Kapitel 25

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Nach dem Duschen stand Kilian mit Finn auf dem Flur. Die beiden lachten über irgendwas und ich stellte mich heimlich hinter Kilian. Als ich meine Hände um seinen Hals legte, als wolle ich ihn würgen, zuckte er nur kurz zusammen, dann nahm er mich in den Arm.

„Was machst du hier?", fragte ich ihn.

„Dasselbe wie du. Bevor du kamst, und dich in unsere Männerfreundschaft gedrängt hast, ist Finn mit mir klettern gegangen!" Theatralisch legte Kilian sich seine Hand aufs Herz. „Frauen zerstören alles mit der Macht der Liebe!" Nach zwei – durchaus festen – Knuffen von Finn und mir verzog Kilian sich lachend in die Umkleide. Finn und ich drehten uns zum Gehen. Als wir an David und Andreas vorbei kamen, legte er demonstrativ einen Arm um mich.

„Was soll das denn?", fragte ich leise.

„Ich muss Prinzessin Jasmin vor Dschafar beschützen!", murmelte Finn an meinem Scheitel. Ich kicherte leise. Er musste ja nicht wissen, dass ich mich heimlich gerade fühlte, als würde ein ganzer Schwarm von Schmetterlingen überall auf meiner Haut Tango tanzen.

Vor der Tür löste Finn sich von mir, als wir das Auto erreichten und fuhr sich mit der Hand übers Kinn.

„Uäh. Nasse Haare!", motzte er. Ich fuhr ihm durch die pechschwarzen Haare, die sich auch noch feucht kringelten. „Du auch!", gab ich zurück und ließ mich dann auf den Beifahrersitz fallen.

Wie selbstverständlich kam Finn noch mit hoch und schaute mir zu, wie ich Blagdens Voliere reinigte. Inzwischen war der Regen von heute Nachmittag verzogen und die untergehende Sonne tauchte alles in rötliches Licht. Als ich die letzten Zeitungsreste ausgelegt hatte, richtete ich mich ächzend auf und ließ meinen Rücken knacken. Finn lachte. Ich drehte mich grinsend zu ihm um und sah, wie sein Lächeln verrutschte.

„Was ist?", fragte ich. Er fing sich wieder.

„Deine Haare leuchten in ganz verschiedenen Farben, wenn die Sonne so drauf scheint. Einige Strähnen sind fast so rot wie die Haare meiner màthair, dann sind da braune Strähnen und das hier", er griff eine Locke und ließ sie durch seine Finger gleiten, „ist fast hellblond." Finn blinzelte und senkte die Hand.

„Entschuldige", meinte er dann. „Ich war nur fasziniert." In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als das, was in jedem Schnulzenfilm oder Roman passiert wäre. Einen Kuss von Finn. Aber ich lebte nicht im Buch, oder Film, oder Musical. Ich war nur Robin Gold, Tochter eines reichen Mannes, die von genau dieser Traumwelt träumte. Und weil ich leider nur träumte, trat Finn in der Realität einen Schritt zurück, räusperte sich und fuhr sich durch seine – mittlerweile trockenen – Haare.

„Ich glaube, ich sollte auch gehen, wir haben schon halb neun und athair wird mir nichts vom Essen übrig lassen, wenn ich nicht gleich komme..."

„Schon klar", murmelte ich, unfähig, meine Enttäuschung ganz zu verbergen. Ich begleitete ihn zur Tür. Ich bekam keine Umarmung, er rief nur „Bye, Robin!" über die Schulter. Er hatte mich noch nie Robin genannt. Außer damals in der Küche, als er mich nach meinem Namen fragte. Ich hatte ganz vergessen, dass er meinen Namen englisch aussprach. War es tatsächlich erst zwei Wochen her, dass ich das zum letzten Mal gehört hatte?

Am Samstag musste ich ins Minori, denn die eigentliche Kellnerin des Restaurants war krank und ich sprang für sie ein. Ich hatte schon häufiger Vertretungen im Restaurant übernommen, so dass ich, obwohl ich mich ursprünglich nur als Bedienung auf Veranstaltungen beworben hatte, schon einiges an Erfahrung hatte. Ich dachte an das letzte Mal, als ich eher spontan gekellnert hatte. Ob die McCollums wieder im Minori essen würden? Vermutlich nicht. Trotzdem hoffte ich jedes Mal, wenn ich aus der Küche heraus ging, dass ein weiterer Tisch besetzt worden war und mir lauter bekannte Gesichter entgegen schauen würden. Diese Hoffnung wurde jedes Mal enttäuscht. Jedoch fiel mir nach einer Weile wieder ein, warum ich ungern im Restaurant kellnerte, denn einige Leute aus meiner Schule wohnten hier in der Nähe und gingen gern hier essen.

Heute hatte ich Glück, keiner schien samstagabends herkommen zu wollen und um zehn beendete ich meine Schicht ohne großartige Zwischenfälle.

Als ich zu Hause war, checkte ich meine Nachrichten, doch bis auf einige nicht sehr sinnvolle Nachrichten in der Gruppe mit den Jungs hatte niemand etwas von mir gewollt.

Obwohl es schon elf Uhr war, als ich aus der Dusche stieg, setzte ich mich noch ein bisschen zu Blagden an den Käfig. Ich wusste nicht, was es bringen sollte, doch ich erzählte ein bisschen von meinem Tag und auch wenn es bescheuert schien, sah es aus, als würde mir der Rabe aufmerksam zu zu hören. Wenigstens einer, dachte ich.

Der Sonntagmorgen verlief nach Muster. Um zwölf Uhr hielt ich es vor Langeweile nicht mehr aus und schrieb die Jungs an, ob sie nicht irgendwozu Lust hätten. Tatsächlich hatten Kilian, Julian und Chris ein Fußballspiel und Luka, Finn und ich beschlossen, sie anfeuern zu gehen.

Es war überraschend warm, als ich auf das Thermometer an meiner Außenwand schaute, zeigte es mir 22 Grad. Ich blickte hinauf zum Himmel. Ein paar graue Wolken, aber ansonsten blau. Herrliches Wetter für den 29. April. Ich zog meine khakifarbende Cargohose an und ein weinrotes Shirt dazu. Schnell warf ich mir noch eine graue Strickjacke über und schwang mich auf mein Fahrrad. Auf dem Weg dachte ich darüber nach, ob es nicht komisch sein würde, wenn Finn und ich uns jetzt begegnen würden, doch als ich pünktlich zum Anpfiff um halb eins die Jungs am Platz traf, war davon nichts zu spüren und ich war froh, dass Luka irgendwie als Puffer fungierte. Die Jungs waren bereits im Clubheim und hatten beide ein Bier in der Hand.

„Jungs!", lachte ich, halb entsetzt. „Wir haben halb eins und ihr sauft schon!" Luka prostete mir nur zu, doch Finn sagte:„Ist alkoholfrei, ich muss ja noch fahren. Willst du?" Er hielt mir die Flaschehin. Er trank Weizen und ich verzog nur angewidert das Gesicht. Finn zuckte mit den Schultern und nahm einen langen Schluck. Mir schoss durch den Kopf, dass er, wenn wir uns jetzt küssen würden, nach Bier schmecken würde. Ich schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verscheuchen. Innerhalb von zwei Wochen hatte ich mich von einer mehr oder weniger zielstrebigen Träumerin in eine immer noch zielstrebige, aber hoffnungslos verknallte, noch viel schlimmere Träumerin verwandelt.

Luka musterte mich einmal abschätzend und schaute dann auf meine Kette, die ich ohnehin jeden Tag trug, sie heute aber so weit gestellt hatte, dass sie genau über meinem Top hing.

„Hübsche Kette", meinte Luka und wackelte mit den Augenbrauen. Ich seufzte und Finn stieß ihm fest in die Rippen. 

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Samstag :) heute ist Abiball :) Also bei mir, bei Robin kommt der Ball erst bald.... :D
LadyBrisingr

Supposed to be a LadyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt