüttete es nun wie aus Eimern. Ich schaute auf die Uhr. Mein Bus kam erst in zwanzig Minuten.
„Na toll", murmelte ich.
„Soll ich dich fahren?", fragte Finn mitfühlend. Dankbar schaute ich zu ihm hoch. Weit hoch. Finn grinste sein typisches Grinsen.
An seinem Auto angekommen hielt er mir wieder die Tür auf und ich ließ mich auf den Sitz fallen. Auf dem Stück von der Aula bis zum Auto hatte ich keine Kapuze aufgezogen, weswegen meine Haare klatschnass waren und sich nicht entscheiden konnten, ob sie einfach platt herunterhängen oder sich kräuseln wollten. Finn stieg ebenfalls ein. Heimlich betrachtete ich seine Haare. Seine dunklen Haare trug er an den Seiten kurz und oben etwas länger, sogar lang genug, dass ich sehen konnte, dass auch seine Haare sich kräuselten und ihm störrisch in die Stirn hingen. Bevor er den Schlüssel ins Zündschloss steckte, fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare und die kurzen Locken lagen alle wo sie hingehörten. Unfair. Naja, nur dafür wollte ich nicht auf meine langen Haare verzichten.
Wir brauchten gerade so drei Minuten für den Weg, was auch kein Wunder war, da Finn, wenn wir nicht gerade ein Ampeln standen, raste, als hinge sein Leben davon ab. Auch in dreißiger-Zonen.
Zuhause kletterte ich aus dem Wagen und überrascht sah ich, dass auch Finn ausstieg.
„Willst du deinem Tanzpartner keine Umarmung geben, lass?", fragte er und breitete die Arme aus. Ich lief halb ums Auto und schmiss mich dann in seine Arme. Sein ganzer Körper bebte, als Finn lachte. Dann ging die Haustür auf und ich hörte meine Mutter meinen Namen rufen.
„Robin Alexandra! Da bist du endlich! Komm bitte, schnell!" Sie gab gar keinen Kommentar zu Finn ab, stattdessen verschwand sie, panisch mit den Händen gestikulierend wieder im Haus. Ich verabschiedete mich verwirrt von Finn und lief meiner Mutter hinterher. Sie eilte auf die Küche zu, was wirklich lustig aussah, denn sie trug hohe Schuhe und versuchte darauf so schnell wie möglich zu gehen, ohne wirklich zu rennen.
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Ende für heute!
LadyBrisingr
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Supposed to be a Lady
ChickLitRobin ist 17, steht kurz vorm Abi und hat definitiv besseres zu tun, als sich mit ihrer Ex-besten Freundin und dem heißen Schotten, dem sie immer wieder zufällig begegnet, herumzuschlagen. Dass ihre überreichen Eltern sie zur perfekten Nachfolgerin...