23. Kapitel

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23. Kapitel

„Dear Darlin', please excuse my writing“

Immer wieder ging mir diese eine Zeile durch den Kopf. Ich konnte es nicht vergessen. Die ganze Zeit musste ich über den Brief nachdenken. Schon gefühlte tausende Male hatte ich ihn gelesen. Jedes Wort hatte sich in meinem Gedächtnis eingebrannt.

„Ich brauche dich doch“, so hatte es dort in schwarzer Tinte gestanden.

Und doch hatte er die letzten Tage nicht großartig mit mir geredet. Vor meinem Auftritt hatte ich ihn überhaupt nicht gesehen und danach hatte er auch nur kurz zum Sieg gratuliert, bevor er wieder verschwunden war.

Wenn er nicht mit mir redete, was wollte er dann mit diesem Brief erreichen? Dieser hatte Erfolg gezeigt, denn dadurch hatte ich die Wahrheit erfahren und war aus meiner Trance erwacht. Ich wusste nicht, wie es mir ohne dieses eine Blatt Papier ergangen wäre. Im Grunde genommen, konnte man sagen, dass er mir zum Sieg verholfen hatte. Doch was waren seine Beweggründe? Warum war er so nett zu mir, wenn er sich doch nicht bei mir meldete?

„Er wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt. Dieser Junge liebt dich!“, versuchte mir Leila bei einem unserer Telefonate einreden, doch ich wusste nicht, was ich glauben konnte. Vielleicht hatte er auch nur ein schlechtes Gewissen gehabt.

„Er möchte sich entschuldigen. Verzeih ihm doch einfach! Er hat sogar ein Lied für dich gesungen! Wie süß ist das denn bitte? Was willst du noch?“, fragte sie mich.

Was wollte ich eigentlich? Ich hatte keine Ahnung. Es fühlte sich einfach so unwirklich an. Ich konnte nicht einfach zu ihm gehen und ihm verzeihen. Ich traute mich nicht ihm in die Augen schauen. Die Angst, dass ich nur eine Spielfigur auf dem Weg zum Sieg war, zwickte unangenehm in meinem Herzen.

Und plötzlich war gestern dann Debbie aufgetaucht und hatte mich angebettelt mir abends die Show anzuschauen. Eigentlich hatte ich zwar nicht vorgehabt hinzugehen, aber ihrer Überredungskunst konnte ich nicht widerstehen. Es war schön zu sehen wie glücklich und zugleich erleichtert sie war, als ich schließlich zustimmte.

Wir hatten uns nicht zu den anderen Kandidaten, die an diesem Tag wie wir keinen Auftritt hatten, in die Weblounge gesetzt. Debbie bestand darauf, dass wir uns in die Zuschauermengen, gleich in die erste Reihe setzten.

„Hier hat man eine bessere Sicht auf die Bühne“, behauptete sie fest überzeugt, auch wenn ich nicht verstehen konnte, wie sie zu dieser Einsicht kam. Von oben konnte man doch über alle Zuschauer hinwegblicken, oder etwa nicht? Doch wenn sie es so wollte, dann musste ich mich diesem fügen, schließlich wollte ich ihr ja einen Gefallen tun.

Wir hatten schon zwei Auftritten und der darauf folgenden Entscheidung gespannt zugehört und zugeschaut, als plötzlich das Licht ausging.

„Was ist denn jetzt los? Ist das geplant?“, fragte ich erstaunt.

„Ist wahrscheinlich nur ein kleiner technischer Defekt. Es kann ja nicht alles reibungslos verlaufen“, stellte sie kein bisschen verwirrt fest.

Schon da war mir bewusst gewesen, dass ihr klar war, was im Studio vor sich ging. Es war stockdunkel, doch auch keiner der Leute im Publikum schien sich darüber zu wundern. Keiner dieser Personen stieß Schreie aus, so als ob sie gewarnt worden waren.

Ich hörte, wie jemand die Bühne betrat. In der Dunkelheit konnte ich mich gut auf die Geräusche um mich herum konzentrieren. Dumpf hallten die Schritte in der großen Halle wieder. Dann hörte man ein leises Schaben, bevor es wieder mucksmäuschenstill im Saal wurde. Was geschah hier gerade?

Und dann erklang seine helle Stimme. Sanft und klar drang sie zu mir hinüber. Sie fing mich ein und zog mich in seinen Bann.

„Dear Darlin‘, please excuse my writing“

Just give me a reason (The Voice of Germany Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt