Nicht besonders motiviert saß ich im Französischunterricht. Marie war im gleichen Kurs wie ich und hatte den Platz neben mir. Es dauerte keine fünf Minuten, da schob sie mir den ersten Zettel rüber. In der 5min-Pause reden? stand darauf. Ich nickte kurz.
Ausnahmsweise ging die erste Französischstunde schneller rum, als ich es mir wünschte und kaum, dass unsere Lehrerin uns in die fünfminütige Pause entlassen hatte, wandte sich mir ein fragendes braunes Augenpaar zu. Ich erzählte ihr also von dem Streit. Nicht in aller Ausführlichkeit, denn ich wollte meine Freundinnen da raus halten, aber wohl ausführlich genug. Naja. Am Ende meiner Erzählung schlug sie vor, ich sollte mich doch bei Alessia entschuldigen. „Lass mich kurz nachdenken... Nö.", schoss mir durch den Kopf, doch ich sagte es nicht laut.
„Ich will mich nicht mehr entschuldigen. Ich habe Dinge gesagt, die sich nicht zurücknehmen lassen, da ich sie genauso gemeint habe und ich werde mich nicht entschuldigen, wenn mir nicht alle Dinge leidtun, für die ich mich entschuldige. Also..." Marie sah mich schräg an. Ich wusste, dass in ihrem Kopf gerade Sätze wie „doofe Ziege" oder „Sturkopf" oder ähnlich nette Dinge herumflogen, doch ich zuckte nur mit den Schultern und drehte mich zu unserer Lehrerin um, die in diesem Moment verkündete, dass es weiter ging. Bombentiming, Madame.
Nach Französisch stürzte ich wieder in die Bücherei. Ein Zettel lag auf dem Stuhl, auf dem ich in der ersten Pause schon gesessen hatte.
Lass, be ready at 5:30 pm. I'll pick you up, Mr. McCollum stand darauf. Ich musste lachen. Wie konnte er wissen, dass ich mich tatsächlich in der zweiten Pause wieder hier hin verziehen würde? Wie konnte er wissen, dass nicht irgendein anderes Mädchen diesen Zettel mitnahm, wenn er mit seinem Nachnamen unterschrieb? Quasi jedes zweite Mädchen der Schule stand auf ihn. Ich hatte mich nie für ihn interessiert, weil er kurz der Tanzpartner von Alessia gewesen war und sie auf ihn gestanden hatte. Genauso wie auf Malte. Für den hatte ich mich auch nie interessiert! Egal, andere Geschichte.
Mit dem Zettel in der Tasche ging ich tatsächlich motiviert in den Biologieunterricht. Ökologie. Kotzwürg. Naja, immerhin kein Genetik mehr, denn das war wirklich sterbenslangweilig gewesen.
Herzlichen Glückwunsch. Als ich aus der Stunde kam hatte ich genau NICHTS gelernt, was wir uns nicht schon in der Hausaufgabe erarbeiten mussten.
Genervt vor mich hinbrummelnd ging ich in die Mensa. Ich ließ meinen Blick kurz über das warme Essen gleiten, was sie heute anboten. Es war ein Witz. Und zwar kein besonders lustiger. Das einzige, was halbwegs genießbar aussah, waren die Nudeln und sogar die sahen ein bisschen labberig aus. Nein, danke. Ich ging also weiter zur Theke, die Baguettes, Muffins und so einen Kram anbot.
Mein Mittagessen bestand also aus einem Baguette mit Gouda, Salat und Tomaten und einem Apfel. Überrascht stellte ich fest, dass der Salat noch frisch schmeckte.
In Englisch behandelten wir gerade Kurzgeschichten. Ich liebte Kurzgeschichten, solange sie sich um Sherlock Holmes drehten. Die meisten anderen waren nicht so mein Fall. So auch nicht die, die wir gerade lasen. Der Hauptcharakter widerte mich an und deshalb fand ich einfach die ganze Geschichte scheiße. Abgesehen vom Schreibstil. Tatsächlich fragte Frau Sund uns nach der ersten Stunde nach unserer Meinung. Ich meinte, fast so etwas wie Dankbarkeit in ihren Augen aufblitzen zu sehen, als ich als erste aus dem Kurs den Inhalt der Geschichte nicht mochte, die Titelfigur sogar als disgusting (eins meiner absoluten Lieblingswörter im Englischen zusammen mit obvious und unfortunately) bezeichnete. Zu meiner großen Begeisterung erwiderte meine Lehrerin meine Aussage, dass die Hauptperson ein widerlicher Sexist sei mit obviously. Mal abgesehen davon, dass sie zu viele Hausaufgaben aufgab, war Frau Sund einfach großartig!
Am Ende der Stunde stieß ich trotzdem einen erleichterten Seufzer aus. Ein bisschen zu laut, denn Stefan, ein Typ, der auch mit mir in Französisch saß und mit dem ich mich auch meistens ganz gut verstand, solange er keinen seiner Nazi-Witze brachte, schaute mich merkwürdig an. Ich zuckte bloß mit den Schultern und formte „Schule aus" mit den Lippen. Er nickte.
Frau Sund war wirklich gut gelaunt gewesen und hatte uns deshalb nur einen Zettel mit drei Aufgaben mitgegeben. Ich musste nur etwas unterstreichen, dass hatte ich also schon erledigt, als ich in meiner Straße aus dem Bus stieg.
Zu Hause erwartete meine Mutter mich schon. „Wie war die Schule, Liebling?", fragte sie und bemerke zum Glück nicht, dass ich leise mitgesprochen hatte. Wirklich, immer dasselbe.
„Gut, ich bin mit den meisten Hausaufgaben schon fertig", erwiderte ich. Und ja, ich sagte auch fast immer dasselbe. Nur schien meine Mutter das noch immer nicht bemerkt zu haben.
„Ich werde heute Abend von Finn abgeholt. Wir unternehmen ein bisschen was." Damit wollte ich mich eigentlich verabschieden, doch die Neugier meiner Mutter machte mir einen Strich durch die Rechnung.
„Wer ist Finn? Seit wann triffst du dich mit ihm?", fragte sie.
„Finn McCollum von McCollum and Company. Wir kennen uns aus der Schule und wir unternehmen heute zum ersten Mal etwas zusammen." Beim Namen der Firma entspannten sich die Züge meiner Mutter. Sobald sie ihn sehen würde – groß, schlank, aber muskulös, ebenmäßige Gesichtszüge, tolle grüne Augen und meistens auch noch vorbildliche Manieren – würde sie vermutlich die Hochzeit planen. Na toll.
„Ich gehe noch eben hoch, bis später, Mam!" Damit war ich auch schon die Treppe hinauf. In meinem Zimmer angekommen, öffnete ich meine Haare und steckte nur ein paar Strähnen nach hinten, damit sie mir nicht ins Gesicht fielen. Dann schaute ich auf die Uhr. Gerade mal halb fünf. Hervorragend.
Als um kurz vor halb sechs mein Wecker klingelte, riss er mich aus einer anderen Welt. Ich war definitiv zu oft in Buchwelten, aber solange es niemand anderen störte, war ich damit einverstanden. Schnell schlüpfte ich wieder in meine Nieten-Chucks und zog meine Lederjacke über. Ich stand kaum unten vor der Haustür, als es auch schon klingelte. Ich riss die Tür auf und rief über meine Schulter: „Bin jetzt weg, bin spätestens um neun zurück!" Dann fiel die Tür ins Schloss.
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Also immer noch nicht das richtige Treffen, aber nächstes Kapitel, versprochen!
Und tut mir leid, dass ich es verpennt habe, gestern hochzuladen :(
Bis Mittwoch!
LadyBrisingr
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Supposed to be a Lady
ChickLitRobin ist 17, steht kurz vorm Abi und hat definitiv besseres zu tun, als sich mit ihrer Ex-besten Freundin und dem heißen Schotten, dem sie immer wieder zufällig begegnet, herumzuschlagen. Dass ihre überreichen Eltern sie zur perfekten Nachfolgerin...