Kapitel 8

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2. September 2015, 15:00

Das Klingeln der Schulglocke beendete den langweiligen Wirtschatfsunterricht von Mr Gordon und bedeutete für mich, dass ich einen weiteren Schultag überstanden hatte.

Heute ließ ich mir etwas mehr Zeit zum Einpacken meiner Schulsachen, denn ich wollte unbedingt ein erneutes Zusammentreffen mit Jasper verhindern. Allein der Gedanke an die dämliche Anmache von ihm gestern bereitete mir Unbehagen.

,,Hey", holte mich Adams Stimme schließlich wieder in die Realität zurück. Gerade hatte ich meinen Ordner in meinem Rucksack verstaut und zog den Reißverschluss zu, setzte den Rucksack auf und umklammerte den großen Stapel Bücher, den ich noch vorhatte in meinem Spind zu verschließen.

,,Was gibts?", erwiderte ich. Obwohl ich es vorzog, alleine zu bleiben, war mir Adams Gesellschaft lieber, als die von Jasper. Ich senkte meinen Blick, denn ich geriet etwas in Bedrängnis.

,,Na ja", begann der Braunhaarige und als ich leicht zu ihm hoch schielte, sah ich, wie er sich nervös am Hinterkopf kratzte. ,,Ich habe gedacht, wir könnten ein Stück zusammen gehen. Ich muss in dieselbe Richtung wie du"

Das Angebot war freundlich. Hätte ich nicht so große Angst davor, Jasper zu begegnen, hätte ich es vermutlich abgeschlagen, doch unter diesen Umständen nahm ich es, wenn auch zögerlich, trotzdem an. ,,Klar", sagte ich also trotz des unwohlen Gefühls in meiner Magengegend bei dem Gedanken, etwas mit ihm zu machen. Und sei es bloß, dass wir der Straße gemeinsam ein Stück folgten.

,,Echt?", schoss es Adam aus dem Mund, woraufhin er nervös auflachte. ,,Ich meine, okay. Gut"

Was tat ich da bloß?

Schlampe.

Adam und ich brachten erst unsere Bücher weg und verließen anschließend als eine der letzten Schüler das Gebäude. Doch was - oder eher gesagt wer - hier auf uns wartete, war schlimmer, als meine Befürchtungen, die Jasper betrafen.

Wie versteinert blieb ich stehen und starrte in seine Richtung. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag bis in meine Ohren und spürte, wie mir der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Tränen stiegen mir in die Augen und Gänsehaut überkam mich. Ich fühlte mich mindestens genauso dreckig, wie an jenem Tag, an dem er mir das angetan hatte, was er getan hatte.

Ich fühlte mich wie an jenem Tag, an dem Brandon mich vergewaltigt hatte.

Es war wieder so real. Und es war schrecklich. So schrecklich.

Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken oder direkt tot umgefallen.

Adam war ebenfalls stehen geblieben und stellte sich nun direkt vor mich, sodass er mir die Sicht auf Brandon nahm. Gott sei Dank.

,,Hannah?" Erst jetzt bemerkte ich, dass er auf mich einredete. Wie lange hatten wir hier gestanden? Bestimmt waren es nur Bruchteile weniger Sekunden gewesen, doch für mich fühlte es sich an wie eine qualvolle Ewigkeit. ,,Was ist los?"

,,Ich kenne ihn", flüsterte ich aus Angst, dass Brandon oder sonst irgendwer von unserem Gespräch mitbekam. Adam drehte sich nach Brandon um.

,,Wer ist das?", fragte er mich, doch ich senkte lediglich den Blick.

,,Hannah!", rief Brandon plötzlich und ehe ich mich versah oder irgendwas dagegen hätte tun können, stand Brandon auch schon direkt neben uns.

Das bedrückende Gefühl in meiner Brust wurde immer stärker und raubte mir immer weiter den Atem. Ich glaubte, keine Luft mehr zu bekommen und bekam keinen Ton heraus. Ich wagte es nicht, ihn anzusehen. Ich wagte es nicht einmal, mich zu bewegen. Ich war wie gelähmt, wie in jener Nacht..

,,Wir müssen reden, Hannah, bitte", flehte Brandon mich an. Meine Knie drohten unter mir nachzugeben und das einzige, was ich in diesem Moment tun konnte, um nicht umzukippen, war, mich an Adams Arm festzuhalten.

,,Wer bist du?", fragte Adam den anderen Braunhaarigen misstrauisch. Er schien zu bemerken, dass etwas mit mir nicht stimmte.

,,Brandon, Claires Bruder", antwortete Brandon genervt von ihm. ,,Und du bist?"

,,Adam", erwiderte Adam. ,,Hannah will offensichtlich nicht reden", fügte er daraufhin hinzu und zog mich von Brandon weg.

,,Woher willst du wissen, was sie will und was nicht?", knurrte Brandon und stieß Adam grob beiseite, sodass ich jeglichen Halt verlor. Das konnte Brandon wohl ziemlich gut: Mir jeglichen Halt entreißen. ,,Hannah.. ich liebe dich, verzeih mir"

Mir wurde schlecht. Und das war nicht nur eine Redewendung, denn mir wurde wirklich richtig schlecht, sodass ich mir eine Hand vor den Mund hielt. ,,Geh", forderte ich ihn auf, doch Brandon ging nicht. Tränen liefen mir über die Wangen. Bisher hatte ich den Blick nicht mehr gehoben, was Brandon änderte, indem er mein Kinn mit seinem Zeigefinger nach oben drückte.

,,Das kannst du nicht von mir verlangen, ich liebe dich und es sollte niemand zwischen uns stehen. Claire muss uns akzeptieren", versuchte Brandon mir weis zu machen und das war der Moment, in dem ich begriff, dass er keine Ahnung hatte, was er mir angetan hatte.

Gott sei Dank war Adam da und mischte sich erneut ein. ,,Sie hat gesagt, dass du gehen sollst", sagte Adam deutlich.

,,Sie weiß nicht, was sie will, Adam. Und du weißt es genauso wenig", beharrte Brandon und packte mich grob am Oberarm. ,,Hannah"

Schreiend schlug ich seinen Arm weg und stieß ihn von mir fort. ,,Du weißt es doch auch nicht!", warf ich ihm vor und gab ihm eine Backpfeife. ,,Du hast... geh einfach! Hau ab! Ich will dich nie nie wieder sehen! Du hast alles kaputt gemacht!" Ich wollte auf ihn losgehen, mit den Fäusten auf ihn einschlagen, doch Adam hielt mich davon ab.

,,Brandon, geh", sagte Adam.

Brandon folgte dieser Anweisung missmutig. Ich sank auf die Knie und weinte mir die Seele aus dem Leib.

Adam hockte sich zu mir auf den Boden und strich mir über den Rücken, doch ich stieß ihn von mir weg. Ich konnte seine Nähe nicht ertragen, ich konnte niemandes Nähe ertragen. Adam akzeptierte es und ließ sofort von mir ab, blieb wenige Meter von mir entfernt stehen und tat nichts.

Wie konnte Brandon es wagen, mich hier aufzusuchen, nach dem, was er mir angetan hatte? Wie konnte er es ertragen, mir unter die Augen zu treten und so zu tun, als sei alles aus freien Stücken passiert, denn das war es nicht. Er hatte mich vergewaltigt!

Ich konnte das nicht länger ertragen. Ich konnte diesem seelischen Schmerz nicht länger standhalten.

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Habt einen guten Start in die Woche! 😘

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