Mia wandte ihr Gesicht aus der Sonne und blickte Michael verwundert an. "Einen Moment.", meinte sie Schulterzuckend. Mit etwas Schwung rollte sie zu ihrer schwarzen Ledertasche und zog eine Mappe heraus. Diese war in verschiedene Bereiche gegliedert und alphabetisch sortiert. In der Rubrik "Arbeit" wurde sie fündig und Michael kam näher, um einen Blick auf die Einträge über sich zu erhaschen. Sie hielt die Mappe allerdings hoch vor ihren Kopf und verhinderte dabei den neugierigen Blick.
"Also...", begann sie und lies eine etwas längere Pause. Michael drehte einen Kugelschreiber in den Fingern, nur um etwas in der Hand zu haben. "...ich habe ihn mal in der Küche getroffen und er wollte mir nicht sagen für welche Firma er arbeitet. Es würde nur ihn und den Chef etwas angehen. Außerdem verlaufen die Verhandlungen anscheinend noch." Ihr Augen überflogen kurz noch einmal die Einträge bevor sie die Mappe energisch zuschlug. "Und woher kennst du diesen Mann?", wollte sie mit hoch gezogenen Augenbrauen wissen. "Ebenfalls aus der Küche.", meinte er schlicht und Mia begann zu lachen. "Scheint ein belibter Platz von ihm zu sein." Sie wirkte gleich wieder etwas wacher. "Er hat von dir nur mit deinem Vornamen gesprochen." Mia zog bereits wieder die altbekannten Papiere mit ihren Lernplänen hevor. "Ich wollte heraus bekommen wo er arbeitet und da wahr mir die Distanz des Siezens hinderlich.", meinte sie mit einem unschuldigen Lächeln.
Die beiden stürzten sich wieder in die Arbeit. Leider war die Müdigkeit immer noch präsent und hinderte sie das ein oder andere Mal an der Konzentration. Mia machte stetig Fortschritte. Michael musste ständig daran denken, dass sie das nur ihrer Kündigung näher brachte. Doch trotzdem versuchte er ihr bestmöglich zu helfen. Er hoffte es sich nirgends notiert zu haben damit er morgen von diesen Gedanken befreit bleiben würde.
Der Feierabend kam Michael auf einmal viel zu früh vor. Selbst wenn er heute müde war, hätte er sogar weiter gemacht um in der Nähe dieser Frau sein zu können. Es brachte zwar nicht viel die Dokumentationen jetzt noch durch zu lesen aber er tat es trotzdem. Dabei fiel ihm auf, dass früher kaum negatives in ihnen stand. Erst seit kurzem hatte er begonnen negative oder zumindest kritische Aspekte des Tages aufzunehmen. Diese hatte es vorher bestimmt auch gegeben also musste er sich selbst etwas verschwiegen haben. Doch nun war es an der Zeit sich damit auseinander zu setzen.
Am nächsten Tag war Mia wieder die perfekte Business Frau. Sie war überpünktlich und hatte bereits begonnen zu arbeiten bevor Michael kam. Die beiden gingen zur Mittagspause in die Stadt um dort etwas zu essen. Michael konnte seinen Steckbrief von Mia wieder mehr vervollständigen. Durch die Organisation stellte er sich vor wie es wäre wenn man sich erinnern könnte. In der Stadt schienen die Menschen alle diese Angst in sich zu tragen. Die Angst zu vergessen. Sie machten sich immer wieder Notizen oder Sprachaufnahmen. Das konnte normal wirken doch auf dem abgelegenen Friedhof am Rande der Stadt wurde es deutlicher. Jedes Grab trug ein Foto oder gar ein Hologramm das man einschalten konnte. Die Menschen brachten Bücher, Bilder oder Aufnahmen mit. Sie wussten trotzdem, dass sie den Menschen und seine Zeit auf Erden am nächsten Tag vergessen haben würden.
Zu diesem Tag gab es in der Dokumentation nicht viel neues zu vermerken. Michael beschloss seine Freizeit zu nutzen sich wieder der Musik zu widmen. Er konnte keine Noten lesen und hatte dies anscheinend nie für notwendig gehalten, da er keine fand. Er fühlte die Saiten der Gitarre und folgte einfach seinem Gehör. Lieder waren ihm ebenfalls keine mehr bekannt. Dadurch ergab sich eine große Freiheit beim spielen. Ohne Einflüsse und Regeln konnte er einfach seinen Gefühlen Raum geben.
Am nächsten Morgen war Mia nicht im Büro. Es war auch nirgendwo vermerkt, dass sie Urlaub hatte oder entschuldigt war. Da schrillte auch schon Michaels Telefon. Dieser Klingelton war kein Hinweiß sondern eine Qual. Michael war allerdings zu angespannt um sich dessen Änderung vor dem Annehmen zu notieren. Das Display zeigte Mias Nummer. "Ich bin auf dem Weg zur Organisation und du solltest dasselbe tun.", forderte sie sogleich ohne Begrüßung. "Wir müssen doch arbeiten.", meinte Michael und schaute zur Sicherheit nochmal auf den Dienstplan. "Das hier ist wichtiger." Nach diesen Worten legte sie einfach auf. Michael stand unschlüssig im Büro. Nervös nestelte er an seinem Hemdkragen und überlegte ob er es wirklich tun konnte. Doch nach diesem Anruf war sowieso nicht mehr an Arbeit zu denken.
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Amnesie - Gestohlene Erinnerungen
Science FictionJede Nacht um 0.00 Uhr verschwinden sämtliche Erinnerungen der Menschen. Es bleiben ihnen nur fundamentale Kenntnisse. Sie wissen wie man Fahrrad oder Auto fährt und können ihre Arbeit ausführen. Dafür verlieren sie ihre Erinnerungen an den vergange...