Kapitel 1

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„Weißt du was Robin? Du kannst mich mal am Arsch lecken, du Schlampe!", zischte meine beste Freundin mich an.
"Ich soll also die Schlampe sein?", fauchte ich, „Ich zeig dir, was eine Schlampe ist!" Alessia lachte nur spöttisch. Ich schob den Gedanken an Lennart beiseite. Stattdessen zickte ich: „Willst du mir die Schuld daran geben, dass Malte nicht auf dich steht? Oder daran, dass aus dir und deinem Tanzpartner nie etwas geworden ist? Tu das! Aber es wird nicht lange dauern und dann wirst du einsehen, dass ich nichts, absolut gar nichts dafür kann! Wenn du Malte allerdings genauso oft versetzt hast wie mich, wundert es mich nicht!" Meine immer wieder herunter geschluckte Wut von etwa dreieinhalb Jahren Freundschaft kam hoch.
„Du behauptest, ich hätte dich fallen gelassen, jedes Mal, wenn da ein Kerl war, den ich auch nur nett fand. Sogar wegen Kilian, meinem damals besten Freund! Aber wenn du nie Zeit hattest, wenn du wieder mal jetzt keine Zeit hast, weil du in 5 Stunden weg musst, das ist okay oder was?" Ich merkte, wie meine Kehle eng wurde und meine Augen zu brennen begannen. Doch dieses Mal würde ich mich nicht entschuldigen. Ich hatte mich immer entschuldigt. Jedes Mal. Auch wenn ich fand, dass ihre Vorwürfe unfair waren. Sogar vor meiner Familie hatte ich sie verteidigt, wenn sie mich mal wieder wegen eines Zahnarzttermins ihrer Mutter (!) hängen gelassen hatte. Jetzt reichte es mir. Ich wusste, dass sie sich nicht entschuldigen würde. Aber wer brauchte schon eine beste Freundin, die sich aufführte wie die eifersüchtige feste Freundin? Ich nicht! Zum Glück hielt der Bus vor mir und ich stieg ein, ohne noch ein Wort zu sagen.

Abends lag ich in meinem Bett und starrte an die Decke. In den letzten zwei Stunden, in denen ich zu Hause war hatte mein Handy quasi ununterbrochen vibriert. Catrina und Marie, die zwei Mädels, mit denen Alessia und ich fast alles gemeinsam gemacht hatten, wurden wohl bereits von Alessia über unseren Streit informiert. Ich erklärte ihnen, dass ich sie da auf keinen Fall mit reinziehen wollte und sie mir bitte nicht böse sein sollten, wenn ich mich in der Schule nicht zu ihnen gesellen wollte, denn dann würde es nur unangenehmes Schweigen oder giftige Blicke geben, solange Alessia auch da wäre. Seufzend hatte ich meinen Büchereiausweis in die Schultasche gesteckt, denn ich würde wohl viel Zeit mit nicht-lebenden Pausengefährten verbringen müssen. Traurigerweise war ich innerhalb der Schule abgesehen von der Vierergruppe, die es ja nun nicht mehr gab, ziemlich isoliert gewesen, denn meine Eltern wollten, dass ich mich voll und ganz auf die Schule konzentrierte um ein hervorragendes Abitur zu schaffen, damit ich danach offiziell in ihrem Betrieb ausgebildet werden konnte. Bürokaufmanagement, um mich in der Firma zu Recht zu finden, die ich eines Tages übernehmen sollte. Bäh. Wie sollte ich bitte eine Firma leiten, die auf internationalem Level Süßwaren, die ich noch nicht einmal mochte, verkaufte und in ganz Europa Ableger hatte? Ich wollte nicht in ein Büro und mit Zahlen jonglieren. Zahlen lagen mir einfach nicht. Ich mochte Wörter, Phantasie, ferne Welten viel lieber. Eigentlich wollte ich an eine Bühnenschule und in Musicals spielen. Aber das interessierte meine Eltern nicht, schließlich war ich die Tochter des Marzipankönigs. Quasi die Marzipanprinzessin. Und die musste auf Fotos gut aussehen, lieb mit den Wimpern klimpern, erzählen, dass Daddy der tollste sei – und eben ein hervorragendes Abi schreiben. Womit wir wieder bei dem Problem mit den Schulfreunden wären. Also, das mit den nicht vorhandenen Schulfreunden.

Wütend bemerkte ich, dass mir Tränen übers Gesicht liefen. Nicht, weil ich keine Freunde hatte. Sondern weil ich Alessia verloren hatte. Ich war zu der Überzeugung gelangt, dass es an mir liegen musste, dass meine besten Freundinnen nie lang meine besten Freundinnen waren. Allerdings hatte mir nie jemand vorgeworfen, ich hätte nicht genug Aufmerksamkeit für sie gehabt. Meine Wut gewann wieder Oberhand und die Tränen versiegten. Ich tapste leise in mein Badezimmer und wusch mir mein Gesicht ab. Dann legte ich mich wieder ins Bett. „Gute Nacht, Welt", murmelte ich, als ich mein Handy ausschaltete. 

Am nächsten Morgen um Punkt acht Uhr klingelte mein Wecker. Wie meine Eltern es von mir erwarteten, zog ich mir ordentliche Kleidung an und steckte meine Haare in etwas, was einer Frisur ähnelte. Ich schlüpfte noch in meine Ballerinas und ging hinunter in das gigantische Esszimmer. Meine Mutter trug wie immer einen farblich auf die bodenlange, gerade geschnittene Hose abgestimmten Blazer und eine Bluse die nur wenige Nuancen heller als der Blazer war. Ich musste mich zusammenreißen, nicht genervt aufzustöhnen, als ich sah, dass sie bereits Pumps trug. Ich lenkte mich von dem Gedanken, dass ich vermutlich der einzige Mensch an unserer Schule war, der innerhalb seines Hauses zu einem Samstagsfrühstück mit der Familie schicke Schuhe tragen musste, ab, indem ich mir über meine kleine Feder knapp über dem Hüftknochen strich, welche ich mir an meinem 17 Geburtstag hatte stechen lassen. Ab 16 Jahren reichte in vielen Studios eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern, die ich spielend fälschen konnte. Auch wenn es albern sein mochte, die Tätowierung gab mir immer dann Kraft, wenn ich das Gefühl hatte, von meinen Eltern eingesperrt zu sein.

„Guten Morgen, Mama", sagte ich ruhig und küsste sie auf die Wange, die sie mir bereits hingehalten hatte.

„Guten Morgen, Liebling", erwiderte sie, „Robin, ich hoffe, du hast nicht vergessen, dass heute um halb neun eine Gala hier stattfindet und dein Vater dir gerne den ein oder anderen Geschäftspartner vorstellen wollte?" Ich zuckte unmerklich zusammen. Ich ging heute kellnern, aber das wussten meine Eltern –natürlich – nicht. Sie würden es niemals billigen, dass ihre Marzipanprinzessin so einer gewöhnlichen Tätigkeit wie kellnern nachging. Aber ich wollte mein eigenes Geld verdienen, also hatte ich mir bereits mit 14 auf diversen privaten Feiern und Partys etwas dazu verdient und hatte mich mit 16 bei einem Caterer beworben, der mich sofort genommen hatte. So ging ich mehr oder weniger regelmäßig auf Anlässen kellnern, die von diesem Service beliefert wurden. Ich hatte mein Tattoo davon bezahlt und meine Sucht nach Belletristik finanziert, denn wenn es nach meinen Eltern ginge, würde ich nur Tolstoi und Kafka lesen.

„Ich bin heute um vier mit Alessia zum Lernen verabredet, außerdem müssen wir ein Referat schreiben, es kann sein, dass ich erst gegen kurz nach acht zu Hause bin", log ich und lachte fast auf über die Leichtigkeit, mit der mir die Lüge über die Lippen kam. Bis mich ein Stich im Herzen daran erinnerte, dass Alessia nie mehr herkommen würde, um meine Lüge zu bestätigen. Still setzte ich mich an den Tisch. Ich goss mir gerade Tee ein, als mein Vater den Raum betrat. Manchmal, wenn er so guckte wie jetzt, sah er aus wie Kevin Spacey in House of Cards, kurz bevor er jemanden umbrachte. Gruselig.

„Guten Morgen, Liebling", sprach er genau die Worte, die meine Mutter 5 Minuten zuvor gesagt hatte. Als hätten sie beide das exakt gleiche Drehbuch, nach dem ihr Tag ablaufen sollte, gelesen. Ich lächelte meinem Vater zu. Ich war so gut im Lächeln faken, dass meine Eltern es nicht mal bemerkt hätten, wenn sie es gewollt hätten.

Meine Mutter schaute von mir zu meinem Vater und erzählte ihm dann, dass ich nachmittags unterwegs sein würde. Danke, Mama. Mein Vater musterte mich streng.

„Sollte es später werden, weißt du, was du zu tun hast!", ermahnte er mich. Jaja, ich sollte durch die Hintertür kommen, damit mich niemand sah, und mich gefälligst herrichten wie es sich für mich gehörte. Ich nickte bloß. 

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TADAAA! Erstes Kapitel! Wir haben also ein bisschen was über Robin erfahren, wie sie lebt, was sie will und ich hoffe, ihr konntet euch in diesem (zugegeben kurzen) Kapitel eine erste Meinung über sie bilden... Schreibt sie in die Kommis, auch wenn euch das Kapitel zu kurz / zu lang / wie auch immer war... Wie im Vorwort gesagt, erste Geschichte  :D

Demnächst gibt es mehr, LadyBrisingr

Supposed to be a LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt